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Quantenzustand in Kunstdiamanten gemessen Perfekt fehlerhafte Diamanten für Quanten-PCs

Autor / Redakteur: Paulina Parvanov* / Christian Lüttmann |

Diamanten sind nicht nur als Schmuck begehrt, sondern auch von Quantenphysikern. Denn mit künstlich hergestellten Diamanten lassen sich besondere Experimente durchführen. So haben Forscher der Universität Ulm nun den Quantenzustand eines Qubits in Diamanten gemessen. Ein Schritt zu leistungsstarken Quantencomputern.

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Künstlicher Diamant, wie er in den Quantenwissenschaften zum Einsatz kommt
Künstlicher Diamant, wie er in den Quantenwissenschaften zum Einsatz kommt
(Bild: Heiko Grandel / Uni Ulm)

Ulm, Wien/Österreich – Quantentechnologie gilt als die Technologie der Zukunft. Die wesentlichen Bausteine für Quantengeräte sind Qubits, also kleinste Informationseinheiten in Form von Zweizustands-Systemen. Im Gegensatz zu den klassischen Bits heutiger Computer können Qubits viel mehr Informationen verarbeiten und bieten daher das Potenzial für Computer mit nie dagewesener Rechenkapazität. Wissenschaftler aus aller Welt suchen nach dem besten Weg, solche Qubits herzustellen und sie gemäß der Quantengesetze zu Recheneinheiten miteinander zu verbinden.

Die meisten Qubits, die bisher gebaut wurden, basieren auf supraleitenden elektronischen Schaltungen. Diese Schaltkreise haben jedoch einen großen Nachteil: Sie arbeiten nur bei kryogenen Temperaturen um -273 °C. Diese Temperaturen aufrechtzuerhalten ist apparativ aufwändig und entsprechend teuer. Eine alternative Lösung präsentieren nun Quantenphysiker der Universität Ulm. „In einem internationalen Forschungsprojekt ist es uns erstmals gelungen, Qubits in Kunstdiamanten herzustellen, die auch bei Raumtemperatur betriebsfähig sind und elektrisch ausgelesen werden können“, sagt Professor Fedor Jelezko, Leiter des Instituts für Quantenoptik.

Gezielte Fehler im perfekten System

Die Diamanten, in denen die Qubits realisiert wurden, sind extra für die Quantenforschung hergestellt. Unter großem Druck und hoher Temperatur werden sie aus Kohlenstoff gepresst und sind dank der kontrollierten Laborbedingungen extrem rein. Doch obwohl die Forscher perfekte Diamanten herstellen könnten, die ausschließlich aus Kohlenstoffatomen bestehen und keine Verunreinigungen aufweisen, bauen sie absichtlich Fehler in das Diamantgitter ein.

Denn um ein Qubit zu erzeugen, müssen zwei Atome aus dem Gitter entfernt werden. Eines davon ersetzen die Forschenden durch ein Stickstoffatom, das andere hingegen wird gar nicht ersetzt. Es hinterlässt eine Leerstelle, auch Vakanz genannt. Die Kombination von Stickstoffatom und Vakanz bildet ein so genanntes NV-Zentrum – und das ist das Spin-Qubit. Um Qubits in Diamant herzustellen, muss der Anteil an Störstellen im ansonsten perfekten Atomgitter sehr präzise eingestellt sein. Unter Zehn Milliarden Teilchen darf nur eine Verunreinigung sein.

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Herstellung synthetischer Diamanten und Farbigkeit der Schmucksteine

Synthetische Diamanten werden z.B. in Hydraulikpressen bei bis zu 60.000 bar und über 1500 °C aus Graphitpulver gepresst. Unter diesen Bedingungen ist nicht mehr Graphit, sondern Diamant die thermodynamisch stabilste Form des Kohlenstoffs. Die erhaltenen synthetischen Diamanten erreichen eine Perfektion, wie sie in der Natur nicht vorkommt. Dies erlaubt es Wissenschaftlern, gezielt Verunreinigungen in das Atomgitter einzubauen. So können sie die physikalischen Eigenschaften des Steins manipulieren, z.B. die Farbigkeit.

In natürlich entstandenen Diamanten sorgen winzige Einschlüsse und Verunreinigungen im Gitter für leichte Farbnuancen. Sind genug Fremdatome in das Diamantgitter eingebaut, kann dies sogar zu deutlich gefärbten Diamanten führen. So bewirkt Stickstoff einen kanariengelben Farbton während das Element Bor eine Blautönung hervorruft. Derartig farbige Diamanten („Fancy Diamonds“) sind jedoch noch einmal um einiges seltener als die klassischen farblosen Diamanten.

Vorteile der Diamant-Qubits

Da diese Diamant-Qubits bei Raumtemperatur funktionieren können, lassen sie sich viel einfacher in technologische Anwendungen, z.B. Quantensensoren, umsetzen. Dafür musste bisher eine aufwändige optische Messung angewendet werden, für die man starke Mikroskop-Objektive und teure Einzelphotonen-Detektoren brauchte.

Den Forschern ist es nun gelungen, den Quantenzustand eines einzelnen Qubits elektrisch zu messen. Sie nutzten dafür Photoelektronen, die durch optische Anregung erzeugt werden. Deren Anzahl hängt vom Zustand des Qubits ab, und lässt sich verhältnismäßig einfach durch eine elektrische Widerstandsmessung erfassen. Diese Methode ist den Quantenphysikern zufolge nicht nur praktikabel, sie verspricht auch wesentlich schneller zu sein. Dies ist besonders für Quantensensorik ein sehr wichtiger Vorteil.

Sensoren im Chip-Format möglich

Mit dem Nachweis von Qubits im Kunstdiamanten ist die Wissenschaft dem Thema Hightech-Anwendungen einen guten Schritt näher gekommen: „Mit dieser Methode werden kompakte, extrem empfindliche Quantensensoren im Chip-Format denkbar, mit möglichen Anwendungen u.a. in Grundlagenforschung, Materialanalyse, und Biochemie“, sagt Michael Trupke, Ko-Autor der Studie von der Universität Wien. Zudem könnte die Methode auch die Messung von Qubits in einem Diamant-Quantencomputer verbessern und beschleunigen.

Originalpublikation: P. Siyushev, M. Nesladek, E. Bourgeois, M. Gulka, T. Yamamoto, M. Trupke, T. Teraji, J. Isoya, F. Jelezko: Photoelectrical imaging and coherent spin-state readout of single nitrogen-vacancy centers in diamond. Science, Vol. 363, Issue 6428, pp. 728-731; DOI: 10.1126/science.aav2789

* P. Parvanov, Universität Wien, 1010 Wien/Österreich

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