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Biogas Industrielles Biogas aus optimierten High-Tech-Fermentern

Autor / Redakteur: Marc Gauert* und Johannes Gescher** et al. / Dr. Ilka Ottleben

Die Gewinnung von Biogas aus Biomasse bedarf des „Zusammenspiels“ einer hochkomplexen mikrobiellen Lebensgemeinschaft in einem luftdicht abgeschlossenen Reaktor. Die verlässliche Steuerung dieses Prozesses ist jedoch bislang kaum möglich. Ein aktuelles Verbundvorhaben will diese Limitationen nun beseitigen.

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Abb. 1: Abbildung der 10L-Elektrobiogasanlage
Abb. 1: Abbildung der 10L-Elektrobiogasanlage
(Bild: Brain)

Die Welt des 21. Jahrhunderts steht vor einer zentralen Herausforderung. Die Frage ist, wie die Weltwirtschaft nachhaltig wachsen kann? Wie lassen sich Ökonomie und Ökologie zielführend verbinden? Wirtschaftliche Abhängigkeiten und politische Unsicherheiten sind vorprogrammiert. Um mittelfristig von teuren Energieimporten unabhängig zu werden, bedarf es einer Neuausrichtung der industriellen Energiegewinnung.

Biologisierung der Energie­gewinnung

Eine Biologisierung der Energiegewinnung durch die konsequente Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen stellt dabei einen Schwerpunkt der bundesdeutschen Forschung und Entwicklung dar und ist auch Teil der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030. Um nicht in Konkurrenz mit der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln zu gelangen, setzt Brain in Kooperation mit akademischen und industriellen Partnern klar auf die Optimierung der Verwertung von Abfallströmen wie Pflanzenresten, Holzabfällen und Gülle, die unter Verwendung mikrobieller Konsortien zu Biogas umgesetzt werden.

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Biogas ist hierbei das wohl einflussreichste Standbein der Bioenergiegewinnung in Deutschland. Es ist die Energiequelle für mehr als 50 % der aus Biomasse erstellten elektrischen Energie in der Bundesrepublik Deutschland. Zumeist wird das Bio-Methan direkt vor Ort in Blockheizkraftwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Der verbleibende organische Rest im Biogas-Fermenter kann als Dünger auf die Felder der Landwirte ausgebracht werden. Der regionale Stoffkreislauf ist somit geschlossen. Überschüssiges Bio-Methan kann darüber hinaus ins nationale Erdgasnetz gespeist werden und ist speicherbar.

Biogas – Eine Energiequelle der Zukunft?

Ende 2012 waren in Deutschland rund 8000 Biogasanlagen (2011: 7200) mit einer installierten Anlagenleistung von über 3000 MW in Betrieb. Damit ersetzen die Biogasanlagen in Deutschland mehr als zwei Atomkraftwerke und versorgen über fünf Millionen Haushalte mit 24 Milliarden Kilowattstunden Strom. Allein in Deutschland arbeiteten in der Biogas-Branche 2013 etwa 40 000 Mitarbeiter, die insgesamt 6,6 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafteten. Die deutsche Branche fungiert dabei als Innovator. Etwa 40 % des Umsatzes wurden mit Auslandsgeschäft erwirtschaftet.

Die biochemische Konversion von Biomasse (z.B. Holzabfälle, Energiepflanzen oder tierische Exkremente) zu Biogas ist ein überaus komplexer Vorgang, der eine hoch diverse mikrobielle Lebensgemeinschaft bedingt. Die Komplexität dieser Lebensgemeinschaft in einem luftdicht abgeschlossenen Reaktor schließt bisher eine verlässliche Steuerung des Fermentationsvorgangs weitgehend aus, was eine großtechnische industrielle Nutzung der Technologie limitiert. Neben der fehlenden Regelungsmöglichkeit ist der initiale, sehr langsame, und damit geschwindigkeitsbestimmende Aufschluss der polymeren Biomasse (z.B. Holz, Stroh) zu vergärbaren Monomeren eine weitere Limitation.

Im nachfolgend beschriebenen Verbundvorhaben werden diese Limitationen angegangen, indem zum einen eine Regelungstechnik für die Biogasherstellung etabliert wird, die den Biogas-Fermenter kontinuierlich in optimalen Biomasseumsatzraten halten soll und zum anderen eine verbesserte Hydrolyse über die vor-Ort-Produktion hydrolytischer Enzyme erfolgt.

Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ESE-Biogas

Die Abkürzung des Vorhabens ESE-Biogas, welches vom BMBF in dem Programm „Bioenergie – Prozessorientierte Forschung und Innovation“ (BioProFi) anteilig gefördert wird, steht für Elektrogenese, Sensorik und Exoenzym-basierte Stabilitäts- und Effizienzsteigerung in der Biogasproduktion. Erreicht werden soll das durch Erweiterung bestehender Biogasreaktoren um drei Module. Die drei Module beschäftigen sich allesamt damit, den komplexen Prozess verlässlich steuern zu können und die zurzeit langwierige Konversion von Biomasse zu Biogas zu beschleunigen.

Effizienz-begrenzend für die Biogasproduktion ist der initiale enzymatische Angriff auf Polymerverbindungen sowie die Acetogenese. Dies erscheint aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit und chemischen Stabilität der Polymere und wegen der physiologischen Anforderungen, die an die Organismen gestellt werden, logisch. Die durch sie katalysierte Umsetzung von organischen Säuren und Alkoholen verläuft nur dann optimal, wenn der Wasserstoffpartialdruck im Fermenter niedrig genug ist. Überschreitet die H2-Konzentration einen gewissen Schwellenwert, wird die Reaktion endergon und kann somit keine Stoffwechselenergie mehr liefern. Sollte der Reaktionsverlauf hier ins Stocken geraten, so äußert sich dies in einem Anstieg der Konzentration niederer Fettsäuren wie der Propionsäure. Parallel dazu sinkt der pH-Wert des Fermenters. Eine fortlaufende Prozessstörung kann leicht zu einem Umkippen der Biogasanlage führen. Die Biomasse muss in diesem Fall entfernt und der Fermenter vollständig neu angefahren werden – ein langwieriger und kostenintensiver Prozess.

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