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Modell zur Erforschung der Hawking-Strahlung Das Strahlen Schwarzer Löcher, untersucht im Labor

Quelle: Pressemitteilung Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW)

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Nicht einmal Licht entkommt ihnen. Doch trotz ihrer einnehmenden Art senden Schwarze Löcher auch Strahlung vom Rand ihres Ereignishorizonts – so zumindest die Theorie nach Stephen Hawking. Um diese zu untersuchen, haben Forscher aus Dresden und Amsterdam ein Modell der Strahlung eines Schwarzen Lochs entwickelt.

Computersimulation von der ausgehenden Strahlung durch das alles verschlingende Gravitationsfeld eines Schwarzen Lochs.
Computersimulation von der ausgehenden Strahlung durch das alles verschlingende Gravitationsfeld eines Schwarzen Lochs.
(Bild: ESA)

Schwarze Löcher sind ein Ort der Extreme: Sie vereinen so viel Masse auf so wenig Raum, dass sich nichts – nicht einmal Licht – ihrer Anziehungskraft entziehen kann. Das Verständnis Schwarzer Löcher ist der Schlüssel zur Enträtselung der grundlegendsten Gesetze, die den gesamten Kosmos bestimmen, weil sie ein Zusammenspiel von zwei der am besten untersuchten Theorien der Physik darstellen: Der allgemeinen Relativitätstheorie, die die Schwerkraft als Ergebnis der Verformung der Raumzeit durch massive Objekte beschreibt, und der Quantentheorie, die die Physik der kleinsten Größeneinheiten beschreibt. Um Schwarze Löcher vollständig zu beschreiben, müssten Wissenschaftler diese beiden Theorien zusammenfügen und eine Theorie der Quantengravitation entwickeln.

Ein sinnvoller Ansatz, Schwarze Löcher besser zu verstehen, ist die Beobachtung derselben. Denn tatsächlich kommt auch aus der Richtung eines Schwarzen Lochs Information in Form von Strahlung. Am Rand des so genannten Ereignishorizont – einer Zone, aus der es kein Entrinnen gibt – kann theoretisch Wärmestrahlung entweichen. Die physikalischen Hintergründe dazu beschrieb der britische Physiker Stephen Hawking 1974. Die vorhergesagte Wärmestrahlung eines Schwarzen Lochs ist bisher jedoch nie direkt nachgewiesen worden. Die Menge der Hawking-Strahlung, die von jedem Schwarzen Loch ausgeht, ist so gering, dass sie mit der heutigen Technologie nicht von der Strahlung aller anderen kosmischen Objekte unterschieden werden kann.

Hüpfen entlang der Atomkette

Es gibt allerdings eine andere Möglichkeit, die Entstehung der Hawking-Strahlung zu untersuchen – nämlich direkt hier auf der Erde. Das haben sich Forscher des Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden und der Universität Amsterdam zur Aufgabe gemacht. Die Antwort auf die Frage, ob das grundsätzlich gelingen kann, ist ein begeistertes: „Ja, das funktioniert tatsächlich. Wir wollten die wirkungsvollen Werkzeuge der Physik der kondensierten Materie nutzen, um die unerreichbare Physik dieser unglaublichen Objekte zu ergründen: Schwarze Löcher“, sagt Lotte Mertens, die seit Januar 2021 am IFW zum Thema forscht.

Dazu untersuchte sie ein Modell, das auf einer eindimensionalen Kette von Atomen basiert, in der Elektronen von einem Atomplatz zum nächsten „hüpfen“ können. Die durch das Schwarze Loch verursachte Verformung der Raumzeit wird nachgeahmt, indem die Forscher einstellen, wie leicht die Elektronen zwischen den einzelnen Stellen springen sollen. Mit der richtigen Sprungwahrscheinlichkeit entlang der Kette verhält sich ein Elektron, das sich von einem Ende der Kette zum anderen bewegt, genau wie ein Stück Materie, das sich dem Horizont eines Schwarzen Lochs nähert. Und analog zur Hawking-Strahlung zeigt das Modellsystem Ausschläge, die sich genau so verhalten, als ob sie eine Temperatur hätten.

Quantenverschränkung über den Ereignishorizont hinaus

Obwohl im Modellsystem die tatsächliche Schwerkraft fehlt, gibt die Untersuchung dieses synthetischen Horizonts wichtige Aufschlüsse über die Physik der originalen Schwarzen Löcher. „Hawking-Strahlung tritt nur dann auf, wenn das Modellsystem zu Beginn keine räumliche Variation der Sprungwahrscheinlichkeiten aufweist und eine homogene Raumzeit imitiert, bevor es in ein System mit einem synthetischen Schwarzen Loch umgewandelt wird“, erklärt Mertens. „Das Auftreten von Hawking-Strahlung erfordert also eine Veränderung der Raumzeitverkrümmung.“

Die vorhergesagte Hawking-Strahlung setzt voraus, dass ein Teil der Kette jenseits des synthetischen Horizonts existiert. Dies bedeutet, dass die Existenz der Wärmestrahlung eng mit der quantenmechanischen Eigenschaft der Verschränkung zwischen Objekten auf beiden Seiten des Horizonts verbunden ist. Die Forscher fanden außerdem heraus, dass eine Hawking-Temperatur nur dann auftritt, wenn man eine bestimmte räumliche Variation des Hüpfens einstellt. Dies könnte sogar Auswirkungen auf die allgemeine Relativitätstheorie haben: Wenn die Analogie gilt, gibt es demnach nur in bestimmten Gravitationssituationen ein thermisches Spektrum.

„Da unser Modell so einfach ist, kann es in einer Reihe von Versuchsaufbauten eingesetzt werden“, sagt Mertens. Die Methodik zeigt, dass spezifische, schwer fassbare Phänomene des Universums durch genau konstruierte Materialsysteme beobachtet werden können. Die Erforschung Schwarzer Löcher mithilfe moderner Materialforschung im Labor bringt das Verständnis des Zusammenspiels von Gravitation und Quantenmechanik einen Schritt näher.

Originalpublikation: Lotte Mertens, Ali G. Moghaddam, Dmitry Chernyavsky, Corentin Morice, Jeroen van den Brink, and Jasper van Wezel,Thermalization by a synthetic horizon, Phys. Rev. Research Vol. 4, Iss. 4 — November - December 2022; DOI: 10.1103/PhysRevResearch.4.043084

(ID:48743597)

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