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Bakterielle Biofilme Zusätzliche Gefahr: Mikroplastik als Bakterienherd

Autor / Redakteur: Barbara Hentzsch* / Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Mikroplastik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem globalen Umweltproblem entwickelt. In einem Projekt unter Federführung von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde wird nun die Möglichkeit untersucht, ob Mikroplastik auch als Nährboden für Biofilme dienen kann und so zusätzliche Gefahr für unsere Gesundheit bedeutet.

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Mikroplastik entsteht oft durch Zerfall größerer Partikel und kann mittlerweile überall in der Umwelt nachgewiesen werden. Im Wasser siedeln sich dort trotz der geringen Größe bakterielle Biofilme an.
Mikroplastik entsteht oft durch Zerfall größerer Partikel und kann mittlerweile überall in der Umwelt nachgewiesen werden. Im Wasser siedeln sich dort trotz der geringen Größe bakterielle Biofilme an.
(Bild: Benny Trapp (bennytrapp@gmx.de))

Rostock – Die alarmierende Allgegenwart von Mikroplastik in Flüssen, Seen und Ozeanen steht zunehmend im Fokus der Forschung. Bislang gab es aber keine gesicherten Erkenntnisse, ob Mikroplastik in Wasserökosystemen die Entstehung spezieller Bakteriengemeinschaften oder gar die Ausbreitung von Krankheitserregern fördert. Mit diesem Thema hat sich das Projekt MikrOMIK („Die Rolle von Mikroplastik als Träger mikrobieller Populationen im Ökosystem Ostsee“) unter Federführung des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) befasst. In einer neuen Studie im Rahmen des Projektes wurde nun erstmals systematisch untersucht, ob sich bakterielle Biofilme auf Mikroplastik von denen auf natürlichen Materialien unterscheiden und welchen Einfluss verschiedene Umweltfaktoren dabei haben – etwa Salzgehalt oder Nährstoffe im umgebenden Wasser.

Mehre 100.000 Teilchen pro Quadratkilometer in Gewässern

Mikroplastik – Kunststoffteilchen kleiner als 5 Millimeter – kann mittlerweile überall in der Umwelt nachgewiesen werden. In Meeren und Flüssen werden viele 100.000 Teilchen pro Quadratkilometer gefunden, und das nicht nur in der Nachbarschaft zu Zivilisations-Hotspots, wie etwa im Nordatlantik vor New York oder im Mündungsbereich des Rheins mit seinen insgesamt rund 60 Mio. Einwohnern im Einzugsgebiet. Auch fernab jeder menschlichen Besiedlung im arktischen Eis, den Sedimenten der Tiefsee oder mitten im Pazifik findet sich der Minimüll in riesigen Mengen. Nicht nur seine Allgegenwart hat die Wissenschaft alarmiert, sondern auch erste Befunde über die Schädlichkeit der Partikel, die Umweltgifte an ihrer Oberfläche anreichern und Tiere schädigen können, die Mikroplastik mit der Nahrung aufnehmen.

LP-Dossier Mikroplastik In unserem Dossier „Mikroplastik“ haben wir für Sie weitere Forschungsvorhaben und -erkenntnisse zum Thema Mikroplastik zusammengefasst u.a. ein Interview mit Prof. Christian Laforsch von der Universität Bayreuth zum Thema Mikroplastik in Binnengewässern.

„Obwohl sich die Forschung seit fast 15 Jahren verstärkt mit dem Phänomen der Mikroplastikanreicherung in den Meeren beschäftigt, ist erstaunlich wenig darüber bekannt, welchen Einfluss die Teilchen auf Ökosysteme haben und welches Schadpotenzial tatsächlich von ihnen ausgeht“, sagt Mikrobiologe Matthias Labrenz vom IOW und Leiter des Projekts MikrOMIK, das sich über drei Jahre intensiv mit der Rolle von Mikroplastik in der Ostsee und seiner Interaktion mit verschiedenen Organismen befasst hat. Von besonderem Interesse war, welche Mikroorganismen sich auf Mikroplastik ansiedeln. Denn die im Wasser treibenden Partikel bieten trotz ihrer geringen Größe eine feste Oberfläche, auf der sich wie bei natürlichen Treibseln dichte Biofilme bilden können. „Zum einen beschäftigt uns die Frage, ob es Bakterien gibt, die sich auf die Besiedlung von Plastik spezialisiert haben. Zum anderen gab es beunruhigende Einzelbeobachtungen, die darauf hindeuteten, dass sich gesundheitsbedrohliche Keime wie etwa Wundbrand verursachende Vibrionen auf Mikroplastik anreichern könnten“, sagt Labrenz. Solche Krankheitserreger gehören zur normalen Bakterienflora im Meer. Verdünnt im freien Wasser seien sie meist unproblematisch. „Eine Anreicherung als Biofilm auf Mikroplastik könnte sie deutlich gefährlicher machen, da die Plastikpartikel schneller und weiter verdriftet werden als einzelne Bakterienzellen, was eine Ausbreitung der Pathogene fördern und damit die Gefahren durch Mikroplastik für den Menschen erhöhen würden“, so der IOW-Forscher.

Feldversuche untersuchen die Ansiedelung von Biofilmen auf Kunststoff und natürliche Materialien

Um zu klären, ob sich Biofilme auf Kunststoff überhaupt von solchen auf natürlichem Material unterscheiden und welche Umweltfaktoren sich auf ihre Zusammensetzung auswirken, setzte Sonja Oberbeckmann, ebenfalls IOW-Wissenschaftlerin und Autorin der kürzlich im Rahmen von MikrOMIK* publizierten neuen Studie, Pellets aus Plastik und Holz in einem Feldversuch verschiedenen Umweltbedingungen aus. Diese deckten einen Gradienten von einer nährstoffarmen, salzigen Meeresumwelt in der Ostsee über zunehmenden Süßwassereinfluss in der Warnow-Mündung bis hin zu nährstoffreichen Süßwasserbedingungen in der Unterwarnow und in einem Klärwerk ab. Die auf den Pellets neu entstehenden Biofilme wurden nach zweiwöchiger Inkubation im Freiland genetisch charakterisiert, um ihre Zusammensetzung vergleichen zu können.

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