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Zahnoberfläche verrät Ernährungsgewohnheiten Zähne verraten: Was fraßen Dinos und Echsen?

Redakteur: Christian Lüttmann

Ob Fleischfresser oder Pflanzenfresser lässt sich an den Zähnen erkennen. Doch nicht nur die Form, auch die Oberflächenstruktur eines Zahns verrät einiges über die Essgewohnheiten. Dies nutzen Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), um die Ernährung von Echsen zu erforschen. Sie hoffen zudem, in Zukunft mehr über ausgestorbene Spezies aus den Reihen der Dinosaurier zu erfahren.

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Mikroskopische Aufnahmen des Zahnschmelzes von Schuppenechsen (hier beispielhaft eine Bartagame) geben Aufschluss über deren Ernährungsgewohnheiten.
Mikroskopische Aufnahmen des Zahnschmelzes von Schuppenechsen (hier beispielhaft eine Bartagame) geben Aufschluss über deren Ernährungsgewohnheiten.
(Bild: Daniela E. Winkler, Michelle Aimée Oesch)

Mainz – Zähne verraten viel über denjenigen, der sie trägt, vor allem über die bevorzugte Nahrung. Dabei ist nicht nur die Zahnform ein Anhaltspunkt, ob es sich um einen Fleisch- oder Pflanzenfresser handelt, auch die Oberfläche des Zahnschmelzes erlaubt Einblicke in den Speiseplan.

Beispielsweise weist der Zahnschmelz der Fleischfresser nur wenige und flache Furchen auf, wohingegen der Zahnschmelz der Fruchtfresser sehr stark gefurcht ist. Mithilfe Mikroskopischer Untersuchungen lässt sich dies nachweisen. „Diese Methode wurde an Säugetieren entwickelt. Wir haben sie nun erstmals an Reptilien angewendet und gezeigt, dass sie auch hier funktioniert“, sagt die Leiterin der Studie, Dr. Daniela Winkler vom Institut für Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).

Problem: Reptilien kauen kaum

Winkler und ihr Team haben an der JGU hochaufgelöste mikroskopische Aufnahmen der Zahnschmelzoberfläche von Schuppenechsen untersucht und daran ausgewertet, wovon die Tiere sich ernährt haben. Dass die Methode überhaupt auch bei Leguanen, Waranen, Eidechsen und Brückenechsen funktioniert sei nicht selbstverständlich, wie Winkler betont. „Reptilien kauen kaum. Meistens beißen sie nur ab und schlucken direkt. Deshalb konnten wir nicht unbedingt davon ausgehen, aussagekräftige Spuren zu finden.“

Doch tatsächlich fanden sich auch bei den Schuppenechsen Abnutzungsspuren im Zahnschmelz, die deutliche Unterschiede zwischen Fleisch- und Pflanzenfressern zeigten. Sie ermöglichen aber auch feinere Unterscheidungen, etwa in Algen-, Frucht- oder Weichtierfresser. Solche feingliedrigen Unterscheidungen der Ernährungsweise allein aufgrund von Zahn- oder Skelettfunden vorzunehmen, sei nach Aussage der Wissenschaftler bisher schwierig gewesen, weil sich die Zahnform bei vielen Reptilien kaum unterscheidet. Insbesondere bei ausgestorbenen Arten stellt dies ein Problem dar.

Auf der Suche nach dem ersten Pflanzenfresser

Um zu überprüfen, ob sich die Untersuchung der Zahnschmelzoberfläche zum Bestimmen der Ernährungsweise von Reptilien eignet, hatten die Forscher Oberkieferzähne von 77 präparierten Echsen aus freier Wildbahn untersucht, die zu 23 noch existierenden Arten gehören und aus naturkundlichen Museen stammen. Zum Teil hatten die Wissenschaftler Kieferstücke mit Zähnen direkt unter ein konfokales Mikroskop gelegt, zum Teil hatten sie Silikonabdrücke von den Zähnen genommen und von den Abdrücken dann Aufnahmen gemacht. Anschließend hatten sie 3D-Oberflächenmodelle der Zähne erstellt und diese nach 46 verschiedenen Merkmalen ausgewertet, etwa der Anzahl der Furchen im Zahnschmelz und deren mittlerer Tiefe.

Durch die Versuche fanden die Forscher heraus, dass sich die Tiere tatsächlich aufgrund der Abnutzungspuren in verschiedene Ernährungskategorien eingruppieren lassen. Nun hoffen sie, die Methode auch erfolgreich an Zähnen von Dinosauriern und Synapsiden anwenden zu können, die den Zähnen von Schuppenechsen stark ähneln. Wenn dies gelingt, könnten die Wissenschaftler so den Ursprung der Pflanzenfresser unter den landlebenden Wirbeltieren näher einordnen.

Synapsiden sind säugetierähnliche Reptilien, die bereits vor rund 310 Millionen Jahren auf der Erde lebten, also 70 Millionen Jahre früher als Dinosaurier. Einige von ihnen entwickelten sich von Fleisch- zu Pflanzenfressern. „Das war ein Schlüsselereignis der Evolution“, sagt Winkler. „Unser großes Ziel ist herauszufinden, wann und bei welchen Arten das genau passierte.“

An der Studie waren Wissenschaftler der JGU, des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und des Centrums für Naturkunde der Universität Hamburg beteiligt. Sie fand im Rahmen des Forschungsprojekts „Vertebrate Herbivory“ von Prof. Dr. Thomas Tütken vom Institut für Geowissenschaften der JGU statt, das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem so genannten Consolidator Grant gefördert wird.

Originalpublikation: D. E. Winkler et al.: Dental microwear texture reflects dietary tendencies in extant Lepidosauria despite their limited use of oral food processing, Proceedings of the Royal Society B, Volume 286, Issue 1903, 22. Mai 2019; DOI: 10.1098/rspb.2019.0544

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