Raman-Mikroskopie Vielschichtiger Blick auf Plastikfolien
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Kunststofffolien sind als Verpackung oft unersetzbar, etwa in der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie. Zwecks Müllreduzierung werden sie immer dünner, bestehen aber gleichzeitig aus zahlreichen Schichten für maximale Schutzfunktion. Hier stößt die bisher oft verwendete Infrarot-Spektroskopie an analytische Grenzen, nicht so die moderne Raman-Mikroskopie. Sie erlaubt präzise Analytik in wenigen Minuten.

Kunststoffe sind mit einer weltweiten Produktionsmenge von mehr als 350 Millionen Tonnen unverzichtbare Materialien in unserer Wirtschaft und im täglichen Leben. Den größten Anteil haben Verpackungen: Fast 40 Prozent des Outputs der gesamten Kunststoffindustrie in der EU entfallen darauf.
Aus Gründen von Umweltschutz, Nachhaltigkeit aber auch Kostensenkung sind die Hersteller bestrebt, die Menge von (Über-)Verpackungen und Verpackungsabfällen zu reduzieren. Gleichzeitig gilt es, den Anteil an recycelten Materialien in der Kunststoffproduktion zu erhöhen. Anfang 2021 führte die EU die Plastik-/Kunststoffabgabe für nicht recycelte Kunststoffverpackungsabfälle ein, um den Übergang zu einer kreislauforientierten und ressourceneffizienten Kunststoffwirtschaft zu beschleunigen. Laut EU-Direktive 2018/852 müssen ab dem 31. Dezember 2025 mindestens 65 Prozent des Gewichts aller Verpackungen recycelt werden, ab dem 31. Dezember 2030 sogar 70 Prozent, zudem mindestens 55 Prozent aller Plastikverpackungen.
Diese neue Kreislaufstrategie bringt Herausforderungen für die Forschung und Entwicklung sowie die Qualitätskontrolllabore der kunststoffproduzierenden Unternehmen mit sich. Sie benötigen leistungsfähigere Werkzeuge für die Entwicklung, Analyse, Charakterisierung und Identifizierung von Kunststoffen, die u. a. in Verpackungsfolien verarbeitet werden.
Aufbau von Verpackungsfolien
Moderne Verpackungsfolien bestehen aus einem komplexen, mehrschichtigen Aufbau. Insbesondere bei Lebensmitteln gelten hohe Anforderungen an die Produktsicherheit und Qualität, dementsprechend aufwendig müssen sie verpackt sein. Je nach Anwendung müssen Folien sauerstoffundurchlässig sein, damit beispielsweise Fleisch nicht oxidiert; eine für UV-Strahlung undurchlässige Schicht sorgt dafür, dass sich Produkte nicht verfärben oder anderweitig verändern. Zugleich gilt es, eine gewisse Stabilität und Reißfestigkeit zu gewährleisten, damit Produkte während des Produktions- und Verpackungsprozesses nicht beschädigt werden.
Um all diese Eigenschaften zu vereinen, bestehen moderne Folien aus 10, 12 oder gar 15 verschiedenen Schichten mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften (s. Abb. 2). Diese Schichten können aus Polyethylen (PA), Polypropylen (PP) und weiteren Materialien bestehen, die mittels Adhäsiven verklebt sind. Auch neue Materialformulierungen, die zum Teil aus recycelten Kunststoffen bestehen, werden kombiniert, um die Leistung von mehrschichtigen Strukturen zu steigern. Je nach Anforderung sind die einzelnen Lagen zwischen 2 und 20 Mikrometer stark. Daraus resultiert je nach Folie eine Gesamtschichtdicke zwischen etwa 25 und 100 Mikrometer. Trotz der hohen Anforderungen sollen die Schichten immer dünner werden, um die Plastikmenge zu reduzieren und Kosten zu sparen – ein Zielkonflikt, der schwer zu lösen ist.
Vorteile der Raman-Spektroskopie
Bislang werden zur Analyse von Folien meist FTIR (Fourier-Transformations-Infrarot)-Spektrometer eingesetzt. Nachteil dieser häufig verwendeten Infrarot-Spektroskopie ist die relativ geringe räumliche Auflösung: Folien mit Stärken unter zehn Mikrometer lassen sich mit der Technik nicht analysieren. Um den steigenden Anforderungen nachzukommen, benötigen F&E- sowie QC-Labore hochauflösende, automatisierte Analysegeräte.
Die von Horiba im LabRAM Soleil eingesetzte Raman-Spektroskopie ermöglicht Messungen bis in den Bereich von unter einem Mikrometer – und ist damit für die Analyse der immer dünner werdenden Verpackungsfolien angepasst. Neben allen Polyestertypen wie PET (Polyethylenterephthalat), Co-PET und PETGP (Co-Polyester aus PET und Glykol) lassen sich mit Raman-Spektroskopie auch verschiedene Co-Polymere wie PE-EVA unterscheiden und der EVA-Anteil quantifizieren (EVA = Ethylen-Vinylacetat). Acrylat- und Polyurethan-Klebstoffe analysiert das Spektroskop ebenso. Darüber hinaus lassen sich die verschiedenen Dichten von Polyethylen unterscheiden (hohe, mittlere und niedrige Dichte).
Raman-Spektroskopie ermöglicht es Qualitätskontrolllaboren, in kurzer Zeit Fehler in der Folienproduktion zu erkennen und unmittelbar zu reagieren. Tritt in einer der vielen Folienschichten ein Defekt auf, lässt sich mit dem Analysegerät per konfokaler Analyse die betroffene Schicht identifizieren und mit 3D-Bildgebung anzeigen. Einschlüsse, Defekte oder die ungleichmäßige Verteilung von Adhäsiven lassen sich so leicht erkennen. Für eine konfokale Analyse ist keine Probenpräparation nötig. Von einer Folie mit sieben Schichten und einer Gesamtdicke von 18 Mikrometern lässt sich in nur 40 Minuten ein 2D-Scan anfertigen und vollständig analysieren. Ein eindimensionaler Scan eines Querschnitts dauert bei einer angenommenen Gesamtschichtdicke von 100 Mikrometern nur wenige Minuten.
Wenn die fehlerhafte Schicht bekannt ist, lässt sich das Problem eingrenzen: Es könnte z. B. mit dem Temperaturbereich des entsprechenden Extruders zusammenhängen. Handelt es sich um eine Verunreinigung, lässt sich das Problem möglicherweise durch die Reinigung des entsprechenden Extruders lösen. Aufwendige Fehlersuche und die stundenlange Stilllegung der gesamten Produktion entfallen.
Probenpräparation in wenigen Minuten
Ein entscheidender Vorteil der Horiba-Anwendung gegenüber herkömmlichen Methoden wie der FTIR-Spektroskopie ist neben der hohen Auflösung die hohe Geschwindigkeit der Probenvorbereitung. Für die FTIR-Spektroskopie beansprucht diese meist mehrere Stunden, da zunächst mit einem meist sehr teuren Microtome Schnittpräparate erstellt werden müssen. Die Präparation einer Probe für die Raman-Spektroskopie dauert hingegen nur etwa fünf Minuten.
Für die schnelle Querschnittsanalyse hat Horiba ein Tool entwickelt, mit dem sich selbst dünnste Folien mit nur wenigen Handgriffen präparieren lassen: Ein beliebiges Stück Folie wird in den Probenhalter eingespannt, mit einer scharfen Einwegklinge erfolgt ein Querschnitt oberhalb des Folienhalters, anschließend wird der Probenhalter wie üblich auf dem Mikroskoptisch fixiert. Der Probenhalter ist äußerst präzise gefertigt, damit auch dünnste Folien stabil halten und sich nicht beim Schnitt verschieben.
Vollständig durchschaut
Nach dem Scan-Vorgang liefert das Gerät ein Spektrum, anhand dessen die verschiedenen Bestandteile der Folie identifiziert werden können. Eine eigens entwickelte Software analysiert jedes Spektrum vollautomatisch anhand einer Datenbank und zeigt den Schichtaufbau inklusive Schichtdicke und Material übersichtlich an (s. Abb. 3). Dabei kann ein Falschfarbenbild das Mikroskopbild überlagern, wobei jede Farbe für ein Polymer steht. Während mit anderen Methoden jedes Spektrum einzeln, manuell und langwierig ausgewertet werden muss, genügt nun ein Knopfdruck. Sogar gefärbte Polymere lassen sich mit der Raman-Spektroskopie messen, obwohl durch die Fluoreszenz der Farbstoffe das Raman-Signal gestört und die Messung erschwert wird. Dieses Problem wird durch geeignete Wahl unterschiedlicher Laser-Anregungswellenlängen umgangen. Neben den Informationen zum Material gibt jedes Spektrum Auskunft über weitere Parameter, beispielsweise über den Verzweigungsgrad der Polymermoleküle.
Das Spektroskop lässt sich überall dort einsetzen, wo Kunststofffolien jeglicher Art produziert oder verarbeitet werden. Neben der eingangs erwähnten Lebensmittelindustrie müssen auch in der Pharmabranche hochwertige Verpackungen zum Einsatz kommen, da die in medizinischen Produkten oder Medikamenten enthaltenen Wirkstoffe sich nicht durch äußere Einflüsse verändern dürfen und steril bleiben müssen.
Weitere Anwendungsgebiete
In der Produktentwicklung lassen sich neue Materialzusammensetzungen schneller in der Praxis überprüfen und falls nötig anpassen. Auch für die Analyse der Materialzusammensetzung von Produkten der Mitbewerber wird die Raman-Spektroskopie häufig genutzt. Robuste Handyfolien, Lärm- oder Sichtschutzfolien, aber auch sicherheitsrelevante Erzeugnisse werden mit dem Gerät analysiert: So wird etwa die Produktion von Ausweisdokumenten schon heute mit einem Raman-Spektroskop von Horiba begleitet. Die Ausweise bestehen aus mehreren Lagen samt Hologramm und sind komplex aufgebaut.
Fazit
Mit der äußerst niedrigen Messgrenze von weniger als einem Mikrometer sind Abteilungen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung sowie Qualitätskontrolllabore mit dem LabRAM Soleil für die Analytik von Kunststofffolien optimal ausgestattet. Zwar ist es prinzipiell auch möglich, noch dünnere Folie herzustellen, doch diese lassen sich nur mit erhöhtem Aufwand produzieren, was sie eher uninteressant für die Massenproduktion macht. Zudem leidet die Festigkeit, weshalb so dünne Folien vermutlich in der Verpackungsindustrie keine größere Rolle spielen werden.
Trotz zahlreicher Vorteile der Raman-Spektroskopie wird aber auch die klassische FTIR-Spektroskopie künftig weiterhin genutzt werden. Sie eignet sich besonders für die Messung dickerer Folien, weil das Verfahren preiswerter als die Raman-Spektroskopie ist. Bei extrem dünnen Folien führt allerdings kein Weg an Raman vorbei.
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