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Biochemie von Hautverletzungen Wundverschluss per Reißverschluss – so heilen Zellen Verletzungen

Quelle: Pressemitteilung

Wird die äußere Hautschicht verletzt, so senden sie Zellen ein Notsignal in Form einer Kalziumwelle. Dies leitet den Heilungsmechanismus ein. Was genau dabei mit dem Zellskelett passiert, haben nun Forscher der Philipps-Universität Marburg herausgefunden.

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Der Marburger Zellforscher Sven Bogdan und Doktorandin Franziska Lehne nutzten hochauflösende Methoden der Fluoreszenzmikroskopie, um den Wundverschluss in der Haut der Fruchtfliege zu studieren.
Der Marburger Zellforscher Sven Bogdan und Doktorandin Franziska Lehne nutzten hochauflösende Methoden der Fluoreszenzmikroskopie, um den Wundverschluss in der Haut der Fruchtfliege zu studieren.
(Bild: Marvin Rötte)

Biologische Zellen haben einen idealen Kompromiss zwischen robuster, fester Einheit und weichem, formbarem Zustand gefunden. Dabei sind sie in der Lage, ihre Steifigkeit und damit Beweglichkeit flexibel auf die Situation anzupassen. Dies hilft ihnen z. B. bei der Wundheilung, wie eine Forschergruppe um den Physiologieprofessor Dr. Sven Bogdan von der Philipps-Universität Marburg herausgefunden hat.

Das Skelett der Zellen ist wandelbar

Das Team untersuchte das Gerüstprotein Aktin, das nahezu alle tierischen Zellen benötigen, um ein Zellskelett zu bilden. Dieses „Skelett“ kontrolliert die Form der Zelle sowie deren Beweglichkeit. Falls nötig, lagern sich Aktin-Fäden zu Verstrebungen zusammen, um Ausstülpungen oder Zellfortsätze zu bilden. In ihrer Studie konzentrierten die Wissenschaftler sich auf den Effekt von Kalziumwellen im Gewebe, die als wichtiges Signal gelten und auf das Aktin-Zellskelett einwirken. Sie wollten herausfinden, wie diese Signale sich im Detail auf die Zelle auswirken.

Die Forscher stellten zunächst fest, dass ein Protein mit der Bezeichnung Swip-1 dafür sorgt, Aktin-Fäden miteinander zu vernetzen. „Um ihre Beweglichkeit zu erhalten, sind die Zellen aber auch in der Lage, stark vernetzte Gerüste in schwach vernetzte, viskose Netzwerke umzuwandeln“, sagt der Physiologe Bogdan.

Laserpistole nimmt einzelne Zellen ins Visier

Wie schaffen die Zellen es, zwischen fest vernetzt und flexibel viskos umzuschalten? Um das herauszufinden, entwickelten Bogdan und sein Team einen Versuchsaufbau, in dem sie mit einem Schneidelaser einzelne Zellen aus dem Gewebe eliminierten. Dann verfolgten sie mit mikroskopischen Methoden, was anschließend in den übrig gebliebenen Nachbarzellen am Wundrand passiert.

Wie ein Video* zeigt, überschwemmt als erstes eine Kalziumwelle das Gewebe. Dann beginnen Zellen am Wundrand damit, die Wunde zu schließen. „In den ersten Minuten sammelt sich in diesen Zellen der Gerüstbaustein Aktin, um breite Ausstülpungen zu bilden, so genannte Lamellipodien“, beschreibt Bogdans Mitarbeiterin Franziska Lehne, die Erstautorin des Fachaufsatzes. Danach bündeln sich Aktin-Fäden eher am Wundrand und verkürzen sich, sodass Zellen in Richtung der Wunde gezogen werden und diese verschließen wie einen Reisverschluss.

Mechanismus des Wundverschlusses

Die Forschergruppe klärte auch den Mechanismus auf, der in der Fruchtfliege wie beim Menschen die Aktin-Vernetzung steuert: Demnach verknüpft Swip-1 die Aktin-Fäden viel weniger stark, wenn Kalzium vorhanden ist, als wenn es fehlt. „Unsere Daten zeigen, dass Kalzium das Vernetzungsprotein Swip-1 davon abhält, das Aktin-Gerüst im Zellinneren zu versteifen“, fasst Bogdan zusammen. „Diese schnelle Umorganisation der bestehenden Aktin-Netzwerke treibt den Wundverschluss voran.“

*Das Video ist bei der Pressemeldung der Uni Marburg unten auf der Seite zum Download verfügbar.

Originalveröffentlichung: Franziska Lehne & al.: Calcium bursts allow rapid reorganization of EFhD2/Swip-1 cross-linked actin networks to drive epithelial wound closure, Nature Communications 13, Article number: 2492 (2022); DOI: 10.1038/s41467-022-30167-0

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