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ACHEMA-Trendbericht Industriegase Teil 1 Welche Verfahrensentwicklungen die Nachfrage nach Industriegasen beeinflussen

Redakteur: Marion Henig

Industriegase wie Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid, Wasserstoff und andere gehören zu den am meisten verwendeten Rohchemikalien und sind in fast allen Industriezweigen unverzichtbar, auch in der Chemie-, Lebensmittel- und Pharma-Industrie. Lesen Sie hier, welche Verfahren derzeit zur Luftzerlegung eingesetzt werden, wie sich die Nachfrage nach Industriegasen derzeit entwickelt und wo derzeit neue Luftzerlegungsanlagen errichtet werden.

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In der Geschichte der Luftzerlegung sind zwei von Grund auf unterschiedliche Ansätze bekannt – das Verfahren der kryogenen Destillation bei extrem niedrigen Temperaturen, das typischerweise für die Herstellung von großen Mengen Sauerstoff oder Stickstoff angewendet wird, und die so genannten nichtkryogenen Verfahren. Dabei findet die Luftzerlegung bei Umgebungstemperatur statt, entweder mit Hilfe von Molekularsieb-Adsorbentien über das Verfahren der Druckwechseladsorption (PSA = Pressure Swing Adsorption) oder unter Verwendung von polymeren Membranen.

In jüngster Zeit hat sich mit der Hochtemperaturzerlegung noch eine dritte Alternative entwickelt, deren technische und wirtschaftliche Verwendbarkeit zur Industriegaseproduktion intensiv erforscht wird. Sie beruht auf speziellen keramischen Membranen, die bei hohen Temperaturen Luft in Sauerstoff und Stickstoff zerlegen, im Gegensatz zu traditionellen kryogenen Luftzerlegungsanlagen (ASUs), die sehr niedrige Temperaturen erfordern. Wenn auch bis zur kommerziellen Nutzung noch Jahre vergehen dürften, nähren umfangreiche Forschungsergebnisse die Hoffnung, dass die Entwicklung kompakter Systeme möglich ist, mit denen auch große Mengen Sauerstoff produziert werden können und die in Bezug auf Einsparungen bei Kapitalkosten und Energiebedarf deutliche Vorteile gegenüber kryogenen ASUs aufweisen.

Obwohl es sich bei den bewährten Luftzerlegungstechnologien, die heute weltweit Anwendung finden, um ausgereifte Verfahren handelt, unterliegen auch diese einem ständigen Wandel. Die laufenden Optimierungsbemühungen zielen auf eine höhere Betriebseffizienz insgesamt und Ausweitung der Produktionskapazität der einzelnen Luftzerlegungsanlage ab, um Kapitalkosten und Energiebedarf, die beide nach wie vor bei der Produktion von Sauerstoff und Stickstoff hoch sind, zu senken. Viele Anwender können die kommerzielle Verfügbarkeit der grundlegend anderen Technik der Luftzerlegung bei hohen Temperaturen und die in Aussicht gestellten Vorteile kaum erwarten.

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Gase im industriellen Einsatz

  • Weil sich Stickstoff gegenüber den meisten Materialien reaktionsträge verhält, ist er weit verbreitet für Brand- und Explosionsschutz bei zahlreichen industriellen Anwendungen, zur Inertisierung sowie pneumatischen Fördervorgängen. Zunehmend wird Stickstoff auch zur Steigerung der Öl- und Gasgewinnung (EOR = Enhanced Oil Recovery; EGR = Enhanced Gas Recovery) genutzt. Eine Stickstoffatmosphäre wird ebenfalls in der Verpackungstechnik genutzt, um Lebensmittel und andere verderbliche Produkte vor atmosphärischen Einflüssen zu schützen (MAP = Modified Atmosphere Packaging). Weiterhin kommt flüssiger Stickstoff beim Gefrieren von Lebensmitteln, bei der Prozesskühlung und beim kryogenen Vermahlen von Kunststoff und anderen Materialien zum Einsatz.
  • Industrieller Sauerstoff wird in erster Linie zur Verbesserung von Verbrennungs- und Schmelzprozessen bei der Herstellung von Stahl, Aluminium oder Kupfer sowie für ein verbessertes Brennverhalten bei der Zement- oder Glasherstellung verwendet. Er wird zudem als Oxidationsmittel bei der Produktion vieler Chemikalien und Brennstoffe sowie für die Zellstoff- und Papierherstellung als sicherere und umweltfreundlichere Alternative zur Chlorbleiche und als Wirkstoff zur Delignifizierung eingesetzt. Ebenso findet er Verwendung in Fermentierungsprozessen in der Biotechnologie, in der Pharmatechnik und zur Bereitstellung des für die aerobe Abwasserbehandlung benötigten biologischen Sauerstoffs. In jüngster Zeit hat die Nachfrage nach sehr großen Mengen Sauerstoff im Tonnagemaßstab stark angezogen. Ein Grund hierfür ist das stetige Wachstum in der chemischen Verfahrenstechnik, zum Beispiel bei Vergasungsprozessen mit reinem Sauerstoff (siehe unten). Dabei werden Kohle, Petroleumkoks, Biomasse, kommunaler Abfall und andere Ausgangsmaterialien in ein Synthesegas als Zwischenprodukt umgewandelt, das dann zur Gewinnung von Elektrizität, Chemikalien oder Transportkraftstoffen weiterverarbeitet werden kann.

Entwicklungen bei Flüssiggas treiben die Nachfrage nach Stickstoff

Einer der Haupttreiber für die Nachfrage nach großen Mengen Stickstoff ist die Ausweitung der weltweiten Infrastruktur für die Produktion, den Transport und die Nutzung von Flüssigerdgas (LNG = Liquefied Natural Gas). So lange die Gaspreise relativ niedrig waren, wurden Erdgasreserven an abgelegenen oder geographisch ungünstigen Standorten aufgrund der weiten Entfernung zu den Abnehmern üblicherweise nicht gefördert, sondern abgefackelt.

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