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Tumorzellen charakterisieren Per Einzelzell-RNA-Sequenzierung zu neuen Krebstherapien

Das Gespräch führte Dr. Ilka Ottleben Lesedauer: 3 min

Immuntherapien sind auch bei der Behandlung von Krebserkrankungen auf dem Vormarsch. Doch kein Tumor gleicht dem anderen. Um gezielt die richtige personalisierte Therapie auszuwählen, müssen die Tumorzellen möglichst genau charakterisiert werden – z. B. mit der noch relativ jungen Einzelzell-RNA-Sequenzierung. Wie das geht, haben uns Experten der Medizinischen Universität Innsbruck erläutert.

Mikroskopische Aufnahme einer CT-gesteuerten Nadelkernbiopsie, die ein pulmonales Plattenepithelkarzinom zeigt, eine Art von nicht-kleinzelligem Karzinom, das in der Regel mit dem Rauchen in Verbindung gebracht wird.
Mikroskopische Aufnahme einer CT-gesteuerten Nadelkernbiopsie, die ein pulmonales Plattenepithelkarzinom zeigt, eine Art von nicht-kleinzelligem Karzinom, das in der Regel mit dem Rauchen in Verbindung gebracht wird.
(Bild: © David A Litman - stock.adobe.com)

Frau Horvath, was genau versteht man unter einer Einzelzell-RNA-Sequenzierung, und welche Parameter werden abgefragt?

Lena Horvath: Die Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) ist eine optimierte Next-Generation-Sequencing (NGS)-basierte Methode, die es ermöglicht, die Genexpressionsprofile von Tausenden einzelner Zellen simultan zu analysieren. Dadurch kann die zelluläre Zusammensetzung von Tumoren hochauflösend dargestellt werden. Die Einzelzell-RNA-Sequenzierung hat sich in den letzten Jahren quantitativ und qualitativ sehr rasch weiterentwickelt, bis vor einigen Jahren war eine RNA-Sequenzierung ausschließlich von Probengemischen möglich.

Wie entsteht aus diesen Daten ein Tumorprofil?

Stefan Salcher: Die Rohdaten der Einzelzell-RNA-Sequenzierung werden analysiert, um Tumorprofile zu erstellen. Dabei werden Gene, die in jeder einzelnen Zelle exprimiert werden, identifiziert und quantifiziert. Diese Informationen werden schließlich zusammengeführt, um ein umfassendes Bild der Tumorheterogenität und der molekularen Mechanismen zu erhalten, die zur Tumorentwicklung beitragen. Dazu gehört die Identifizierung von Subpopulationen innerhalb des Tumors (z. B. Krebsstammzellen, infiltrierende Immunzellen), die Erstellung von Genexpressionsprofilen, die Untersuchung von Signalwegen oder von Zell-Zell-Interaktionen. Diese hochauflösenden Tumorprofile ermöglichen ein tieferes Verständnis der Ursachen von Krebs und unterstützen dadurch die Entwicklung von personalisierten Therapieansätzen für Patientinnen und Patienten.

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Ihr Forscherteam an der Medizinischen Universität Innsbruck hat anhand von Patientendaten einen Einzelzell-Atlas für Lungenkrebs erstellt. Wie viele Daten wurden hierfür erfasst, und welche Aussagen kann man nun für einen Therapieansatz ableiten?

Horvath: Für unseren Einzelzellatlas verwendeten wir Daten von 318 Patientinnen und Patienten mit bekanntem Nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), der häufigsten Form von Lungenkrebs. Wir inkorporierten Daten von 556 Gewebeproben, welche aus 28 publizierten Einzelzell-Datensätzen extrahiert und um unseren eigenen Datensatz ergänzt wurden. Insgesamt beinhaltet der Lungenkrebs-Atlas 1.283.972 Einzelzellen, welche wir 44 verschiedenen Zelltypen zuordnen konnten, u. a. verschiedenen Tumorzellen, benigne Epithelzellen, stromale Zellen (z. B. Fibroblasten, Endothelzellen) sowie unterschiedlichste Immunzellen. Durch die große Anzahl an Einzelzellen können Analysen mit statistischer Signifikanz durchgeführt werden, wie etwa der tiefgründigen Auflösung einzelner Zellpopulation oder der Vergleich einzelner Zell-Subpopulation mit kli­nischen Informationen (Histologie, Mutationsstatus). Da von einigen Patientinnen und Patienten sowohl Tumor- als auch normales Lungengewebe inkludiert wurde, besteht die Möglichkeit, tumorspezifische Zell-Subpopulationen und deren funktionelles Profil herauszuarbeiten, wie wir es in unserer Arbeit für neutrophile Granulozyten (Neutrophile) zeigten, einer wichtigen Gruppe von Immunzellen.

Als weiteren Schritt setzten wir die Informationen der von uns analysierten Neutrophilen mit Therapie und Prognose in Zusammenhang. Hierfür verglichen wir unsere transkriptionelle Neutrophilen-Signatur mit Daten aus zwei randomisierten klinischen NSCLC- Studien (POPLAR, OAK), welche den PD-L1 Antikörper Atezolizumab einer Chemotherapie mit Docetaxel gegenüberstellten. Wir fanden einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Neutrophilen-Signatur und schlechtem Ansprechen auf Atezolizumab. Unsere Daten legen nahe, dass spezifische Zellpopulation im NSCLC Tumor-Mikromilieu das Ansprechen auf Immuntherapie beeinflussen können.

Wie lassen sich die Datenanalysen auf andere Krebserkrankungen übertragen, und wie erfolgt die Zusammenarbeit und weltweite Nutzung von Ressourcen bei solchen riesigen Datenmengen?

Salcher: Die zelluläre Heterogenität von Tumoren ist nicht nur auf das NSCLC beschränkt und das Prinzip unseres NSCLC-Einzelzellatlas würde sicherlich auch in anderen Tumor­entitäten einen wichtigen Informations­pool darstellen. Ob der Phänotyp tumorspezifischer Zellpopulationen unabhängig von der Tumorentität ist, kann aktuell nicht beantwortet werden. Umfassende Einzelzell-Analysen weiterer Tumorerkrankungen werden hier zukünftig Vergleiche ermöglichen. Der NSCLC-Atlas ist als Online-Tool zugänglich und die Rohdaten wurden frei zur Verfügung gestellt. Die Online-Veröffentlichung von Einzelzell-Datensätzen aus unterschiedlichen Forschungsgruppen ist v. a. bei dieser aufwendigen und kostenintensiven Technik eine immense Hilfe, um Informationsgewinn zu erleichtern und zu beschleunigen sowie Ressourcen zu sparen.

Lena Horvath

09/12 – 08/18 Studium der Humanmedizin, Medizinische Universität Graz, Österreich; seit 2020 Klinisches Doktorat „Klinische Krebsforschung“, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich; seit 06/2019 Assistenzärztin, Innere Medizin, Universitätsklinik Innsbruck; Forschung: Seit 06/19 Labor für Tumorimmunologie; Abteilung für Hämatologie/Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck; Schwerpunkte: Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, myeloische Immunologie, Mikrobiota

Stefan Salcher

10/05 – 07/08 Bachelor of Science in Ingenieurwissenschaften (BSc) Biotechnologie, MCI Management Center Innsbruck, Österreich; 10/08 – 10/10 Master of Science in Engineering (MSc) Biotechnology, MCI Management Center Innsbruck, Thema „Regulation of C10orf10 by the transcription factor FKHRL1/FoxO3a"; 10/10 – 12/14 Doktor der Philosophie (PhD) Medizinische Universität Innsbruck, Thema: „Regulierung von DEPP durch den Transkriptionsfaktor FOXO3“

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