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Ein Grundpfeiler der personalisierten Medizin Biomarker auf dem Vormarsch

Von Dr. Aashia Rahman*, Dr. Anne Griesbeck**, Dr. Christoph Schröder**, Dr. Stefan Hofmann*

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Den Gesundheitszustand so sicher überwachen wie die Temperatur an der Wetterstation – mit Biomarkern sind heute bereits frühzeitige Krankheitswarnungen und individualisierte Therapien möglich. Was Biomarker in der personalisierten Medizin so wichtig macht, und welche Rolle wirtschaftliche Aspekte spielen, zeigt dieser Beitrag.

Abb. 1: Biomarker werden nicht nur wissenschaftlich immer relevanter, sondern sind auch wirtschaftlich gesehen zunehmend wichtig.
Abb. 1: Biomarker werden nicht nur wissenschaftlich immer relevanter, sondern sind auch wirtschaftlich gesehen zunehmend wichtig.
(Bild: ©Aleksandra Gigowska - stock.adobe.com)

Neue Biomarker gewinnen zunehmend an Bedeutung, sowohl für Diagnosezwecke, als auch für Risiko- und Nutzenabschätzung von Behandlungsmethoden (Patientenstratifikation). Mit immer breiteren Anwendungsfeldern im Bereich der auf den Patienten zugeschnittenen „Precision Medicine“ erlauben Biomarker eine feinere Einteilung in spezifische Patientengruppen.

Mit ihrem großen Zukunftspotenzial verdichtet sich auch das Wettbewerbsumfeld unter den Anbietern solcher Biomarker weiter. Dies sorgt einerseits für schnellere wissenschaftliche Fortschritte, andererseits für einen höheren wirtschaftlichen Druck. Denn Forschung muss auch finanziert werden. Was Patente und die so genannte Intellectual-Property-Analyse dabei für eine Rolle spielen, beleuchten wir gesondert in einer Fallstudie zur Patentdatenanalyse. Hier soll es hingegen um den Erfolgszug von Biomarkern und deren zunehmende Bedeutung für Wirtschaft sowie die personalisierte Medizin gehen.

Der Patient als Datenquell

Neueste Entwicklungen haben dazu beigetragen, die Grenzen des Möglichen in der Biomarker-Forschung und -Entwicklung (F&E) zunehmend zu erweitern und damit auch für mehr Dynamik in der Wirtschaft zu sorgen. Dazu gehören zum einen fortschrittliche Technologien im Bereich Genomics, Trancriptomics, Proteomics und Metabolomics, zum anderen moderne instrumentelle Analytik und Rechenleistung. Sie ermöglichen, das Potenzial Biomarker-basierter Technologien zu erforschen und fortlaufend neue Erkenntnisse zu liefern, die wiederum direkt den Medizinern und Patienten zugutekommen.

Was sind Biomarker überhaupt? Eine kurze Einführung zeigt dieses Video:

Dank moderner Computertechnologien ist „Digital Health“ nun Realität geworden. Der Patient ist gleichzeitig auch eine Datenquelle – ob Bildgebungsdaten, elektronische Gesundheitsdaten oder Daten, die von tragbaren und implantierbaren Geräten generiert werden. Mit all diesen Quellen entsteht eine Form von Big Data, die für zahlreiche medizinische Bereiche relevant ist – von der „Precision Medicine“, die auf kleine Patientengruppen angepasst ist, bis hin zur Personalisierten Medizin, die individuell optimiert wird.

Mithilfe von „Big-Data-Analytics“ ist es nun möglich, das Potenzial im Bereich der personalisierten Medizin voll auszuschöpfen, um einzelne Patienten oder Untergruppen innerhalb einer heterogenen Patientenpopulation besser zu versorgen. Dazu gehören beispielsweise die Früherkennung von Krankheiten und maßgeschneiderte Therapien [1]. In diesem Zusammenhang tragen Biomarker wesentlich dazu bei, präzise Diagnosen stellen zu können – Voraussetzung für eine auf den Patienten zugeschnittene Behandlung.

Was sind Biomarker?

Die US-amerikanische Behörde National Institutes of Health (NIH) definiert den Begriff Biomarker oder biologische Marker als Parameter, mit denen sich „eine Eigenschaft objektiv messen lässt, um sie als Indikator für normale biologische Prozesse, pathogene Prozesse oder pharmakologische Reaktionen auf eine therapeutische Intervention heranzuziehen“.* Das BEST-Glossar für „Biomarkers, Endpoints and other Tools“, das gemeinsam von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) und den NIH herausgegeben wird, teilt Biomarker in sieben Kategorien ein.**

  • Suszeptibilitäts-/Risiko-Biomarker
  • diagnostische Biomarker
  • Monitoring-Biomarker
  • prognostische Biomarker
  • prädiktive Biomarker
  • pharmakodynamische Biomarker
  • Sicherheits-Biomarker

*Biomarkers Working Group, "Biomarkers and surrogate endpoints: preferred definitions and conceptual framework," Clin. Pharmacol. Ther. 69 (3), 89–95, 2001.

**FDA-NIH Biomarker Working Group, “BEST (Biomarkers, EndpointS, & other Tools) Resource,” Silver Spring (MD): Food and Drug Administration (US), Bethesda (MD): National Institutes of Health (US), 2016.

Individualität im Pharmabereich

Für die Umsetzung einer personalisierten Medizin hat sich zudem ein neues individualisiertes Behandlungskonzept herausgebildet, das als Companion Diagnostics (CDx) bezeichnet wird. [2]. In der Arzneimittelentwicklung ist man zunehmend vom „One size fits all“-Konzept abgerückt. Heutzutage liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung spezifischer Therapien und entsprechender CDx-Tests, die den Behandlungserfolg verbessern und Nebeneffekte reduzieren. Innerhalb der F&E-Prozesse im Pharmabereich wurde daher die Forschungsarbeit zur Entdeckung und Validierung geeigneter Biomarker beschleunigt.

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Allein die Anzahl der Forschungspublikationen zum Thema Biomarker ist ein direkter Beweis der intensiven Forschung auf diesem Gebiet. So wurden in den vergangenen 20 Jahren 695.274 Artikel mit der Kategorie „Biomarker” in der öffentlichen Sammlung Pubmed (pubmed.gov) aufgenommen; davon wurden ca. 38 % der Publikationen erst in den letzten fünf Jahren eingereicht. Dieser Aufwärtstrend beschränkt sich nicht auf den Bereich der Open Science, also der frei verfügbaren, „offenen“ Wissenschaft. Das zunehmende Forschungsinteresse spiegelt sich auch in Patentanmeldungen wider: Eine erste Suche nach dem Begriff „biomarker“ (oder „biological marker“) im Anmeldungstitel einer weltweiten Patentdatenbank (z. B. Espacenet.com) lieferte über 10.000 Ergebnisse. Eine spezifischere Recherche im Themengebiet Onkologie ergab, dass dort in den vergangenen fünf Jahren mehr als 2.500 Patentanmeldungen im Bereich Biomarker eingereicht wurden.*

*Stichwortsuche in Patentdatenbank: Es wurde eine stichwortbasierte Suchmethodik verwendet, um die Daten zu Patentanmeldungen innerhalb der letzten fünf Jahre abzurufen. Die Suchbegriffe umfassen Synonyme von Biomarkern im Bereich Diagnose, Therapie, Prognose und Arzneimittelentwicklung. Es wurde gezielt nach Dokumenten gesucht, in denen die Suchbegriffe im Titel, in der Zusammenfassung und in den Schutzansprüchen der Publikationen vorkommen. Darüber hinaus wurde die Suche im Krankheitssegment Onkologie mit Synonymen zu Onkologie/Krebs, die im Titel, in der Zusammenfassung oder in den Ansprüchen erscheinen, eingegrenzt.

Initiativen der Biomarker-Forschung

Was den Erfolgskurs der Biomarker-Forschung sicherlich auch entscheidend vorangetrieben hat, sind die steigenden Kosten im Gesundheitswesen. Diese sind in allen OECD-Ländern schneller gestiegen als das Wirtschaftswachstum, da deren Regierungen meist den Großteil der durch die Bürger verursachten Gesundheitskosten übernehmen [3, 4]. Angesichts der zunehmenden Alterung der Bevölkerung – sowohl in den OECD-Ländern als auch in allen anderen Ländern – stellen nicht übertragbare, chronische Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen und Krebs eine große Belastung für das Gesundheitswesen dar.

Da Biomarker immenses Potenzial entlang des gesamten Krankheitsverlaufs aufweisen, wurde eine Reihe von Initiativen und Konsortien unter staatlicher Leitung ins Leben gerufen, die die Forschung und Entwicklung von Biomarkern erleichtern und beschleunigen sollen. Darunter das Biomarkers Consortium, eine bedeutende biomedizinische Forschungskooperation, die von der Foundation for the National Institutes of Health (FNIH) geleitet wird. Interessenvertreter aus dem gesamten Gesundheitsbereich sowie Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, einschließlich Patientenvertretern und anderen gemeinnützigen Organisationen, sind ebenfalls beteiligt [5, 6]. Das dänische Biomarker-Netz namens „Biomarkers as Emerging Growth Area in Denmark“ ist eine weitere Initiative, die 2015 ins Leben gerufen wurde. Ihr Ziel ist es, Forschung, Entwicklung und kommerzielle Wettbewerbsfähigkeit des dänischen Life-Science-Sektors im Bereich der personalisierten Medizin zu fördern [7].

Weitere wichtige Treiber der Forschungsarbeit in diesem Bereich stellen regulatorische Änderungen zugunsten der Verwendung von Biomarkern in der personalisierten oder „Precision Medicine“ dar [8, 9]. Die Regulierungsbehörden in den USA und der EU aktualisieren fortlaufend die Richtlinien im Bereich der CDx [10]. Der enorme wissenschaftliche und technologische Fortschritt und die Beteiligung wichtiger Interessengruppen weisen eindeutig auf das enorme Potenzial der Biomarker hin, neben neuen Therapeutika eine Schlüsselrolle im gesamten Gesundheitswesen einzunehmen.

Von der Biomarkerforschung zur Kommerzialisierung

Validierte Biomarker spielen eine entscheidende Rolle in der Präventivmedizin, Diagnostik, Therapeutik und Prognostik. Die klinische Validität von Biomarkern wird durch klinische Studien nachgewiesen [11, 12]. In der personalisierten Medizin ist eine breite klinische Validierung unerlässlich, um die Aussagekraft von Biomarkern in der Krankheitsdiagnose und Medikamentenentwicklung zu gewährleisten. Auch Diagnostikunternehmen und pharmazeutische Unternehmen sind in die Prozesse eingebunden, die zur Übertragung von Laborergebnissen in die klinische Anwendung notwendig sind. Ihre Aufgabe ist es, Biomarker-basierte klinische Studien zu konzipieren, zu implementieren und durchzuführen.

Um Erkenntnisse aus der Medizinforschung im Gesundheitssystem anzuwenden, ist also nicht nur die Wissenschaft, sondern letztlich auch die Wirtschaft nötig. Sowohl die so genannte „Open Science“ (Offene Wissenschaft) als auch die Kommerzialisierung von Biomarkern durch Patente spielen eine Schlüsselrolle in der translationalen Medizin. Forscher sehen sich u. U. daher mit einem Dilemma konfrontiert, welchen Weg sie mit ihren Erkenntnissen beschreiten sollen: Einerseits erleichtert Open Science den Zugang zu Informationen und Forschungstools, was Innovationen vorantreibt und wissenschaftliche Finanzierungen kanalisiert. Auf der anderen Seite ermöglichen es Patente, die Forschungsergebnisse in geschäftlichen Erfolg umzuwandeln, indem sie diese schützen. So können die wenigen Produkte, die wirklich den Markt erreichen, gewinnbringend vermarktet werden. Ohne Patente und den daraus resultierenden Gewinnen werden Unternehmen den kostspieligen Innovationskurs nicht fortsetzen.

Wie Biotech-Unternehmen ihre Forschung am besten mit der bereits vorherrschenden Patentlandschaft abstimmen und eigene Patente rechtzeitig sichern, erfahren Sie in einer ausführlichen Fallstudie zur Patentdatenanalyse, die ein Beispiel aus der Biomarker-Entwicklung vorstellt.

Literaturverweise:

  • [1] David C, and Alfonso V, “Big data analytics for personalized medicine,” Current Opinion in Biotech. 58, 161-167, 2019.
  • [2] Jørgensen JT, “Companion diagnostics: the key to personalized medicine,” Expert Rev. Mol. Diagn. 15 (2), 153-156, 2015.
  • [3] OECD, “Policy Issues for the Development and Use of Biomarkers in Health,” OECD Publishing, 2011.
  • [4] OECD, “Fiscal Sustainability of Health Systems: Bridging Health and Finance Perspectives,” OECD Publishing, 2015.
  • [6] Menetski JP, et al., “The Founation for the National Insitutes of Health Biomarkers Consortium: Past Accomplishments and New Strategic Direction,” Clin. Pharmacol. Ther. 105 (4), 829-843, 2019.
  • [7] BioPeople, “Denmark’s Life Science Cluster,” entnommen von der Webseite biopeople.eu.
  • [8] Charity N, et al., “Policies to aid the adoption of personalized medicine,” Nat. Rev. Drug Discov. 13 (3), 159-160, 2014.
  • [9] Lori K, et al., “Paving the road to personalized medicine: recommendations on regulatory, intellectual property and reimbursement challenges,” J Law Biosci. 4 (3), 453-506, 2017.
  • [10] Amanda C, “Personalised medicine with companion diagnostics: The intercept of medicines and medical devices in the regulatory landscape,” EMJ Innov. 1(1), 47-53, 2017.
  • [11] Chau CH, et al., “Validation of analytic methods for biomarkers used in drug development,” Clinical Cancer Research, 14(19), 5967-5976, 2008.
  • [12] Lesko LJ, & Atkinson Jr, AJ, “Use of biomarkers and surrogate endpoints in drug development and regulatory decision making: criteria, validation, strategies,” Annual review of pharmacology and toxicology, 41(1), 347-366, 2001.

* Dr. Aashia Rahman, Dr. Stefan Hofmann, Patev Associates GmbH & Co. KG, 76228 Karlsruhe

* * Dr. Anne Griesbeck, Dr. Christoph Schröder, Sciomics GmbH, 69151 Neckargemünd

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