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Aerosolwirkung auf das Klima Es riecht nach Klimaveränderung

Quelle: Pressemitteilung TU Wien Lesedauer: 4 min |

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Zahlreiche Gase beeinflussen die Wolkenbildung und damit letztlich das Klima unseres Planeten. Diese häufig geruchsintensiven Gasteilchen gilt es daher, in Klimamodellen zu berücksichtigen, um präzisere Vorhersagen zu machen. Wie der Stand der Forschung ist, zeigt ein nun publizierter Review-Artikel von der TU Wien.

Aus kleineren Molekülen (nicht im Bild) können Mini-Partikel entstehen, die dann einen Einfluss auf das Klima haben.
Aus kleineren Molekülen (nicht im Bild) können Mini-Partikel entstehen, die dann einen Einfluss auf das Klima haben.
(Bild: TU Wien)

Dass menschengemachte Treibhausgase das Klima verändern, ist längst nachgewiesen – aber noch immer gibt es wichtige Details des Klimawandels, die nicht vollständig verstanden sind. Dazu gehört das Verhalten winziger Teilchen, die sich von selbst aus Molekülen der Luft bilden und zur Entstehung von Wolken führen können.

Dominik Stolzenburg vom Institut für Materialchemie der TU Wien arbeitet daran, diese Prozesse besser zu verstehen und fasst den heutigen Stand der Forschung nun in einem Review-Artikel in der renommierten Zeitschrift „Reviews of Modern Physics“ zusammen. Durch diese Forschung sollen Klimamodelle in Zukunft noch genauer werden.

Aus duftenden Gasen werden Mini-Partikel

„Sie kennen das von einem Waldspaziergang: Man atmet tief ein, und es riecht so richtig schön nach Wald“, sagt Materialchemiker Stolzenburg. „Das liegt an flüchtigen organischen Substanzen, die aus dem Harz der Bäume, aber auch von Blättern und Baumnadeln abgegeben werden.“

Um Treibhausgase handelt es sich dabei nicht – aber trotzdem haben genau diese organischen Substanzen einen wichtigen Einfluss auf unser Klima: „Sie oxidieren an der Luft, und dabei entstehen Reaktionsprodukte, die sehr leicht aneinander haften“, erklärt Stolzenburg. Immer mehr Moleküle ballen sich zusammen, bis schließlich ein winziger Cluster entstanden ist, der bis zu einem Durchmesser von etwa 100 bis 200 Nanometern anwachsen kann. Diese Teilchen sind immer noch viel zu klein, um für das menschliche Auge sichtbar zu sein. Und wegen ihrer geringen Größe fallen nicht einfach zu Boden, sondern können über längere Zeit in der Luft schweben.

Aerosole: die Nebelmaschinen der Atmosphäre

Diese Schwebteilchen haben einen entscheidenden Einfluss auf den Wasserdampf, der sich in der Luft befindet: Durch solche Aerosole kann es passieren, dass sich Wassermoleküle an diesen Partikeln festsetzen. Die Partikel werden dadurch zum Kondensationskeim, an dem sich ein Wassertröpfchen bildet – die Basis zur Entstehung von Nebel und Wolken.

Kleine Cluster sind jedoch sehr mobil und stoßen rasch auf größere Partikel wie Pollen oder Ruß – damit verschwinden sie und spielen als Kondensationskeime keine Rolle mehr. Nur die am schnellsten wachsenden Partikel sind relevant für das Klima. Die aktuelle Forschung zeigt: Über den Kontinenten sind organische Moleküle die entscheidende Zutat, die das Überleben dieser Cluster sichert, sodass sie die nötige Größe erreichen, um als Kondensationskeim für Wasserdampf zu dienen.

Verschiedene Moleküle können Mini-Partikel bilden, die dann einen Einfluss auf das Klima haben.
Verschiedene Moleküle können Mini-Partikel bilden, die dann einen Einfluss auf das Klima haben.
(Bild: TU Wien)

„Man kann zeigen, dass durch eine hohe Anzahl solcher Aerosole Wolken dichter und weißer werden als sonst, und dass es länger dauert, bis sie sich wieder auflösen“, berichtet Stolzenburg. „Das bedeutet, dass ein größerer Anteil des Sonnenlichts von der Wolkenschicht reflektiert wird und die Erde kühler wird.“ Sollte sich herausstellen, dass dieser Effekt stärker ist als man in aktuellen Klimamodellen berücksichtigt hat, dann würde das bedeuten, dass die Klimaerwärmung durch CO2 sogar noch stärker ist als bisher angenommen. Ein Teil ihrer Auswirkung würde dann durch stärkere Wolkendichte ausgeglichen, die sich durch vom Menschen vermehrte Produktion winziger Cluster in der Atmosphäre ergäbe.

In den letzten Jahren gab es in diesem Bereich große Fortschritte – nicht zuletzt bei der Messtechnik. Aber zuverlässige Modelle, die die Komplexität des organischen Aerosolwachstums mit der nötigen Genauigkeit abbilden, fehlen noch. Folglich lassen sich solche Schlüsse derzeit noch nicht gesichert ziehen, erklärt der Materialchemiker. „Genau daran arbeiten wir: Wir wollen verstehen, welche Stoffe auf welche Weise miteinander wechselwirken.“

Aerosolbelastung in der Stadt der Zukunft?

Die offenen Forschungsfragen gelten aber nicht nur für den Duft des Waldes, sondern auch für viele andere organische Verbindungen – zehn- bis hunderttausend von ihnen dürften in unserer Atmosphäre eine Rolle spielen. Im Rahmen einer vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds geförderten „Vienna Research Group“ wird Stolzenburg mit seiner Forschungsgruppe der Frage nachgehen, wie die Stadt der Zukunft riecht und wie diese Gerüche zur Aerosolbildung und dem Klimaabdruck urbaner Regionen beitragen.

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„Zunehmende E-Mobilität wird auch die Zusammensetzung der Stadtluft verändern. Andere Gase geraten ins Blickfeld: Was emittieren Asphalt, Lösemittel, Fensterreiniger oder Deospray? Wir können den Abdruck dieser Substanzen bereits deutlich in unseren Daten sehen. Es stellt sich die Frage, ob auch die Stadt der Zukunft immer noch unter einer erhöhten Aerosolbelastung leiden wird und was wir vielleicht im Materialdesign diesbezüglich besser machen könnten“, erklärt der Forscher. Deshalb ist er von der Universität Helsinki ans Institut für Materialchemie der TU Wien gekommen, um hier die vorhandene Expertise zum Beispiel im Bereich vom Asphaltuntersuchungen zu ergänzen.

Kein Verlass auf Geo-Engineering

Grundsätzlich sind Präventionsmaßnahmen besser als das reine Bekämpfen der Symptome, meint Stolzenburg. Genau die mangelnde Zuverlässigkeit der Modelle, die er im Review-Artikel aufgezeigt hat, nennt er auch als Grund dafür, dass er so genannte Geo-Engineering Projekte kritisch sieht. Dabei geht es um Überlegungen, der Klimaerhitzung mit bestimmten Eingriffen entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit wäre etwa, dass die Wolkendichte künstlich erhöht wird, z. B. durch die gezielte Ausbringung von zusätzlichen Aerosolen oder ihren Vorläufer-Gasen. „Unter den meisten Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich das bespreche, herrscht der Konsens, dass die Zusammenhänge viel zu komplex sind, um solche Experimente wagen zu können“, kommentiert der Experte der TU Wien.

Originalpublikation: Dominik Stolzenburg, Runlong Cai, Sara M. Blichner, Jenni Kontkanen, Putian Zhou, Risto Makkonen, Veli-Matti Kerminen, Markku Kulmala, Ilona Riipinen, and Juha Kangasluoma: Atmospheric nanoparticle growth, Rev. Mod. Phys. Vol. 95, Iss. 4 — Published 9 November 2023; DOI: 10.1103/RevModPhys.95.045002

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