Gesundheitliche Folgen von Lärmbelastung Verkehrslärm kann herzkrank machen
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Knatternde Automotoren und dröhnende Flugzeugtriebwerke belasten nicht nur die Ohren, auch das Herz leidet unter Lärm. Nun haben Forscher erstmals in einer großen Studie belegt, dass sich Lärmbelästigung in der erhöhten Konzentration eines Stresshormons im Blut widerspiegelt – und damit in Verbindung mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie einer erhöhten Sterblichkeitsrate steht.

Mainz – Experten der EU warnen bereits seit langem neben Schadstoffen in der Luft auch vor Lärmbelästigung. Ein im März 2020 veröffentlichter Bericht der EU-Umweltagentur (EEA) zeigt, dass Millionen Menschen gesundheitlich unter Lärm leiden. Mindestens jeder fünfte Europäer ist in seiner Umgebung gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt.
Größter Lärmverursacher dabei ist der Straßenverkehr sowie Fluglärm. Chronische Lärmbelästigung führt zu Stressreaktionen, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall begünstigen.
Stresshormon zeigt Lärmbelastung an
Obwohl zahlreiche Studien diesen Zusammenhang nachgewiesen haben, waren die Ursachen der krankmachenden Wirkung von Lärmstress nach wie vor unklar. Nun hat ein Forscherteam um Dr. Thomas Münzel vom Zentrum für Kardiologie in Mainz nach eigenen Angaben erstmals einen direkten Nachweis erbracht. Bei 5000 Teilnehmern der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) zeigten die Forscher, dass erhöhte Lärmbelästigung, vor allem durch nächtlichen Flugverkehr, die Konzentration eines bestimmten Stresshormons im Blut erhöht.
Der identifizierte Stressmarker ist MR-proANP – ein Hormon, das in Folge von Überbelastung vermehrt vom Herzen selbst gebildet wird. Durch die gefäßerweiternde und wasserausscheidende Wirkung erfüllt dieses Stresshormon eine wichtige Rolle bei der Blutdruckregulation bzw. -senkung und entlastet damit das Herz.
Fast 50 Prozent höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Wie sich herausstellte, steigert eine erhöhte Konzentration von MR-proANP im Blut aber das Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in einem 5-Jahreszeitraum signifikant. Hierbei stellten die Forscher einen stärkeren Einfluss der nächtlichen Lärmbelästigung fest, in erster Linie eine Folge von zu kurzem bzw. häufig unterbrochenem Schlaf. Daraus folge ein dreifach erhöhtes Risiko für die Entstehung von Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) sowie ein fast 50 Prozent höheres Risiko für die oben genannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ebenfalls waren laut den Wissenschaftlern erhöhte Konzentrationen von MR-proANP mit einem 36 Prozent höheren Risiko für vorzeitigen Tod assoziiert.
Maßnahmen gegen Lärm gefordert
Die Ergebnisse der Studie stehen in Einklang mit zahlreichen anderen Untersuchungen, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko aufgrund von Lärmexposition nahelegen. Daher fordern die Autoren der aktuellen Studie nicht nur weitere Untersuchungen im Hinblick auf den Risikofaktor Lärm, sondern vor allem auch präventive Maßnahmen, um die Bevölkerung vor den negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Lärms zu schützen.
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Simulation für leiseren Schienenverkehr
Zuglärm auf Knopfdruck
Diese Maßnahmen können nur durch politische Entscheidungsträger umgesetzt werden, da Patienten und Ärzte wenig Einfluss auf verkehrsbedingten Lärm haben. „Insbesondere auf Grundlage der kürzlich erschienen Lärmrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO, in welchen deutlich niedrigere Verkehrslärmpegel am Tag und in der Nacht empfohlen werden, sind Konsequenzen auch im Hinblick auf die Ausdehnung des Nachtflugverbots angebracht“, sagt Kardiologe Münzel.
Originalpublikation: Hahad O, Wild PS, Prochaska, JH, Schulz A, Lackner KJ, Pfeiffer N, Schmidtmann I, Michal M, Beutel M, Daiber A, Münzel T.: Midregional pro atrial natriuretic peptide: a novel important biomarker for noise annoyance-induced cardiovascular morbidity and mortality?, Clin Res Cardiol (2020); DOI: 10.1007/s00392-020-01645-6 
* Dr. T. Enzweiler, Universitätsmedizin Mainz, 55131 Mainz
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