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Biotechnologie und Gentechnologie Biochips – Einsatzmöglichkeiten im Laboralltag

Von Eva Ehrentreich-Förster*, Christian Heise*, Nenad Gajovic-Eichelmann*, Susanne Schwonbeck*, Peter M. Schmidt*, Frank F. Bier*

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Biochips sind aus den heutigen Laboren nicht mehr wegzudenken. Sie haben in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung durchgemacht und finden in vielen Bereichen Anwendung – eine Übersicht.

Abb. 1: Biochips – Einsatzmöglichkeiten im Labor
Abb. 1: Biochips – Einsatzmöglichkeiten im Labor
(Bild: Archiv: VCG)

Biochips, oft auch als Mikroarrays bezeichnet, bestehen aus einer Vielzahl von kleinen Flecken, sog. Spots oder Features, auf einem planaren Träger, in denen sich unterschiedliche Bindemoleküle befinden, die fest an den Träger gekoppelt werden. Im Kontakt mit einer komplexen Probe können nun viele Bindungen gleichzeitig stattfinden und so Aussagen über die Zusammensetzung der Probe getroffen werden.

LP-Classic Dieser Beitrag wurde von LABORPRAXIS erstmals veröffentlicht am 12. Februar 2004 und 2022 in ein aktuelles Format umgestellt.

Die Mikroarray-Technologie ermöglicht so die gleichzeitige Durchführung zahlreicher Bindungsexperimente in einem einzigen Schritt. Dieses Potenzial wird z. B. in der Genomforschung und in der darauf aufbauenden Transkriptionsanalyse genutzt, bei welcher der Status der Transkription eines Zellverbandes oder Gewebes über die Analyse der mRNA bzw. cDNA möglichst vieler, im Idealfall aller, Gene zum selben Zeitpunkt abgefragt werden kann. Der prinzipielle Ablauf eines Mikroarray-Experiments besteht in der Auswahl der Sonden, ihrer Immobilisierung in einem Raster, dem Array, dem eigentlichen Bindungsschritt durch Inkubation mit der ggf. vorbereiteten Probe und der Auswertung. Letztere kann je nach Spot-Anzahl und Fragestellung sehr komplex sein und bioinformatische Hilfsmittel erfordern.

Biochips machen heute üblicherweise Bindungsaussagen über Unterschiede in den Fluoreszenzintensitäten in Spots. Dazu werden z. B. bei Genom- oder Transkriptionsanalysen mit DNA-Chips entsprechende DNA-Sonden auf dem Chip immobilisiert. Nach einem Hybridisierungsvorgang (Bindung) mit einem meist fluoreszent markierten Analyten, der Probe, wird der Chip entsprechend der jeweiligen Vorschriften gewaschen und getrocknet. Anschließend wird der trockene Chip in einem Biochip-Scanner ausgelesen. Je nach dem eingesetzten Scanner und der benutzten Image-Software erhält man Zahlenwerte für jeden einzelnen Spot, die Informationen über die Helligkeitsverteilung und Intensität liefern.

Biochips als parallele Messsysteme

Biochips haben als parallele Messsysteme viele Vorteile: sie kommen mit wenig Probenvolumen aus, verringern die notwendigen Reaktionsschritte, vereinfachen somit den Gesamtablauf und reduzieren die dafür notwendige Zeit. Dies wiederum führt langfristig zu reduzierten Kosten und potenziell billigeren Analysesystemen. Auf diese Weise können Chip-basierte Analysen zur Kostenreduktion beitragen.

Um die Biochips in den Laboralltag zu überführen, sind aber noch einige wichtige Voraussetzungen zu schaffen. Die Herstellung der Chips muss reproduzierbar sein. Sie müssen ihre Qualität über einen längeren Zeitraum erhalten, ihre Detektion muss einfach und zuverlässig sein, und die Chips und ihre Modifizierung müssen bezahlbar sein. Heute noch ein Problem ist die Vergleichbarkeit der Werte zwischen Scannern verschiedener Anbieter sowie zwischen den jeweiligen Auswerte-Programmen. Bemühungen um Standardisierung sind noch in den Anfängen. Die Chips müssen sich noch einen Ruf im Vergleich zu etablierten Analytik-Techniken erarbeiten.

Vorteile von Glaschips

Aus heutiger Sicht werden für eine Vielzahl von Fragestellungen Glaschips benutzt. Glas hat für die Mikroarray-Herstellung hervorragende Eigenschaften:

  • Es ist hitzestabil und inert gegenüber vielen organischen und anorganischen Lösungsmitteln sowie gegen mechanische und physikalische Einflüsse.
  • Es ist relativ glatt und planar, sodass ein Minimum an Hybridisationsvolumen benötigt wird.-Es ist ein hartes unporöses Material (im Gegensatz zu organischen Polymeren) und verhindert so Diffusionen in die Trägermatrix.
  • Es hat aufgrund seiner geringen Eigenfluoreszenz ein hohes Signal/Rausch-Verhältnis.
  • Es ist ein preiswertes Trägermaterial.

An der TU Wien haben Forscher menschliche Blutgefäße am Biochip etabliert. Wie sie das geschafft haben, erklärt Prof. Dr. Peter Ertl im LP-Exklusiv-Interview:

Die Gläser haben verschiedene chemische und physikalische Eigenschaften wie Härte, Oberflächenstruktur oder optische Eigenschaften. Allerdings ist allen Gläsern gemeinsam, dass sie für affine und kovalente Kopplungen chemisch modifiziert werden müssen. Das heißt, es muss ein Mittler zwischen anorganischer Materie (SiO2) und organischen Biomolekülen (Antigene, Antikörper, Proteine, natürliche Polymere etc.) gefunden werden. Je nach Art des Mittlers kann die Oberfläche hydrophil bzw. hydrophob verändert werden. Die Oberflächenbeschaffenheit ist ausschlaggebend für die Dichte der Arrays.

Um aus Biochips mehr Informationen zu erhalten, wurde im Fraunhofer IBMT in der Abteilung Molekulare Bioanalytik & Bioelektronik ein Scanner entwickelt, der Bindungsvorgänge zwischen den unterschiedlichsten Molekülen (z. B. DNA, Antikörper-Antigen, DNA-Enzym-Wechselwirkung) detektiert und auf unterschiedliche Weise sichtbar macht. Zum einen wird die Oberfläche vor, während und nach dem Versuch als Gesamtbild dargestellt und die einzelnen Ergebnisse optisch präsentiert. Zum anderen können die Bindungsereignisse in den jeweiligen Spots in Echtzeit beobachtet und ausgewertet werden. Dies ermöglicht neben der qualitativen auch eine quantitative Beurteilung der Vorgänge auf der Oberfläche. An einigen Beispielen soll gezeigt werden, in welchen Bereichen Biochips zukünftig Anwendung finden können.

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Anwendung im Bereich der medizinischen Diagnostik

Dem Einsatz von Biochips oder Mikroarrays in der Diagnostik steht bisher u. a. die komplizierte Handhabung entgegen, v. a. bei der Inkubation des Biochips mit der Probe. Die Analyseergebnisse hängen neben der Analytkonzentration auch von Faktoren wie dem Probenvolumen, der Inkubationsdauer, Temperatur und der Benetzung ab. Im Zusammenspiel mit den Unternehmen EKF Diagnostic Magdeburg und BST Biosensor Technologie Berlin wurde am Fraunhofer-IBMT ein Biochip-Reader entwickelt, der mit integrierter Probennahme und Mikrofluidik ausgestattet ist und in Bezug auf Handhabung heutigen Analysatoren ähnelt (s. Abb. 1, oben).

Abb.2: Steroidhormon-Assay
Abb.2: Steroidhormon-Assay
(Bild: Archiv: VCG)

Mithilfe eines Spotting-Roboters werden Hormon-Derivate positioniert und kovalent an eine modifizierte Glasoberfläche gebunden. Eine reproduzierbare Kopplung sowie eine einheitliche Spotmorphologie sind hierbei wichtige Voraussetzungen für einen präzisen Assay. Der Nachweis der Steroidhormone auf dem Mikroarray erfolgt in einem indirekt kompetitiven Durchfluss-Assay mit Fluoreszenzdetektion (s. Abb. 2).

Anwendung im Bereich der kinetischen Untersuchungen

Der Durchfluss-Biochip-Scanner ermöglicht es, die Aktivität von Enzymen auf der Sensoroberfläche zu messen. So wurde z. B. der Katalyseweg von Restriktionsendonukleasen untersucht, um Aufschluss über Reaktionsmechanismus und -geschwindigkeit zu erhalten. Dazu verankert man Nukleinsäureoligomere auf der Oberfläche eines Mikroarrays. Ein Oligonukleotid wird immobilisiert und mit einem fluoreszenzmarkierten komplementären Strang hybridisiert. Die nun vorliegenden Doppelstränge der DNA haben die für das jeweils zu untersuchende Restriktionsenzym spezifische Schneidesequenz, am Beispiel des EcoRI lautet diese Sequenz GAA TTC.

Abb.3: Kinetikstudie auf dem Chip
Abb.3: Kinetikstudie auf dem Chip
(Bild: Archiv: VCG)

Nach Zugabe des Enzyms lagert es sich an die DNA an, ohne dass man eine Änderung des Messsignals sieht, da es keinen Fluoreszenzbeitrag liefert. Das Enzym wird durch die Zugabe des Kofaktors Mg2+ aktiviert. Das Schneiden des Doppelstranges durch das Enzym wird durch die Abnahme der Intensität des Fluoreszenzsignals beobachtet, da mit dem geschnittenen Teil der DNA auch die Markierung aus dem Messsystem herausgespült wird.

In Abbildung 3 ist deutlich zu sehen, wie sich die Signalintensitäten nach Start der enzymatischen Reaktion veränderten. Eine quantitative Auswertung der Daten erhält man durch die Analyse der Zeitverläufe.

Anwendung im Bereich Molekularbiologie: SNPs

Im menschlichen Genom findet man durchschnittlich alle 1.000 Basenpaare (bp) eine Abweichung einer einzelnen Base (Single nucleotide polymorphism – SNP). Daher sind SNPs gut als Gen-Marker geeignet, die häufig mit Krankheiten in Verbindung gebracht bzw. mit Krankheitssymptomen assoziiert werden können. So konnte kürzlich gezeigt werden, dass ein bestimmter SNP im XPA-Gen mit einem geringeren Lungenkrebsrisiko assoziiert ist. SNPs in Genen der am Stoffwechsel von Pharmaka beteiligten Enzyme können jedoch auch individuell unterschiedliche Nebenwirkungen auslösen. Daraus ergibt sich das Interesse am SNP als einfaches Beispiel genetischer Variationen. Als Beispiel der SNP-Analyse soll eine Mutation im Sulfotransferase-Gen (Sult1A1) vorgestellt werden.

Es werden zwei kurze Stücke DNA betrachtet, eine Wildtyp-DNA und eine SNP-DNA. Die Assoziationsgeschwindigkeit beider DNAs ist identisch. Allerdings sind beide DNA-Fragmente aufgrund der Punktmutation in ihrer Bindungsstärke unterschiedlich. Dieser Effekt tritt deutlich in der Dissoziationsphase hervor. Der Wildtyp wie die Mutante liegen als PCR-Produkte mit einer Länge von ca. 250 Basenpaaren vor und werden so auch auf einen Array gespottet. Die Kopplung auf der Chipoberfläche erfolgt über Biotin-Streptavidin. Nach der Denaturierung des Doppelstranges durch Erhitzen liegen die PCR-Produkte einzelsträngig vor.

Abb.4: SNP-Analytik
Abb.4: SNP-Analytik
(Bild: Archiv: VCG)

Nun leitet man fluoreszenzmarkierte Hybridisierungssonden über den Chip, die zu den Bereichen der PCR-Produkte komplementär sind, welche die Mutation enthalten. Neben ähnlichen Assoziationskinetiken sind deutliche Unterschiede in den Dissoziationskinetiken zu beobachten (Abb. 4). Die Dissoziationsrate ist in den Spots, welche die Mutation enthalten, deutlich höher als in denen, die den Wildtyp enthalten.

Das Anwendungspotenzial für Biochips ist sehr groß. Überall, wo viele Parameter in einer Probe bestimmt werden sollen, ist der Einsatz denkbar, z. B. in der Lebensmittelanalytik bei der Beobachtung der Käsereifung oder der Messung der Toxizitäten bei Nüssen. Genau so ist aber auch ihre Nutzung im Bereich der Umweltanalytik vorstellbar.

* E. Ehrentreich-Förster, Ch. Heise, N. Gajovic-Eichelmann, S. Schwonbeck, P.M. Schmidt, F.F. Bier, Fraunhofer IBMT, Abt. Molekulare Bioanalytik& Bioelektronik, 14558 Bergholz-Rehbrücke

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