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Stereomikroskopie Stereomikroskopie im Dienst der Kunstrestaurierung

Autor / Redakteur: Jørgen Wadum* und Anja Schué** / Olaf Spörkel

Für die Restaurierung und Konservierung eines Meisterwerkes sind aufwändige und zeitintensive Methoden erforderlich. Wie auch die Stereomikroskopie hilft Kunstschätze zu erhalten, erfahren Sie in diesem Artikel.

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Wie jahrhundertealte Kunstschätze für zukünftige Generationen bewahrt werden können oder wie Experten heutzutage alte Maltechniken erforschen, bleibt Kunstinteressierten meist verborgen. Besucher des Statens Museum for Kunst in Kopenhagen konnten die Konservierung, Restaurierung und wissenschaftliche Untersuchung eines der imposantesten Gemälde von Jacob Jordaens (1593-1678) live miterleben: das rund 400 Jahre alte und 2,80 x 4,67 m große Werk „Der Zinsgroschen – Petrus findet die Münze im Maul des Fischs“ oder „Die Fähre nach Antwerpen“. Eine offene Werkstatt inmitten des Museums eröffnete Einblicke in das Innerste des Meisterwerkes sowie in Techniken der Konservierungs- und Restaurierungsarbeit. Ziel des rund zehnmonatigen Projektes war es, neben der Restaurierung, die Materialien, Techniken, Bedeutung, Konservierungsgeschichte und die Entstehung des Kunstwerks zu untersuchen.

Leica Microsystems unterstützte das Projekt mit einem Stereomikroskop kombiniert mit einem Bodenstativ, um die Oberfläche des Gemäldes im Detail zu analysieren. Über die Projektion auf einen 50 Zoll-Plasmabildschirm konnten Museumsbesucher die Arbeiten am Mikroskop live mitverfolgen.

Zurück zu ursprünglicher Brillanz

Im ersten Schritt wurden Firnisschichten sowie entfärbte Retuschen von der beinahe 14 Quadratmeter großen Oberfläche des Gemäldes entfernt und die Farbschicht sorgfältig untersucht. Nach der Reinigung waren umfangreiche Retuschen erforderlich, um Lücken zu füllen und transparente oder abgeriebene Bereiche auszugleichen.

Parallel dazu wurden Jordaens‘ Maltechniken untersucht, um festzustellen, welche Phänomene zu Qualitätseinbußen führen. In Zusammenarbeit mit dem Instituut Collectie Nederland (ICN), dem Koninklijk Museum voor Schone Kunsten in Antwerpen und dem Kunsthistorischen Museum in Wien wurde Jordaens‘ Maltechnik mit der zeitgenössischer Künstler verglichen.

Oberflächenanalyse mittels Stereomikroskopie

Die Restauratoren analysierten die Maltechniken auf Struktur, Pigmentzusammensetzungen und Bindemittel (Querschnittsanalyse, SEM-EDX, FTIR, GCMS). Röntgen- sowie Infrarotanalysen lieferten zusätzliche Informationen über Zustand und Entstehung des Gemäldes. Im Röntgenbild zeigte sich bereits eine erste Überraschung: die vollständig ausgeführten Gesichtszüge einer Frau, die unter einer Wolke am Himmel zwischen dem Segel und den Männern um Petrus rechts im Bild versteckt ist. Zur Oberflächenanalyse wurde das Stereomikroskop Leica M651 eingesetzt, das mit einem 150 mm Objektiv für große Arbeitsabstände sowie mit einem Bodenstativ ausgestattet war und dessen flexibler Schwenkarm für horizontale und vertikale Beweglichkeit sorgt. Bei der Untersuchung der Oberfläche wurden beispielsweise auch Phänomene wie Verseifungen lokalisiert. Diese Verseifungen werden durch molekulare Veränderungen in den weißen Pigmenten der Grundschichten hervorgerufen. Mit zunehmender Größe durchdringen sie die Farbe und werden unter dem Mikroskop als winzige weißliche Punkte (ca. 100 μm) an der Oberfläche sichtbar.

Inzwischen ist die Restauration abgeschlossen. Der Titel der Nachfolgeausstellung lautet „Jordaens. Die Entstehung eines Meisterwerks“. Der Restaurierungsprozesses, der Analysemethoden und der Ergebnisse sind hier beschrieben.

Die Restauration wurde außerdem in einem reich illustrierten Buch dokumentiert. Es legt die zahlreichen Ansätze und Ergebnisse der neuesten Forschung dar und bietet umfassende Einblicke in die Jordaens’ Arbeiten und in seine Zeit: Jordaens. The Making of a Masterpiece, 120 Seiten, ISBN 978-97-92023-26-1

*J. Wadum, Statens Museum for Kunst in Kopenhagen, 1307 Kopenhagen, Dänemark

**A. Schué, Leica Microsystems

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