Kommunikation zwischen den Zellen Ein Türsteher-Protein beeinflusst den Briefwechsel im Körper
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Wenn Zellen Informationen untereinander austauschen, nutzen sie ihre eigenen Mini-Postboten, so genannte Vesikel. Wie Forscher des Uniklinikums Bonn nun herausgefunden haben, beeinflusst ein bestimmtes Protein diese Kommunikation maßgeblich. Dieses Wissen könnte helfen, gezielt Gewebe zu adressieren und körpereigene Selbstheilungskräfte zu aktivieren, etwa die Regeneration von Gefäßzellen zur Behandlung von Arteriosklerose.

Bonn – Der menschliche Körper besteht aus einer unvorstellbar großen Zahl von Zellen. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen gehen je nach Gewicht und Größe des Menschen von rund 40 Billionen Zellen aus. Um ihre Funktion im Körper bestmöglich zu erfüllen, schließen sich die allermeisten Zellen zusammen: Gemeinsam bilden sie u.a. Gewebe, Organe und Muskeln. Die wichtigste Voraussetzung für ein gutes Zusammenspiel der Zellen ist eine möglichst effektive Kommunikation untereinander.
„Damit Zellen wirksam miteinander kommunizieren können, benötigen sie einen Postboten, der Informationen von einer Zelle zur nächsten transportiert“, erklärt Dr. Andreas Zietzer, Kardiologe am Herzzentrum des Universitätsklinikums Bonn. „Genau diese Funktion übernehmen so genannte extrazelluläre Vesikel.“ Lange Zeit wurde diesen Vesikeln nur geringe biologische Bedeutung beigemessen. Man vermutete, dass Zellen die Vesikel lediglich als eine Art zelluläre Müllabfuhr nutzen, um sich überflüssiger Proteine und anderer Moleküle zu entledigen. Mittlerweile weiß man jedoch, dass Vesikel maßgeblich für die interzelluläre Kommunikation verantwortlich sind.
Der Postbote zwischen den Zellen
Das Prinzip der Vesikel lässt sich einfach erklären: Sie werden als äußerst kleine – nur etwa ein zweitausendstel Millimeter große – Membranbläschen von Zellen unseres Körpers ausgeschüttet und können von anderen Zellen wiederaufgenommen und verwertet werden. Zietzer beschreibt die entscheidende Funktion der Vesikel: „Als Postbote transportieren sie verschiedene Inhalte und ermöglichen so den Informationsaustausch zwischen den Zellen.“
Neben Proteinen und Lipiden werden bei diesem Kommunikationsprozess auch Nukleinsäuren (RNAs) verschickt. Diese RNAs sind Kopien der Erbinformation und werden für die Ausführung der Geninformation benötigt. Die Mediziner der Universität Bonn richteten den Fokus ihrer Forschung vor allem auf so genannte microRNAs, die die Feinjustierung bei der Ein- und Ausschaltung von Genen übernehmen.
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Die Fracht beeinflusst die Funktion
„Da microRNAs großen Einfluss auf die Biologie der Zellen haben, können Vesikel in Abhängigkeit ihrer spezifischen Fracht die Empfängerzellen funktionell beeinflussen“, sagt Zietzer. Denn je nachdem, welche microRNA in den Vesikeln angereichert wird, ändern sich auch die Informationen, die von den Vesikeln transportiert werden und damit auch der Effekt auf die Empfängerzellen, die die Vesikel und ihre Fracht aufnehmen.
Die Arbeitsgruppe um Zietzer hat nun an menschlichen Zellen einen neuen Mechanismus aufgeklärt, wie das Sortieren von bestimmten RNAs innerhalb der Vesikel funktioniert. Dazu untersuchten die Wissenschaftler unter anderem mithilfe eines Massenspektrometers über 3000 Proteine und mehr als 300 microRNAs, die schon in Vesikel eingeschlossen und bereit für den Transport zu anderen Zellen waren.
Türsteher-Protein verlangsamt die Zustellung
Die Forscher zeigten, dass ein bestimmtes RNA-bindendes Protein die microRNAs in der abgebenden Zelle wie ein Schwamm zurückhält. Es sorgt auf gleiche Weise dafür, dass die microRNAs nicht in Vesikel verpackt und zu einer anderen Zelle transportiert werden können. Genau umgekehrt verhält es sich, wenn dieses spezielle Protein ausgeschaltet wird: In diesem Fall kommt es zu einer erhöhten Freisetzung der microRNAs, die dann vermehrt in die Vesikel verpackt werden.
„Das RNA-bindende Protein hnRNPU übernimmt somit die Rolle eines Gatekeepers, der entscheidet, welche und wie viele microRNAs von der Senderzelle für den Transport zur Empfängerzelle freigegeben werden und welche nicht“, fasst Zietzer zusammen. Durch diese Funktion kann das Protein hnRNPU die Kommunikation zwischen den Zellen ganz wesentlich beeinflussen.
Therapie von Gefäßzellen
Die Beobachtungen bergen ein großes therapeutisches Potential: So zeigte das Forscherteam, dass sich durch Steigerung oder Reduktion der hnRNPU-Menge in den abgebenden Zellen der Transfer bestimmter microRNAs über die Vesikel steuern lässt. „Auf diese Weise können microRNAs, die eine Regeneration fördern, gezielt freigesetzt oder zurückgehalten werden und so die Regenerationsfähigkeit von kranken Gefäßzellen positiv oder negativ beeinflussen“, sagt Zietzer. Dies ist medizinisch von entscheidender Bedeutung, da die Regenerationsfähigkeit der Gefäßzellen bei kranken und verkalkten Gefäßen wie bei Arteriosklerose bereits im Frühstadium eingeschränkt ist.
Ihre Erkenntnisse über die interzelluläre Kommunikation mittels extrazellulärer Vesikel wollen die Wissenschaftler nun nutzen. „So ist es denkbar, durch gezieltes lokales Ein- und Ausschalten des Proteins hnRNPU in gesunden Teilen des Gefäßsystems einen ‚Schwarm‘ von regenerations-fördernden Vesikeln abzuschicken, die anschließend von bereits geschädigten Gefäßarealen aufgenommen werden und dort die Regeneration beschleunigen könnten“, gibt Zietzler einen Ausblick. „Dies könnte in kritischen Situationen – beispielsweise nach einem Herzinfarkt – den Heilungsprozess der Patienten fördern.“
Originalpublikation: Andreas Zietzer, Mohammed Rabiul Hosen, Georg Nickenig, Nikos Werner, Felix Jansen, et al.: The RNA-binding protein hnRNPU regulates the sorting of microRNA-30c-5p into large extracellular vesicles, Journal of Extracellular Vesicles, DOI:10.1080/20013078.2020.1786967
* F. Heyder, Universitätsklinikum Bonn,53127 Bonn
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