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Schwebender Rührfisch Zufallsentdeckung mit Potenzial: Levitation im Becherglas

Autor / Redakteur: Carolin Hoffrogge-Lee* / Christian Lüttmann

Große Entdeckungen starten oft mit einer zufälligen Beobachtung: Ein fallender Apfel stößt die Gravitationstheorie an, verschimmelte Petrischalen münden in der Entdeckung des Penicillins, und ein unbrauchbares Mittel gegen Bluthochdruck macht dank unerwarteter Nebenwirkungen als Viagra Karriere. Nun könnte sich eine weitere Zufallsentdeckung in die Geschichte einreihen: Forscher am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation beobachteten einen Magnetrührfisch beim Schweben in viskoser Flüssigkeit.

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Eine 3D-Spirale, die durch die Kombination von experimentellen Bildern des Rührfischs über einen Zeitraum von 1 s beim Schweben entsteht. Sie zeigt die Dynamik des Schwebeverhaltens, die sich aus niederfrequentem Drehen und hochfrequentem Schwingen zusammensetzt.
Eine 3D-Spirale, die durch die Kombination von experimentellen Bildern des Rührfischs über einen Zeitraum von 1 s beim Schweben entsteht. Sie zeigt die Dynamik des Schwebeverhaltens, die sich aus niederfrequentem Drehen und hochfrequentem Schwingen zusammensetzt.
(Bild: MPIDS)

Göttingen – Die Idee des Schwebens hat nicht nur unzählige Science Fiction Werke inspiriert, wie die „Zurück in die Zukunft“-Trilogie mit den Hoverboards. Sie führte auch zu realen Technikneuerungen, zum Beispiel der Magnetschwebebahn. Allerdings erfordern die meisten praxisbezogenen Anwendungen entweder hochspezialisierte teure Geräte oder deutlich unter dem Gefrierpunkt liegende Temperaturen, was sie in unserem täglichen Leben nicht problemlos einsetzbar macht.

Nun haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation einen Ansatz entdeckt, der das Magnetschweben für ein breiteres Spektrum technischer Anwendungen zugänglich machen könnte.

Das Geheimnis des Schwebens: Honig und Magnetrührer?

Die neue Methode verwendet ein einfaches Werkzeug, das in den meisten Laboren weltweit bereits vorhanden ist: einen Magnetrührer. Seit seiner Erfindung im Jahre 1942 ist bekannt, dass der Rührstabmagnet, wenn er zu schnell angetrieben wird, unberechenbar wie eine Forelle im Bach auf dem Boden des Behälters springt – daher der Spitzname „Rührfisch“. MPIDS-Wissenschaftler stellten nun fest, dass der Fisch nicht mehr herumspringt, wenn er in einer Flüssigkeit mit einer Viskosität ähnlich wie Honig liegt. Doch nicht nur das: In einem so zähflüssigen Medium steigt er sogar auf und schwebt dann mitten im gefüllten Gefäß.

„Wir sind beim Mischen hochviskoser Polymerlösungen auf dieses Phänomen gestoßen und waren fasziniert“, erinnert sich Dr. Kyle Baldwin, der Erstautor der Arbeit. Er hat die Bewegung des schwebenden Rührfischchens in einer großen Experimentreihe sorgfältig analysiert und festgestellt, dass dessen Bewegungen systematisch sind. Der Rührstab wackelt hin und her, pumpt Flüssigkeit zur Seite und stabilisiert so seine Position. Interessanterweise werde die Flüssigkeit in die entgegengesetzte Richtung gepumpt, wenn die Viskosität reduziert wird, wie die Forscher berichten. Der Fisch sinkt dann wieder zu Boden.

Mehr als nur Effekthascherei

Der schwebende Rührfisch soll den Wissenschaftlern zufolge nicht bloß ein unterhaltsamer Show-Versuch sein. „Unsere Entdeckung soll das Design von bidirektionalen Flüssigkeitspumpen motivieren, das Verständnis für effektive Schwimmtechniken verbessern und ein neues Schwebeverfahren für die containerlose Lagerung oder den reibungslosen Transport bieten“, erklärt Dr. Baldwin. Diese grundlegende Entdeckung könnte in der Robotik genutzt werden und neue Möglichkeiten in der Nanotechnologie und Medizin eröffnen, wie z.B. die Bereitstellung leicht steuerbarer künstlicher Mikroschwimmer für eine bessere Diagnostik. Neue Horizonte, die durch diese Entdeckung eröffnet werden, sind den Forschern zufolge äußerst vielfältig. Wer weiß, ob der schwebende Rührfisch nicht bald zu einem weiteren großen Wissenschaftsdurchbruch in der Geschichte der Zufallsentdeckungen führt.

Originalpublikation: K. A. Baldwin, J. -B. de Fouchier, P. S. Atkinson, R. J. A. Hill, M. R. Swift, and D. J. Fairhurst: Magnetic levitation stabilized by streaming fluid flows. Physical Review Letters 121 (2018) 064502; DOI: 10.1103/PhysRevLett.121.064502

* C. Hoffrogge-Lee, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, 37077 Göttingen

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