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Pflanzenforschung Ziemlich sauer – so reagieren Pflanzen auf Überflutung

Redakteur: Christian Lüttmann

Pflanzen können zwar nicht hören oder sehen, aber sie nehmen vielfältige Signale aus ihrer Umwelt war. Etwa wenn sie nach starkem Regen im Stauwasser stehen. Dann übersäuern die Zellen durch Sauerstoffmangel, was die Pflanze mit eigenen „pH-Sensoren“ registriert. Wie das funktioniert und wie die Pflanze auf solchen Überflutungsstress reagiert, haben Forscher der Uni Würzburg herausgefunden.

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Wenn Pflanzen für längere Zeit überflutet werden, nehmen sie Schaden. Eine Würzburger Forschungsgruppe untersucht, was bei Überschwemmungen in den Pflanzenzellen passiert.
Wenn Pflanzen für längere Zeit überflutet werden, nehmen sie Schaden. Eine Würzburger Forschungsgruppe untersucht, was bei Überschwemmungen in den Pflanzenzellen passiert.
(Bild: Dorothea Graus / Universität Würzburg)

Würzburg – Durch den Klimawandel kommt es in Nordeuropa, aber auch in vielen anderen Teilen der Welt, verstärkt zu Überschwemmungen und langanhaltender Staunässe. Das kann Wiesengräser, Feldfrüchte oder andere Pflanzen schädigen – ihre Blätter sterben ab, die Wurzeln faulen.

Die Schäden entstehen durch Sauerstoffmangel und die Anhäufung von Säuren. Wie nehmen Pflanzen diese Übersäuerung wahr und wie reagieren sie darauf? Das hat ein Forscherteam aus Würzburg, Jena und Talca (Chile) nun herausgefunden.

Im Stauwasser werden Pflanzen sauer

Den Effekt der Übersäuerung dürfte jeder Mensch aus eigener Erfahrung kennen: Bei zu starker Belastung sind Muskeln unterversorgt mit Sauerstoff und es kommt zur Übersäuerung. Muskelschmerzen und mangelnde Leistungsfähigkeit sind die Folgen.

Bei Pflanzen sorge Sauerstoffmangel, wie er durch langanhaltende Staunässe auftritt, ebenfalls für eine Übersäuerung der Zellen, sagt Dr. Tobias Maierhofer vom Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Er und sein Team haben jetzt in der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) den Sensor entdeckt, der die Übersäuerung wahrnimmt und in ein elektrisches Signal übersetzt. Es handelt sich um ein Protein in der Zellmembran: den Anionenkanal SLAH3. Maierhofers Kollege Prof. Markus Sauer hat ein Mikroskopieverfahren entwickelt, mit dem man Proteine hochaufgelöst betrachten kann. Mithilfe dieser Methodik haben die Forscher geklärt, wie der Anionenkanal SLAH3 bei Übersäuerung reagiert.

Wasserstand rauf, Photosyntheseleistung runter

Im nichtaktiven Zustand liegt der Kanal als Komplex aus zwei Untereinheiten in der Zellmembran vor. Bei Sauerstoffmangel steigt der Säure- und damit auch der Protonengehalt in der Zelle, und Protonen binden an zwei spezifische Aminosäuren des Kanals. „Diese Protonierung ändert die Struktur von SLAH3 und der Kanal zerfällt in seine beiden Untereinheiten“, erklärt Studienleiter Maierhofer. Als Einzelexemplare werden die beiden Einheiten nun leitend für Anionen, was zur elektrischen Erregung der Zellmembran führt.

Das elektrische Signal wiederum löst weitere Reaktionen in der Pflanze aus, u. a. verringert sich die Photosyntheseleistung. „Wir gehen davon aus, dass dies eine Anpassung an den Überflutungsstress ist, dass die Pflanzen auf eine Art Ruhezustand umschalten“, sagt Maierhofer.

Ein pH-Sensor in der Pflanze

Um ihre Vermutung zu überprüfen, untersuchten die JMU-Forscher untersuchten auch, wie Ackerschmalwand-Mutanten ohne den SLAH3-Ionenkanal auf eine Überflutung reagieren. Diese Pflanzen versuchten nicht, ihre Photosyntheseleistung zu reduzieren – obwohl im schlammig-trüben Überflutungswasser gar keine Photosynthese möglich ist, weil zu wenig Licht an die Blätter gelangt.

Damit haben Maihofer und sein Team nachgewiesen, dass der Anionenkanal essenziell für den pflanzeneigenen Überflutungsschutz ist. SLAH3 wandelt eine Übersäuerung des Zellinneren direkt in ein elektrisches Signal um und funktioniert so wie ein pH-Sensor.

Nutzpflanzen Flut-sicher machen

Als nächstes will das Forscherteam untersuchen, wie das elektrische Signal in der Pflanze transportiert und in eine stressvermeidende Antwort übersetzt wird. Die dazu notwendigen Werkzeuge wie pH-unempfindliche Mutanten sind vorhanden. Damit lässt sich die genetische Umsteuerung der Physiologie von Pflanzen bei Überflutung im Detail untersuchen.

Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung könnten sich als bedeutsam für die landwirtschaftliche Praxis erweisen: „Mit dem Wissen, das wir erarbeiten, kann man gezielt an die Züchtung von Nutzpflanzen herangehen, die toleranter gegen Staunässe sind“, sagt JMU-Forscher Maierhofer.

Originalpublikation: Julian Lehmann, Morten E. Jorgensen, Stefanie Fratz, Heike M. Müller, Jana Kusch, Sönke Scherzer, Carlos Navarro-Retamal, Dominik Mayer, Jennifer Böhm, Kai R. Konrad, Ulrich Terpitz, Ingo Dreyer, Thomas D. Mueller, Markus Sauer, Rainer Hedrich, Dietmar Geiger and Tobias Maierhofer: Acidosis-induced activation of anion channel SLAH3 in the flooding-related stress response of Arabidopsis, Current Biology, 2021, DOI: 10.1016/j.cub.2021.06.018

(ID:47497074)