Nanomaschine im Zellmagen Magenspiegelung von Zellen: 3D-Struktur von Protein aufgedeckt
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Auch Zellen haben einen Magen. Dort hilft ein Protein bei der Verdauung von Nahrung und sogar von Viren wie SARS-CoV-2. Wie dieses Protein aussieht, haben nun Forscher mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie aufgedeckt.

Zellen sind in mancherlei Hinsicht wie ein kleines Abbild von uns selbst: Sie haben eine Art von äußerer Haut, nehmen Signale aus ihrer Umgebung wahr und brauchen Nährstoffe zum Überleben. Wenn Zellen Nahrung aufnehmen, wird diese in Transportbläschen (auch Vesikel genannt) zum Zellmagen transportiert, dem so genannten Lysosom. Die Vesikel verschmelzen damit und geben so ihre nahrhafte Fracht ab. Auf die gleiche Weise werden auch Viren, z. B. das allgegenwärtige Coronavirus, im Zellmagen abgebaut und damit neutralisiert. Die verdaute Nahrung nutzt die Zelle dann für den Bau neuer Bestandteile.
Doch wie genau gelingt es Zellen, aufgenommene Nahrung oder Viren wie das Coronavirus SARS-CoV-2 zum zellulären Magen zu bringen und zu zerlegen? Dies hat ein Forschungsteam der Universität Osnabrück im Detail untersucht. Eine zentrale Rolle für diesen Vorgang nimmt der so genannte HOPS-Komplex ein. Er steuert, dass Transportbläschen mit dem zellulären Magen verschmelzen und ihren transportierten Inhalt zur Verdauung freigeben.
Ein Blick auf molekulare Maschinen
Der HOPS-Komplex ist nur 43 Nanometer groß. Dieser Proteinkomplex verknüpft das Vesikel mit dem Zellmagen und sorgt dafür, dass die Membranen beider Partner miteinander verschmelzen können. „Am HOPS-Komplex und dem Prozess der Fusion von Vesikeln mit dem Zellmagen forschen wir bereits recht lange und wissen genau, welche Proteinkomplexe daran beteiligt sind“, sagt Professor Christian Ungermann, der die Abteilung Biochemie an der Universität Osnabrück leitet. „Wie diese molekulare Maschinerie jedoch am Zellmagen funktioniert, wussten wir bis jetzt nicht.“
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Alzheimerforschung
Eiskalte Mikroskopie enthüllt Struktur von Amyloidfibrillen
Über die vergangenen zwei Jahre hat Professor Arne Möller, Leiter der Abteilung Strukturbiologie, in Osnabrück die Kryo-Elektronenmikroskopie etabliert, die 2017 mit dem Nobelpreis geehrt wurde. Herzstück in Osnabrück ist ein drei Millionen Euro teures Kryo-Elektronenmikroskop – ein Forschungsgroßgerät, mit dem es möglich ist, Proteine mit hunderttausendfacher Vergrößerung zu untersuchen.
Wie funktioniert Kryo-Elektronenmikroskopie? Einen Überblick gibt dieses Video vom MRC Laboratory of Molecular Biology:
Schwergewicht der Strukturaufklärung
Vor einem Jahr wurde das Mikroskop im Zentrum für zelluläre Nanoanalytik (Cellnanos) installiert. „Das Mikroskop ist ca. zwei Tonnen schwer und richtig groß. Es ist hoch sensibel. Deshalb steht es sehr stabil in einem speziell dafür hergerichteten Raum im Cellnanos auf einem 70 Tonnen schweren Betonsockel“, erklärt Möller. „Es ist immer wieder faszinierend, dass wir mit diesem Mikroskop etwas so Kleines wie den HOPS-Komplex direkt betrachten können. Oft sind wir die ersten Menschen, die eine solche Nanomaschine mit den eigenen Augen sehen können“, ergänzt er.
Bevor man jedoch die dreidimensionale Struktur des Komplexes vor sich hat, müssen viele tausend Aufnahmen miteinander verrechnet werden. Dazu setzen die Biologen einen extra dafür angeschafften hochmodernen Großrechner ein. „Für mich als Strukturbiologe ist die vorliegende 3D-Struktur in ihren filigranen Details spektakulär, nicht nur weil sie aussieht wie ein Handballspieler. Anhand unserer Daten können wir jetzt endlich erklären, wie zwei Prozesse – die Erkennung von Vesikeln und deren Verschmelzung mit dem Zellmagen – gekoppelt werden“, sagt Möller.
Wenn man etwas sehen kann, kann man auch verstehen, wie es funktioniert.
Wie Corona dem Zellmagen (lange genug) entgeht
Auch das Coronavirus SARS CoV-2 wird in Vesikeln eingeschlossen und zum Zellmagen transportiert. Es habe leider einen Weg gefunden, den HOPS-Komplex teilweise auszuschalten und so die natürliche Verteidigung der Zelle zu überwinden, wie Biochemiker Ungermann erklärt: „Wir wissen bereits sehr gut, wie Viren in unsere Zellen eindringen. Doch wie es Zellen gelingt, diese Viren unschädlich zu machen, das ist noch nicht restlos aufgeklärt.“ Klar sei: Viren müssen zunächst in den Zellmagen gelangen, um zerstört zu werden. Das Coronavirus stelle aber ein Protein her, das den HOPS-Komplex blockiert. „Durch diesen Trick haben Coronaviren genügend Zeit, ihre genetische Information in die Zelle zu schleusen und sich weiter zu vermehren“, erklärt Ungermann.
Originalpublikation: Dmitry Shvarev, Jannis Schoppe, Caroline König, Angela Perz, Nadia Füllbrunn, Stephan Kiontke, Lars Langemeyer, Dovile Januliene, Kilian Schnelle, Daniel Kümmel, Florian Fröhlich, Arne Moeller Is a corresponding author , Christian Ungermann: Structure of the HOPS tethering complex, a lysosomal membrane fusion machinery, eLife, Sep 13, 2022; DOI: 10.7554/eLife.80901
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