Neuer Biosensor Antibiotika im Atem finden – für personalisierte Medikation
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Einmal tief ausatmen, und schon weiß der behandelnde Arzt, ob ausreichend Antibiotika eingenommen wurden. Das könnte bald mit einem neuen Sensor möglich sein, der die Antibiotika-Konzentration in der Atemluft ermittelt. Mit Schweinen haben die Entwickler von der Uni Freiburg das Konzept bereits getestet. Bei Menschen könnten so gezieltere Dosierungen vorgenommen und zunehmende Resistenzbildungen verhindert werden.

Freiburg – Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war eine entzündete Wunde oft noch ein Todesurteil. Erst mit der Entdeckung von Penicillin durch Alexander Fleming im Jahr 1928 verloren solche bakteriellen Infekte ihren Schrecken, und viele bis dato tödliche Krankheiten wurden heilbar.
Seitdem hatten Menschen und Bakterien einige Jahrzehnte Zeit, ihre Waffen und Verteidigungsstrategien zu optimieren. Mehr und mehr ziehen wir dabei allerdings den Kürzeren und stehen allmählich mit dem Rücken zur Wand: Zahlreiche Keime haben Resistenzen gegen die gebräuchlichen Antibiotika entwickelt – das Arsenal an wirksamen Reserve-Antibiotika schrumpft. Zu diesem Dilemma trägt auch ein teils leichtfertiger Gebrauch der Wirkstoffe bei. Um die Behandlung zukünftig gezielter auf den jeweiligen Patienten anzupassen, hat ein Team der Uni Freiburg nun einen Sensor entwickelt, der die Konzentration von Antibiotika im Körper bestimmt – und zwar nicht-invasiv über eine Atemprobe.
Antibiotika-Therapie individuell angepasst
Die Wissenschaftler testeten den neuen Biosensor an Blut, Plasma, Urin, Speichel und im Atem von antibiotikabehandelten Schweinen. „Bisher konnten Forschende nur Spuren von Antibiotika im Atem nachweisen. Mit unseren synthetischen Proteinen auf einem Mikrofluidik-Chip bestimmen wir kleinste Konzentrationen im Atemgaskondensat und diese korrelieren mit den Blutwerten“, erklärt Dr. Can Dincer vom Freiburger Zentrum für interaktive Werkstoffe und bioinspirierte Technologien (FIT).
Bei schweren Infektionen müssen Ärzte den Antibiotikapegel im Blut innerhalb eines personalisierten therapeutischen Bereichs stabil halten. Ansonsten drohen etwa Blutvergiftung und Organversagen bis hin zum Tod der Patienten. Außerdem können sich die Bakterien bei niedriger Antibiotika-Gabe so verändern, dass die Medikamente nicht mehr wirken: Sie werden resistent. „Die schnelle Überwachung der Antibiotikawerte wäre in der Klinik von großem Nutzen“, sagt Dincers Kollege H. Ceren Ates. „Die Methode ließe sich möglicherweise in eine herkömmliche Gesichtsmaske einbauen.“ Dincer entwickelt in einem weiteren Projekt an der Universität Freiburg tragbare Papiersensoren für die kontinuierliche Messung von Biomarkern im Atem. Zur Validierung des Antibiotikasensors sind klinische Tests geplant, die das System an menschlichen Proben prüfen.
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Krankheitsdiagnostik per Atemluftanalyse
Zum Krebstest, bitte ins Röhrchen pusten
So funktioniert der Atemsensor
Der Mikrofluidik-Biosensor trägt auf einem Polymerfilm befestigte Proteine, die so genannte Beta-Laktam-Antibiotika wie etwa Penicillin erkennen. Das in der Probe untersuchte Antibiotikum und ein enzymgekoppeltes Beta-Lactam konkurrieren um die Bindung dieser bakteriellen Proteine. Diese Konkurrenz erzeugt eine Stromänderung wie in einer Batterie: Je mehr Antibiotikum in der Probe vorhanden ist, desto weniger Enzymprodukt entsteht, was zu einem geringeren messbaren Strom führt. Das Verfahren basiert auf einem natürlichen Rezeptorprotein, mit dem resistente Bakterien das für sie gefährliche Antibiotikum erkennen. „Wir schlagen die Bakterien sozusagen mit ihren eigenen Waffen“, beschreibt Forschungsleiter Prof. Dr. Wilfried Weber das von seiner Gruppe entwickelte Verfahren.
Originalpublikation: Ates, H.C., Mohsenin, H., Wenzel, C., Glatz, R., Wagner, H.J., Bruch, R., Höfflin, N., Spassov, S., Streicher, L., Lozano-Zahonero, S., Flamm, B., Trittler, R., Hug, M.J., Köhn, M., Schmidt, J., Schumann, S., Urban, G.A., Weber, W., Dincer, C. Biosensor-enabled multiplexed on-site therapeutic drug monitoring of antibiotics, Advanced Materials (2021). DOI: 10.1002/adma.202104555
* B. Strauch, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79098 Freiburg
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