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Mikroskopie zeigt Start der Transkription im Fischembryo Genomaktivierung „live“ verfolgt

Autor / Redakteur: Andrea Weber-Tuckermann* / Christian Lüttmann

Gene bestimmen zu großen Teilen, wer wir sind. Doch sie sind nur Blaupausen. Ohne Transkriptionsfaktoren, die die Gene übersetzen, wären sie nutzlos. Forscher der Universität Ulm haben nun beobachtet, wie die Transkription zum ersten Mal in Fischembryonen abläuft und was sie in Gang setzt.

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Hellfeldmikroskopische Aufnahme von Zebrabärblingembryonen. Das Bild entstand rund vier Stunden nach der Befruchtung.
Hellfeldmikroskopische Aufnahme von Zebrabärblingembryonen. Das Bild entstand rund vier Stunden nach der Befruchtung.
(Bild: Prof. Gilbert Weidinger)

Ulm – Die DNA gilt als Bauplan des Lebens. Sie trägt all die Informationen in sich, die ein biologischer Organismus braucht, um sich vollends zu entwickeln. Um diese genetisch codierte Information überhaupt nutzen zu können, wird sie im Zellkern in eine Art Protokoll übertragen. Dafür wird DNA in RNA transkribiert, also übersetzt. Die RNA enthält die Anweisungen für die Synthese von Biomolekülen.

Wissenschaftler der Universität Ulm haben nun mithilfe eines speziell entwickelten Fluoreszenzmikroskops „live“ in der Zelle verfolgt, wie der Transkriptionsprozess während der Embryonalentwicklung erstmals in Gang gebracht und damit das Genom aktiviert wird.

Transkriptionsfaktoren – die Übersetzer der Gene

Für ihre Studie haben die Ulmer Forscher in Fischembryonen von Zebrabärblingen die Aktivität und den Bindungsstatus von Transkriptionsfaktoren untersucht. Diese besonderen Proteine binden an die DNA und lösen damit den Transkriptionsprozess aus. Sie sind sozusagen die Übersetzter, die RNA-Abschriften von der DNA machen. Das Ulmer Team aus Biophysikern und Entwicklungsbiologen konnte erstmals diese Übersetzer-Proteine während der Embryonalentwicklung „bei der Arbeit“ beobachten. „Die Embryonalentwicklung gehört zu den faszinierendsten biologischen Prozessen überhaupt. Besonders spannend ist dabei die Frage, wann und wie im Prozess der fortlaufenden Zellteilungen das Genom aktiviert wird“, sagt Prof. Christof Gebhardt, vom Institut für Biophysik an der Universität Ulm.

In der frühen Phase der Embryonalentwicklung ist es die mütterliche Eizelle, die RNA und Proteine bereitstellt. Bis der Embryo selbst seine DNA in RNA transkribiert, dauert es: Die erstmalige Aktivierung des Genoms erfolgt bei Zebrabärblingembryonen erst nach der zehnten Zellteilung – beim Menschen etwas früher. Unbekannt war bislang, wie genau die Genomaktivierung zum aller ersten Mal in Gang gebracht wird.

Zellkernvolumen ist entscheidend für Genomaktivierung

Die Ulmer Biophysiker haben gemeinsam mit Wissenschaftlern aus dem Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Uni Ulm untersucht, wie bestimmte Transkriptionsfaktoren mit der DNA im Zellkern im Laufe der Embryonalentwicklung interagieren. Dabei haben sie herausgefunden, dass das veränderte Volumen des Zellkerns eine Schlüsselrolle bei der Genomaktivierung spielt. „In den frühen Phasen der Embryonalentwicklung teilen sich die Zellen ohne zu wachsen. Das Volumen der Zellkerne wird dadurch kleiner“, erklärt Matthias Reisser, Doktorand am Institut für Biophysik und Erstautor der Studie.

Und der kleinere Innenraum der Zelle ist das entscheidende Detail. Weil sich das Reaktionsvolumen verkleinert, verschiebt sich im Zellkern das physikalisch-chemische Gleichgewicht der Transkriptionsfaktoren hin zum DNA-gebundenen Zustand. Mehr und mehr Übersetzer-Proteine binden also an die DNA und bringen schließlich den genetischen Übersetzungsprozess erstmals zum Laufen. „Erst wenn es richtig eng wird im Zellkern, wird das Genom aktiviert“, betont Entwicklungsbiologe Prof. Gilbert Weidinger vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie.

Lichtblattmikroskopie verfolgt einzelne Moleküle

Um die Transkriptionsfaktoren im Zellkern genau lokalisieren zu können, haben die Forscher mit einer weiterentwickelten Form der Fluoreszenzmikroskopie gearbeitet, der Lichtblattmikroskopie. „Die macht es möglich, einzelne, speziell markierte Biomoleküle in lebenden Zellen sichtbar zu machen und deren Bewegung zu verfolgen“, erläutert der Biophysiker Gebhardt. Das besondere bei dieser Technik: Es wird nur eine dünne Schicht der Probe beleuchtet, was zu einer höheren Sensitivität führt. Außerdem ist das Verfahren so schonend, dass die untersuchten Biomoleküle nicht unter lichtinduziertem Stress leiden und Schaden nehmen. Dadurch ist es möglich, „Single Molecule Tracking“-Aufnahmen in lebenden Organismen zu machen, und damit eben auch Langzeitbeobachtungen während der Embryonalentwicklung.

„Die Ergebnisse unserer Forschung sind grundlegend, um zu verstehen, wie die Genomaktivierung im Zuge der Embryonalentwicklung initialisiert wird. Die am Zebrabärbling gewonnenen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Zellkernvolumen und der Aktivität der Transkriptionsfaktoren können dabei auf andere Spezies wie den Menschen übertragen werden“, sind sich Gebhardt und Weidinger sicher.

Originalpublikation: Matthias Reisser, Anja Palmer, Achim P. Popp, Christopher Jahn, Gilbert Weidinger & J. Christof M. Gebhardt: Single-molecule imaging correlates decreasing nuclear volume with increasing TF-chromatin associations during zebrafish development. Nature Communications Volume 9, Article Number 5218 (2018); DOI: 10.1038/s41467-018-07731-8

* A. Weber-Tuckermann, Universität Ulm, 89081 Ulm

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