Ein neuer Mechanismus der Wolkenkeimbildung Das Rezept für Wolken: ein ätzendes Trio
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Wolken entstehen nicht aus dem Nichts – es sind meist winzige Schwebteilchen in der Luft, die Wassermoleküle zu feinen Tröpfchen kondensieren lassen. Einen neuen Mechanismus der Wolkenbildung hat nun ein internationales Forscherteam beschrieben. Dabei spielen drei ätzende Chemikalien eine entscheidende Rolle.

Mainz – Aerosolpartikel sind zwar zu klein, um sie mit bloßem Auge zu sehen, aber groß genug, um in der Atmosphäre das Sonnenlicht reflektieren Außerdem bilden die Schwebteilchen dort zahlreiche kleine Wolkentröpfchen, wodurch Wolken langlebiger sein können. So beeinflussen die Partikel das Klima der Erde. Sie werden beispielsweise von Vulkanen oder durch Luftverschmutzung in Straßenverkehr oder Großindustrie freigesetzt. Eine weitere, sehr bedeutsame Quelle für Wolkenkondensationskeime befindet sich in der oberen Troposphäre in bis zu 15 Kilometer Höhe. Dort ballen sich reaktive Gasmoleküle zusammen und bilden neue Partikel.
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Entstehung organischer Säuren in der Atmosphäre
Wie Ameisensäure in die Wolken kommt
Eine Gruppe von 75 internationalen Forschern hat nun einen neuen Weg entdeckt, wie atmosphärische Aerosolpartikel entstehen. Sie führten dazu Experimente in der Wolken-Kammer „Cloud“ des europäischen Forschungszentrums Cern in der Schweiz durch, in der die Verhältnisse der oberen Troposphäre unter kontrollierten Bedingungen nachgestellt wurden.
Die Untersuchungen zeigen, dass das Zusammenwirken von Salpetersäure (HNO3), Schwefelsäure (H2SO4) und Ammoniak (NH3) Partikel bilden. Was die Wissenschaftler besonders überraschte: Die Partikel bilden sich um Größenordnungen schneller, wenn alle drei Gase vorhanden sind, als wenn eines von ihnen fehlt. Offenbar hängt der Mechanismus von der Verfügbarkeit von Ammoniak ab, einem Spurengas, das v. a. aus der Viehzucht und von Düngemitteln freigesetzt wird.
Wichtigste Wolkenquelle, wenn Ammoniak vorhanden ist
„Die Nukleation, also die Wolkenkeimbildung durch Salpetersäure, Schwefelsäure und Ammoniak scheint die wichtigste Quelle neuer Partikel in Gebieten der oberen Troposphäre zu sein, in denen Ammoniak und andere Vorläufergase effektiv durch Gewitterwolken transportiert und freigesetzt werden“, sagt Jos Lelieveld, Professor am Climate and Atmosphere Research Centers (Care-C) des Cyprus Institutes, und Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie.
Das deckt sich mit Ergebnissen einer kürzlich durchgeführten Studie mit Flugzeugmessungen. Sie hatte gezeigt, dass es in der asiatischen Tropopausen-Aerosolschicht (ATAL), die sich über dem Nahen Osten und einem Großteil Asiens in 12 bis 18 Kilometern Höhe erstreckt, reichlich Ammoniumnitratpartikel gibt. Bislang ging man davon aus, dass Ammoniak durch Regen in den Monsunwolken effizient ausgewaschen wird.
Partikel gelangen in wenigen Tagen von Asien nach Nordamerika
Nach den Untersuchungen in der Wolkenkammer wandelten die Forscher die gemessenen Daten in Parameter um und setzten diese in ein globales Aerosol-Klimamodell ein. Die Simulationen zeigen, dass sich die Partikel bis in die mittleren Breiten der Nordhalbkugel ausbreiten und das Klima unserer Erde auf interkontinentaler Ebene beeinflussen können.
„Obwohl die Ammonium-Nitrat-Sulfat-Partikel lokal gebildet werden, können sie über den subtropischen Jetstream in wenigen Tagen von Asien nach Nordamerika gelangen“, erklärt der Physiker und Klimamodellierer Theodoros Christoudias vom Care-C des Cyprus Institutes. „Dadurch können diese Partikel in einem interkontinentalen Gürtel verweilen, der mehr als die Hälfte der mittleren Breiten der Nordhalbkugel abdeckt.“
Die Versuchs- und Modellierungsergebnisse von Cloud können in die politische Regulierung anthropogener Luftverschmutzung einfließen. Zudem können sie globale Modelle zur Vorhersage künftiger Klimaveränderungen verbessern.
Originalpublikation: Wang, M., Xiao, M., Bertozzi, B. et al. Synergistic HNO3–H2SO4–NH3 upper tropospheric particle formation. Nature 605, 483–489 (2022); DOI: 10.1038/s41586-022-04605-4
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