Meilenstein Mikroskopie Zeiss setzt auf intuitive Bedienung komplexer Mikroskopsysteme
Wie haben sich die Anwendungsfelder verändert und welche Erwartungen haben Nutzer an moderne Mikroskopiesysteme? Dr. Markus Weber sprach mit uns über die aktuellen Herausforderungen und die Digitalisierung und Automatisierung als Entwicklungs-Schwerpunkte. Das Gespräch führte LP-Redakteurin Dr. Ilka Ottleben
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LP: Schon Ernst Abbe erkannte vor rund 140 Jahren, dass sich Mikroskope in der Zukunft maßgeblich verändern werden. Inwiefern hat er Recht behalten, Herr Dr. Weber?
Dr. Markus Weber: Das stimmt. Ernst Abbe sagte, dass die Mikroskope der Zukunft mit den Instrumenten, die er kannte, nicht mehr viel gemeinsam haben werden, außer den Namen. Die Entwicklung der Mikroskopie seit den Zeiten von Ernst Abbe ist wirklich beeindruckend und noch lange nicht zu Ende. Derzeit sind die Automatisierung und Digitalisierung die Treiber der Entwicklung. Aber auch in den Mikroskopen von heute steckt immer noch viel von Carl Zeiss und Ernst Abbes Idee: Dinge sichtbar zu machen, durch ein perfektes Zusammenspiel von hochpräzisier Optik und Mechanik. In unseren modernen Mikroskopiesystemen ergänzen Elektronik und Software dieses Zusammenspiel.
LP: Haben sich auch die Anwendungsfelder für die Mikroskopie stark verändert?
Dr. Weber: Die Mikroskope von Carl Zeiss und Ernst Abbe wurden in der Wissenschaft sowie für Routineaufgaben in Kliniken, bei der Überprüfung von Materialien und zu Ausbildungszwecken verwendet. Heute werden Mikroskope sehr breit eingesetzt: In der Industrie – etwa in der Automobil- oder auch Elektronikindustrie, in der Medizin, in der Forschung in den Lebenswissenschaften ebenso wie in der Materialwissenschaft, für die Analyse von Rohmaterialien oder auch in der Ausbildung. Das Spektrum der Anwendungsbereiche ist sehr umfangreich.
LP: Und die Erwartungshaltung der Menschen, die mikroskopische Techniken einsetzen – wie hat sie sich im Verlauf der Jahrzehnte verändert?
Dr. Weber: Die Erwartungen haben sich natürlich verändert. Früher waren vor allem Mikroskope gefragt, die viele verschiedene Anwendungsfelder abdeckten. Heute haben wir sehr viele unterschiedliche Mikroskopieverfahren, -systeme und Softwarelösungen für die unterschiedlichsten Applikationen. Da steht für die Anwenderinnen und Anwender die Frage im Fokus, welches System und welche Software ist für meine Aufgabe passend. Auch die Frage nach Schnittstellen wird immer wichtiger, um Mikroskope in bestehende Industrie- oder Forschungsumgebungen einzubinden. Durch die Digitalisierung kommen weitere Themen mit einem enormen Entwicklungspotenzial hinzu. Ein Thema ist Industrie 4.0 – Zeiss hat auch hier den Anspruch, führende Technologien und Lösungen anzubieten.
LP: Welche Rolle spielt dabei die Bedienbarkeit der zunehmend komplexer werdenden Systeme?
Dr. Weber: Für unsere Kunden ist eine intuitive Bedienung wichtig. So wie man das von Smartphones oder anderer Unterhaltungselektronik im Alltag gewohnt ist, soll auch ein komplexes Mikroskop samt Software einfach zu handhaben sein. Und zwar ohne seitenlange Anleitungen und Bedienhandbücher durcharbeiten zu müssen. Daran arbeiten wir.
LP: Was leisten die zugrundeliegenden Softwarelösungen bereits zum heutigen Zeitpunkt, wo sehen Sie hingegen noch Entwicklungspotenzial?
Dr. Weber: In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Software rasant weiterentwickelt. Aktuell sind auch komplexe Mikroskopsysteme gut zu bedienen. Ich sage ganz bewusst „gut zu bedienen“ und nicht „einfach zu bedienen“. Hier gibt es – wie eben erwähnt – noch etwas zu tun, damit komplexe Systeme intuitiv zu bedienen sind und das auch von Nutzern, die nicht täglich mit einem solchen System arbeiten. Gleichzeitig muss aber auch die Qualität der Daten und Ergebnisse stimmen. Dazu ist noch mehr Automatisierung notwendig, als bisher. Wir statten bereits Mikroskopsysteme mit zahlreichen Automationstechniken aus, um manuelle Eingriffe in der Kalibrierung oder während der Bildaufnahme zu reduzieren. Unsere „Box-Mikroskope“ wie Zeiss Axio Scan. Z1 oder Zeiss Celldiscoverer 7, die weitgehend unabhängig von Anwenderinteraktionen eine große Anzahl von Proben digitalisieren, wären ohne fortschrittliche Automation gar nicht denkbar. Aber hier gibt es noch weiteres Entwicklungspotenzial.
LP: Fordern nicht auch Aspekte wie die Datenverarbeitung, Datenmanagement und Datenspeicherung in Zeiten von Big Data und Large Data heraus?
Dr. Weber: Ja, hier stecken einige Herausforderungen. Lassen Sie mich das am Beispiel von Zeiss MultiSEM, dem schnellsten Elektronenmikroskop der Welt, erläutern. Zeiss MultiSEM erzeugt eine Datenmenge von etwa 2,5 Gigabyte pro Sekunde. Einzelne Datensätze erreichen so leicht eine Größe im zweistelligen Terabyte-Bereich. Diese zu speichern und für weitere Analysen verfügbar zu halten, ist eine Herausforderung. Das erfordert neben der entsprechenden Hard- auch geeignete Softwarelösungen. Und wenn wir in die Zukunft schauen, ist die Aufgabe aus diesen enormen Datenmengen letztlich die eigentlich relevanten Informationen zu bekommen. Dazu werden die Systeme lernen müssen, diese Informationen zu identifizieren – Stichworte sind hier Deep Learning bzw. Machine Learning.
LP: Bei aller Digitalisierung und Automatisierung, welche Rolle spielt am Ende noch der Mensch?
Dr. Weber: Automatisierte Mikroskope werden künftig den Anwenderinnen und Anwendern zum Beispiel zeitaufwändige Kalibrierungen und andere manuelle Eingriffe abnehmen. Softwarelösungen werden immer stärker bei der Analyse von Daten unterstützen. So kann sich der Mensch auf seine Aufgabe, seine Fragestellung und die aus den Ergebnissen abzuleitenden Entscheidungen konzentrieren. Für uns als Unternehmen ist es wichtig zu verstehen, was die Aufgabe ist oder das Problem, das eine Anwenderin oder ein Anwender mithilfe eines Mikroskops lösen will. Diese Überlegungen fließen ein in die Systementwicklung und das -design. Unsere zentrale Frage ist stets: Was bewegt unsere Kunden und wie können wir zu ihrem Erfolg beitragen?
Vielen Dank für das Gespräch Herr Dr. Weber.
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