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Zellalterung Ein Protein schützt vor „Auffahrunfällen“ im Körper

Quelle: Pressemitteilung Max Planck-Institut für Biochemie Lesedauer: 4 min

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Beim Zusammenbau von Proteinen kann es zu Fehlern kommen – im schlimmsten Fall führt dies zu Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer. Doch der Körper hat Schutzmechanismen, die dem Vorbeugen sollen. Wie das funktioniert, haben nun Forscher am Max-Planck-Institut für Biochemie gezeigt.

Das Bild zeigt zwei Ribosomen (jeweils zweiteilig), die auf einer mRNA hintereinander herfahren um die Baupläne der Proteine abzulesen. Man sieht, wie aus dem oberen Teil der beiden Ribosomen die Aminosäureketten herauswachsen.
Das Bild zeigt zwei Ribosomen (jeweils zweiteilig), die auf einer mRNA hintereinander herfahren um die Baupläne der Proteine abzulesen. Man sieht, wie aus dem oberen Teil der beiden Ribosomen die Aminosäureketten herauswachsen.
(Bild: Artur - stock.adobe.com)

Alle biologischen Abläufe in unseren Zellen werden ständig durch körpereigene Mechanismen überwacht. So soll auch die Anhäufung, oder gar Zusammenlagerung, falscher Proteine verhindert werden. Solche „Protein-Klumpen“ können im schlimmsten Fall Krankheiten auslösen. Insbesondere bei der Herstellung neuer Proteine in den Ribosomen, unseren Protein-Fabriken, kann es jedoch zu Fehlern kommen.

So kann es sein, dass die Ribosomen das Stop-Signal im Bauplan übersehen und mehr Aminosäuren aneinander bauen als eigentlich nötig. Solche abweichenden Proteine können funktionsuntüchtig sein, oder gar Protein-Klumpen bilden, die ein Merkmal verschiedenster neurodegenerativer Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit oder Parkinson sein können.

Ribosomen: Protein-Fabriken im Körper

Ribosomen sind molekulare Maschinen in unseren Zellen, die alle Proteine herstellen. Nachdem der genetische Code eines Organismus auf die so genannte messenger RNA, kurz mRNA, übertragen wurde, lesen die Ribosomen die Baupläne unterschiedlichster Proteine von dieser mRNA ab. So setzten sie sorgfältig Aminosäure um Aminosäure zusammen, bis eine lange Kette entsteht, aus der ein funktionsfähiges Protein gefaltet werden kann. Fehler im Bau der Proteine können dafür sorgen, dass diese sich falsch falten und ihre Funktion verlieren oder – noch schlimmer – dass sie verklumpen und so zu neurodegenerativen Erkrankungen führen.

Bereits vor einigen Jahren wurde entdeckt, dass Zellen die bemerkenswerte Fähigkeit besitzen, fehlerhafte Proteine zu erkennen und zu beseitigen. Wie genau das funktioniert war bislang noch unklar. Nun haben Forscher am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) durch Experimente am Wurm-Modellorganismus C. elegans sowie an menschlichen Zellen einen neuen Mechanismus entdeckt, der den gezielten Abbau fehlerhafter Proteine einleiten kann.

Auffahrunfall am Ribosom

Bei genauerer Untersuchung, wie fehlerhafte Proteine beseitigt werden, stellten die Wissenschaftler unerwarteterweise fest, dass auch die mRNA selbst mit abgebaut wird. Sie vermuteten, dass die problematische mRNA bereits während des Ablesens durch das Ribosom erkannt wird. In diesem Zusammenhang fanden die Forscher einen Komplex, der bereits zuvor dafür bekannt war, eine Rolle beim Abbau der mRNAs zu spielen. Darüber hinaus entdeckten sie, dass das so genannte GCN1-Protein eine wichtige Rolle einnimmt und diesen Prozess einleitet.

Die meisten mRNAs werden von mehreren Ribosomen gleichzeitig abgefahren wie Straßen von Autos und dabei abgelesen. Man kann sich die Ribosomen dann vorstellen wie zwei Autos, die auf derselben Straße hintereinander herfahren. Wenn das erste Auto unerwarteterweise bremst, weil beispielsweise eine Katze auf die Straße springt, kann es passieren, dass das darauffolgende Auto auffährt und es zu einem Unfall kommt. Das GCN1-Protein agiert dann wie die Feuerwehr, die als Ersthelfer am Unfallort ist. Es stabilisiert und sichert die Unfallstelle und ruft anschließend den Abschleppdienst und die Straßenreinigung, die die Unfallfahrzeuge entfernen und auch den Fahrbahnbelag erneuern falls nötig. Die Komplexe in unseren Zellen, die durch das Feuerwehr-Protein gerufen werden, bauen die problematische mRNA ab. Doch woran genau erkennt das Protein, dass ein Unfall passiert ist und Appschleppdienst und Straßenreinigung benötigt werden?

Dem Feuerwehr-Protein auf der Spur

Entscheidende Erkenntnisse wurden mithilfe einer Technik namens Selective Ribosome Profiling (SeRP) gewonnen, die es ermöglicht, die genaue Position der Ribosomen auf den mRNAs zu bestimmen. Die Forscher suchten nach dem Ort, wo sich alle an ein Feuerwehr-Protein gebundenen Ribosomen befinden, unabhängig davon, ob diese noch aktiv oder bereits defekt sind. Dabei stellten sie fest, dass das Protein immer dann eingreift, wenn ein Ribosom eine zu lange Kette an Aminosäuren hergestellt und dabei sein eigentliches Stop-Signal überfahren hat.

Aufnahmen des Modellorganismus C. elegans, die zeigen wie die fehlerhaften Proteine, bei denen zu viele Aminosäuren aneinandergebaut wurden, abgebaut werden. Das linke Bild zeigt eine Aufnahme, während der die fehlerhaften Proteine (gelb) noch im Organismus angereichert sind. Das Rechte Bild zeigt den Organismus nach Abbau dieser Proteine.
Aufnahmen des Modellorganismus C. elegans, die zeigen wie die fehlerhaften Proteine, bei denen zu viele Aminosäuren aneinandergebaut wurden, abgebaut werden. Das linke Bild zeigt eine Aufnahme, während der die fehlerhaften Proteine (gelb) noch im Organismus angereichert sind. Das Rechte Bild zeigt den Organismus nach Abbau dieser Proteine.
(Bild: Martin Müller, MPI für Biochemie)

Zusätzlich fanden die Wissenschaftler heraus, dass das GCN1-Protein nicht nur bei überfahrenen Stop-Signalen zum Einsatz kommt. Es wurden insbesondere auch in mRNAs solche GCN1-gebundenen Ribosomen identifiziert, die für Membranproteine und Kollagene verantwortlich sind. Tiefergehende Analysen ergaben, dass ein gemeinsames Merkmal, das diese drei Klassen zu Zielen des Proteins macht, so genannte „nicht-optimale Codons“ sind, einer Abfolge an Nukleotiden auf dem Genom, die wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Straße funktionieren. Darüber hinaus stellten sie fest, dass die Stabilisierung des Ribosomen-Unfalls durch das Feuerwehr-Protein GCN1 ebenfalls molekulare Chaperone an die Unfallstelle ruft. Chaperone sind eine Klasse von Proteinen, die anderen Proteinen dabei helfen, sich korrekt zu falten.

Alterungsprozesse unserer Zellen besser verstehen

Altern ist ein Risikofaktor für verschiedene Krankheiten. Auch fehlerhafte Proteine werden mit zunehmendem Alter immer häufiger und stellen eine Gefahr für die Gesundheit eines Organismus dar. Mit ihrer Arbeit haben die Forscher gezeigt, dass eine Fehlfunktion des Feuerwehr-Proteins GCN1 die Lebenserwartung des Modellorganismus C. elegans verkürzen kann. Tatsächlich führte eine solche Fehlfunktion dazu, dass sich in älteren Würmern mehr Proteine anreicherten und zusammenlagerten, was neurodegenerative Krankheiten begünstigt.

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In den Versuchen mit menschlichen Zelllinien zeigten die Forscher, dass es auch hier zu Beeinträchtigungen in der Verwaltung des Proteinhaushaltes kommt. Mit den Ergebnissen der Studie hoffen die sie, in Zukunft einen Weg zu finden, wie sich die altersbedingte Anreicherung fehlerhafter Proteine verringern lässt, um so neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit oder Parkinson vorzubeugen.

Originalpublikation: Martin B. D. Müller, Prasad Kasturi, Gopal G. Jayaraj and F.-Ulrich Hartl: Mechanisms of readthrough mitigation reveal principles of GCN1 mediated translational quality control, Cell, July 2023; DOI: 10.1016/j.cell.2023.05.035

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