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Regulationen und Gesetze Mikroplastik in der Umwelt: Wo kämen wir hin?

Von Silke Haubensak, Michael Sturm, Dennis Schober, Dr. Katrin Schuhen*

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Es gibt wohl kaum einen Ort auf dieser Erde, an dem Mikroplastik nicht zu finden ist. Doch die Gesetzgebung tut sich schwer mit konkreten Maßnahmen. Wie steht es um Regulationen und Gesetze zum Thema Mikroplastik in der Umwelt? Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Status Quo, aktuelle Hemmnisse und Entwicklungen.

Abb. 1: Mikroplastik ist nahezu allgegenwärtig, konkrete gesetzliche Maßnahmen gegen dieses Umweltproblem muss man hingegen suchen.
Abb. 1: Mikroplastik ist nahezu allgegenwärtig, konkrete gesetzliche Maßnahmen gegen dieses Umweltproblem muss man hingegen suchen.
(Bild: © Eric Dale Creative - stock.adobe.com; [M]-LABORPRAXIS)

Mikroplastik findet man überall – in der Luft, im Wasser und in Böden. Konkrete Maßnahmen gegen Mikroplastik findet man, wenn überhaupt, in Nebensätzen und zwischen den Zeilen von Gesetzen und Regularien, die sich mit Kunststoff, Abfall, Abwasser oder Klima- und Umweltschutz befassen. In Deutschland und auf europäischer Ebene.

Die Sammlung und Verwertung von Kunststoffen regeln das Kreislaufwirtschaftsgesetz und das Verpackungsgesetz. Gewerbliche Kunststoffabfälle reguliert die Gewerbeabfallordnung. Verpackungsmüll wird im Rahmen des Verpackungsgesetzes geregelt, das u. a. die Quote von 63 Prozent an Recycling von Kunststoffverpackungen bis 2023 vorgibt [1, 2]. Der Abfallvermeidung widmet man sich in Deutschland im Abfallvermeidungsprogramm, das zwar konkrete Maßnahmen beschreibt, die allerdings nicht verbindlich sind. Umfassende und bindende Regelungen zur Vermeidung von Mikroplastik in der Umwelt fehlen bisher, wenige Ausnahmen ausgenommen [3].

LP-Info: Was ist Wasser 3.0?

Die Wasser 3.0 gGmbH ist ein im Mai 2020 gegründetes Non-profit-Unternehmen, das durch die Verknüpfung von Hightech-Materialien und Lowtech-Verfahren in Verbindung mit systemischer Perspektive neue Wege für den Umwelt- und Gesundheitsschutz in der (Ab-)Wasserreinigung aufzeigt. Im Fokus stehen flexible, kosten- und energieeffiziente Lösungen für die Entfernung von Mikroplastik und Mikroschadstoffen aus Wässern. Dazu gehören zum ersten Mal auch Detektionsverfahren und Weiterverwendungskonzepte. Entsprechend des Selbstverständnisses als Sustainability Entrepreneur handelt die Wasser 3.0 gGmbH Sektoren-übergreifend mit dem Ziel, messbare Beiträge zu den UN-Nachhaltigkeitszielen in den Bereichen verantwortungsbewusste Forschung, Green Innovation und nachhaltige Bildung zu leisten.

Ohne Daten keine Handlungsgrundlage

In den vergangenen Jahren wurden auf deutscher und europäischer Ebene viele Millionen Euro in Forschungsprojekte investiert, um Wissenslücken über Eintragspfade, Verteilungswege und Auswirkungen von Mikroplastik in der Umwelt zu schließen. Erst vor einigen Monaten (April 2021) fand die Abschlusskonferenz des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Forschungsprojekts „Plastik in der Umwelt“ statt [4]. In diesem Rahmen wurde u. a. ein Statusbericht zu Detektionsverfahren von Mikroplastik veröffentlicht, der die dringend benötigte Standardisierung der Datenerhebung ein gutes Stück weiterbringen dürfte.

Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin, und keiner ginge mal nachsehen, wo man hinkäme, wenn man hinginge.

Kurt Marti, Schriftsteller

Auch Analytik-Labore arbeiten, unterstützt mit weiterer staatlicher Förderung, daran, die Nachweismöglichkeiten zu verbessern, d. h. sie v. a. schneller und günstiger zu machen. Damit könnte zeitnah, so ist es zu wünschen, ein langfristiges vergleichendes Monitoring und die Ermittlung von Auswirkungen auf Umwelt und Menschen ermöglicht werden. Derart validierte Zahlen sind eine wichtige Handlungsgrundlage, um auf politischer Ebene Gesetze ohne langwierige Übergangsfristen und definitorische Grauzonen einzuführen, die die unkontrollierten Eintrags- und Verteilungswege von Mikroplastik in die Umwelt wirksam durchbrechen.

Mikroplastik wahrgenommen als Umweltproblem

Kunststoffe und Plastik gelten offiziell nicht als Gefahrenstoffe, Mikroplastik zählt nicht zu den Mikroschadstoffen. Gleichwohl gefährden und zerstören sie das Gleichgewicht unserer Ökosysteme, Artenvielfalt und unsere Gesundheit. Plastik und Mikroplastik sind als Umweltproblem und Klimabedrohung mittlerweile auf breiter Front anerkannt. Ausreichend Druck, dass Politik, Industrie und Wissenschaft sich dem Thema lösungsorientiert stellen, ist vorhanden. 83 Prozent der Deutschen lehnen Mikroplastik ab. 87 Prozent der Bürger in Europa sind besorgt über die Umweltfolgen von Plastik [5, 6].

Tatsächlich verdichten sich langsam die Anzeichen für die Verabschiedung konkreter Maßnahmen. Die Komplexität jedoch ist immens, die Herangehensweisen sind vielfältig und die Interessenslagen hinter Vorsorge-, und Verursacherprinzip, Produzenten- und Herstellerverantwortung höchst unterschiedlich. Laufen wir auch in Sachen Mikroplastik Gefahr, zu langsam und zu kleinteilig auf ein erkennbar voranschreitendes, globales Umweltproblem zu reagieren?

Mikroplastik in der REACH-Verordnung

Ein Verbot für Mikroplastik könnte es in Kürze geben. Jedoch lediglich für einen Teil des Mikroplastiks. Der Begriff Mikroplastik bezieht sich auf die Gesamtheit aller synthetischer Kunststoffe und deren Erzeugnisse, die eine Größe kleiner als 5 mm besitzen und als Partikel direkt in die Umwelt eingetragen oder indirekt in der Umwelt gebildet werden. In diesem Zusammenhang wird von primärem und sekundärem Mikroplastik gesprochen.

Primäres Mikroplastik unterteilt sich in zwei Arten. Typ A bezieht sich auf Mikroplastik als Chemikalie. Diese Kategorie umfasst die Arten, die direkt zu Produkten (bspw. Körperpflegeprodukte, Putzmittel) zugesetzt werden. Primäres Mikroplastik Typ B umfasst Kunststoffpartikel mit einer Größe kleiner 5 mm, die bei der Nutzung und Verarbeitung von Kunststoffprodukten entstehen und direkt als Mikroplastik in die Umwelt eingetragen werden. Beispiele hierfür sind Kunstrasen, synthetische Kleidung, Reifenabrieb, Farben und Lacke.

Konkrete Maßnahmen, um den Eintrag von Mikroplastik aus gezielten Anwendungen/Produkten, z. B. aus Wasch- und Reinigungsmitteln in aquatische Ökosysteme zu verringern, gibt es bisher kaum. Die Bundesregierung unterstützt lediglich die Verwendung von Labels wie den Blauen Engel. Seit 2015 wird dieser nicht mehr für Wasch- und Reinigungsmittel vergeben, die Mikroplastik enthalten. Seit 2017 ist auch die Erteilung des EU-Ecolabels für Wasch- und Reinigungsmittel mit Mikroplastik ausgeschlossen [7].

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Ein weiterer Meilenstein könnte erreicht werden, wenn der absichtliche Zusatz von primärem Mikroplastik in die REACH-Verordnung (Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe) aufgenommen wird. 2017 bat die Europäische Kommission die Europäische Chemikalienagentur ECHA um eine Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, damit regulatorische Maßnahmen auf EU-Ebene getroffen werden, die bewusst zugesetztes Mikroplastik in Produkten betreffen [8].

Im Januar 2019 schlug die ECHA eine weitreichende Beschränkung von Mikroplastik in Produkten vor. Eine Entscheidung hierzu steht an, ebenso der wohl positive Bescheid. Der von der ECHA vorgelegte Vorschlag geht von der Vermeidung von 500.000 Tonnen Mikroplastik über einen Zeitraum von 20 Jahren aus. Das würde z B. bedeuten, dass für alle Kunststofftypen unabhängig von Form (Pulver, Granulat, Gries, etc.), Molekulargewicht und Dichte der Einsatz als primäres Mikroplastik verboten wird. Wie wirksam die REACH-Verordnung gegen die weitere Verteilung von Mikroplastik in der Umwelt sein kann, wird von definitorischen Feinheiten abhängen.

Der Versuch eines großen Wurfs

Seit 2018 gibt es in der EU die Kunststoffstrategie, im Rahmen derer versucht wird, Maßnahmen zur Reduktion von Plastikeinträgen in die Umwelt gebündelt anzugehen [9]. Zusätzlich greift die Kunststoffstrategie Überlegungen und Ziele auf, wie die Unmengen an Kunststoffen, die wir produzieren und verwenden, nicht länger in unseren Meeren landen und unsere Ökosysteme und Gesundheit belasten. Dazu soll verstärkt auf Recycling gesetzt werden, weniger Kunststoffabfall exportiert werden sowie Kunststoffprodukte – ebenso wie bioabbaubare Kunststoffe – hinsichtlich ihrer ökologischen Auswirkungen gekennzeichnet werden.

Abb. 2: Einwegkunststoffartikel im Meer
Abb. 2: Einwegkunststoffartikel im Meer
(Bild: Wasser 3.0; Quelle: EU-Kommission 2017)

Ein erster Meilenstein der Kunststoffstrategie wurde im Juli 2021 mit in Krafttreten der Einwegplastik­richtlinie erreicht [10]. Seither ist der Verkauf von Einwegbesteck aus Kunststoff (Gabeln, Messer, Löffel und Essstäbchen), Einweg-Plastiktellern, Strohhalmen aus Plastik, Wattestäbchen aus Kunststoff, Haltestäben für Luftballons, Fast-Food-Behältern aus expandiertem Polystyrol sowie Produkten aus oxo-abbaubaren Materialien wie Beutel oder Verpackungen verboten. Sie werden besonders häufig im Meeresmüll gefunden und wurden daher politisch als Handlungsfeld identifiziert. Die Einwegplastikrichtlinie soll ihren Beitrag zur Reduzierung des so genannten sekundären Mikroplastiks (= Mikroplastikpartikel, die durch langsamen Zerfall großer Plastikteile in der Umwelt entstehen) leisten. Kurz gesagt geht es darum, dass je weniger Makroplastik in die Umwelt gelangt, desto weniger entsteht auch Mikroplastik. Gleichwohl gäbe es noch deutlich mehr Handlungsbedarf, betrachtet man die Zusammensetzung des Meeresmülls genauer. (s. Abb. 2)

Die Kunststoff-Regulierung im Rahmen der EU-Kunststoffstrategie könnte zukünftig in die Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser einfließen. In die, unter diese Richtlinie fallenden, kommunalen Kläranlagen gelangen neben Mikroplastik aus Haushalten auch erhebliche Mengen an indus­triellem Abwasser, das verschiedene chemische Schadstoffe enthält [11]. Insgesamt führt die Behandlung nach dieser Richtlinie zwar zu einer gewissen Verringerung der gesamten Schadstofffracht im Abwasser, sie ist aber nicht unmittelbar darauf ausgerichtet. In einigen Ländern findet bereits eine zusätzliche Behandlung statt; so müssen etwa in der Schweiz die prioritären Kläranlagen Mikroverunreinigungen bis zum Jahr 2040 eliminieren.

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