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Parakristalliner Diamant Zwischen Ordnung und Chaos: neue Hochdruckstruktur von Kohlenstoff

Von Christian Wißler*

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Auf atomarer Ebene ist Diamant hochgeordnet. Nun haben Materialforscher mit dieser Ordnung gebrochen. Unter extremem Druck haben sie einen parakristallinen Diamant hergestellt, der Anhaltspunkte für das Verständnis nicht-kristalliner Materialien bietet.

Diamant hat normalerweise eine geordnete Atomstruktur, d. h. er ist kristallin (Symbolbild).
Diamant hat normalerweise eine geordnete Atomstruktur, d. h. er ist kristallin (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, Daniele Levis Pelusi / Unsplash)

Bayreuth – Diamant ist ein außerordentlich hartes Material, das auf natürlichem Weg unter extrem hohen Drücken im Erdinnern entsteht. Es besteht ausschließlich aus Kohlenstoffatomen, die eine dreidimensionale kristalline Gitterstruktur bilden. Diamant kommt in unterschiedlichen Kristallformen vor, die bekanntesten sind der kubische Diamant (CD) und der hexagonale Diamant (HD). Solchen Kristallformen ist gemein, dass sie einen regelmäßigen, sich wiederholenden Aufbau ihres Atomgitters haben. Prinzipiell ist auch ein nicht-kristalliner Diamant möglich, der eine unvollständig geordnete Struktur aufweist. Die Synthese von solchen Diamanten war jedoch bisher technisch schwierig, was das wissenschaftliche Verständnis seiner Struktur, seiner Eigenschaften und seines Synthesemechanismus einschränkte.

Strukturvergleich: Kristalliner Diamant (l.) und parakristalliner Diamant (r.). 
Rechts sind Einheiten aus würfelförmig angeordneten Kohlenstoffatomen türkis, aus hexagonal angeordneten Kohlenstoffatomen gelb markiert. Unregelmäßige Strukturen sind rot gekennzeichnet.
Strukturvergleich: Kristalliner Diamant (l.) und parakristalliner Diamant (r.). 
Rechts sind Einheiten aus würfelförmig angeordneten Kohlenstoffatomen türkis, aus hexagonal angeordneten Kohlenstoffatomen gelb markiert. Unregelmäßige Strukturen sind rot gekennzeichnet.
(Bild: Hu Tan)

Eine Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Tomo Katsura am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth hat nun aber kürzlich eine neue Ultrahochdrucktechnik mithilfe einer großvolumigen Multi-Anvil-Presse (MAP) entwickelt. Diese Technik setzten die Forscher ein, um nicht-kristallinen Diamant in Millimetergröße zu synthetisieren. Bei einem Druck von 30 Gigapascal (fast ein Zehntel des Drucks im Erdkern) und einer Temperatur von mehr als 1.300 °C hatten sie Erfolg: Die Kohlenstoffatome bildeten eine großflächige nicht-kristalline Struktur, in der sich lediglich kleinere, regelmäßig aufgebaute Einheiten identifizieren lassen (s. Bild).

Neue Diamantstruktur

„Das neue Material kann als ein parakristalliner Diamant beschrieben werden, der sich von allen bisher bekannten strukturellen Abwandlungen von Diamant unterscheidet“, sagt Erstautor Dr. Hu Tang vom Bayerischen Geoinstitut (BGI). Das neue Kohlenstoffmaterial weist nicht die streng geordneten Strukturen eines Kristalls auf, ist aber auch nicht vollkommen ungeordnet (amorph) wie es z. B. bei Fensterglas der Fall ist. „Es besitzt eine nicht-amorphe Struktur, in der die Kohlenstoffatome teils in Würfeln, teils in Sechsecken, teils in unregelmäßigen Strukturen angeordnet sind“, erklärt der Forscher. „Die ungewöhnlichen physikalischen Eigenschaften des neuen Materials sind nicht richtungsabhängig und voraussichtlich geeignet, die Erforschung von Hochdruckmaterialien weiter voranzubringen.“

Brücke zwischen kristallin und amorph

„Das von den Forschern synthetisierte Material ist ein Zwitter, wie Prof. Dr. Tomo Katsura vom BGI erklärt: „Es bildet erstmals eine Brücke zwischen kristallinen und amorphen, also völlig ungeordneten Strukturen. Es wird die Materialforschung dazu anregen, gezielt nach weiteren neuen Materialien in diesem Zwischenbereich zu suchen.“

Der parakristalline Diamant wurde an einer Hochdruckpresse im BGI synthetisiert. Bei der Analyse seiner Strukturen und Eigenschaften waren sowohl Experimente unter hohen Drücken und Temperaturen als auch aufwändige Computersimulationen beteiligt. Die Bayreuther Wissenschaftler haben dabei mit Forschungspartnern in China und den USA kooperiert, insbesondere mit Dr. Huiyang Gou am Center for High Pressure Science and Technology Advanced Research in Peking, Prof. Dr. Ming-Sheng Wang an der Xiamen-Universität, China und Prof. Howard Sheng an der George Mason University in Fairfax.

Originalpublikation: Hu Tang, Xiaohong Yuan, Yong Cheng, Hongzhan Fei, Fuyang Liu, Tao Liang, Zhidan Zeng, Takayuki Ishii, Ming-Sheng Wang, Tomoo Katsura, Howard Sheng & Huiyang Gou: Synthesis of paracrystalline diamond, Nature volume 599, pp. 605-610 (2021); DOI: 10.1038/s41586-021-04122-w

* C. Wißler, Universität Bayreuth, 95447 Bayreuth

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