Verbreitungswege von Mikroplastik Luftgetragen: Wie Kunststoffteilchen bis in die Arktis gelangen
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Wer hier mit dem Auto fährt, verschmutzt im Norden die Arktis – zumindest theoretisch. Denn Forscher haben nun gezeigt, dass Mikroplastik aus Reifenabrieb über die Luft den ersten Schritt in Richtung des Nordpols macht. Dort könnten abgelagerte Kunststoffteilchen sogar die Polschmelze beschleunigen.

Wien/Österreich – Kunststoff ist längst überall, nicht nur als vielseitiges Material in zahllosen Produkten, sondern auch als Abfall auf den Deponien und in der Umwelt. Ein besonderes Problem stellen kleine Kunststoffpartikel dar, die als Mikroplastik in Nahrungsketten eindringen und die Gesundheit der Tiere und Menschen gefährden können. Über den Regen gelangt solches Mikroplastik in Flüsse und schließlich ins Meer, wo es viele Jahre überdauert.
Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Norwegian Institute for Air Research (NILU), der Universität Wien und des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) hat jetzt die Verbreitung von Mikroplastik über einen anderen Weg untersucht: den Wind. Die Wissenschaftler haben dazu erste Modellrechnungen der globalen Ausbreitung von Mikroplastikpartikeln aus dem Straßenverkehr – die durch Reifen- und Bremsabrieb entstehen – durchgeführt. Der Hauptanteil dieses Mikroplastiks stammt aus den dicht besiedelten Regionen Nordamerikas, Europas und Asiens.
Von der Straße in die Luft
Die Ergebnisse des Teams legen nahe, dass die Verteilung von Plastikpartikeln über den Luftweg einen wichtigen Beitrag zu der Umweltbelastung mit Mikroplastik liefert. Während sich größere Partikel hauptsächlich in der Nähe der Emissionsregionen absetzen, können kleinere Partikel unter einer Größe von 2,5 Mikrometern sich beinahe global verteilen.
Das Team modellierte, dass pro Jahr ungefähr 140.000 Tonnen Mikroplastik aus dem Straßenverkehr über die Atmosphäre in die Ozeane transportiert werden. Oder anders formuliert: In jeder Minute gelangen rund 266 Kilogramm Mikroplastikteilchen über den Luftweg in die Weltmeere, allein aus Reifen- und Bremsabrieb.
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Mikroplastik-Extraktion aus Umweltproben
Wie kommt man Mikroplastik am besten auf die Spur?
Mit dem Wind in die Arktis
Zudem schätzen die Forscher, dass 48.000 Tonnen Mikroplastik pro Jahr an schnee- und eisbedeckten Oberflächen deponiert werden. „Speziell der Transport in die Arktis ist bedenklich, weil dort das Ökosystem sehr empfindlich ist und ohnehin bereits durch Klimawandel und andere Gifte belastet wird“, sagt Andreas Stohl von der Universität Wien: „Da stellt Mikroplastik eine weitere, bisher kaum einschätzbare Gefahr dar.“ In geringem Maße könnte durch die Ablagerung von relativ dunklen Plastikpartikeln auch die Rückstrahlfähigkeit des Schnees und Eises beeinträchtigt werden, was zu verstärktem Abschmelzen und damit weiterer Klimaerwärmung führen könnte. Ein ähnlicher Effekt ist durch die Ablagerung von Ruß in der Arktis bekannt.
„In dieser Studie zeigen wir, dass Transport von Mikroplastik durch die Atmosphäre eine große Bedeutung hat“, sagt Stohl. „Bisherige Studien haben sich vor allem auf den Transport über Flüsse in den Ozean konzentriert. Der Transport in der Atmosphäre ist jedoch ähnlich wichtig – vielleicht sogar noch wichtiger“.
Originalpublikation: Evangeliou et al.:Atmospheric transport is a major pathway of microplastics to remote regions, Nat Commun 11, 3381 (2020); DOI: 10.1038/s41467-020-17201-9
* A. Birkel, Universität Wien, 1010 Wien/Österreich
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