Arzneimitteltherapie und TDM Therapeutisches Drug Monitoring: Arzneimittel individueller einsetzen
Die Therapie mit Arzneimitteln wird fast immer durch den gewünschten Effekt gesteuert. Tritt dieser ein, so wird die Therapie für richtig befunden und fortgesetzt. Doch was tun, wenn der Effekt schlecht messbar ist? Oder die Zeit drängt? Ein Lösungsansatz ist das Therapeutische Drug Monitoring (TDM).
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Im Großteil aller klinischen Situationen wird ein Medikament eingesetzt, um einen gewissen Zustand herbeizuführen oder zu beenden. Die Wahl des Medikaments und der Dosierung richtet sich dabei im Idealfall nach den besten verfügbaren wissenschaftlichen Beweisen. Wird der gewünschte Effekt nicht oder nur teilweise erreicht, ist ein Wechsel des Wirkstoffs oder das Anpassen der Dosierung der nächste Schritt. Dieser Prozess aus Abgleich zwischen gewünschtem und erreichtem Effekt mit anschließender Korrektur wird so lange wiederholt, bis das Ergebnis akzeptabel ist. Ein solches Vorgehen mag in den meisten Fällen praktikabel sein, ist aber schwer oder sogar unmöglich durchzuführen, wenn der Effekt schlecht messbar ist oder die Zeit für ein „Herantasten“ an die richtige Dosierung fehlt.
Unsichtbarer Effekt?
Ein schlecht messbarer Effekt ist z.B. das Verhindern von epileptischen Anfällen. Schließlich muss eine monatelange Anfallsfreiheit nicht unbedingt auf die Behandlung zurückzuführen sein, sondern kann mit Umweltfaktoren wie reduziertem Stress assoziiert sein. Hinzu kommt, dass Epilepsie häufig in der Kindheit diagnostiziert wird. Die Therapie wird begonnen und auf den jungen Menschen zugeschnitten. Beim Heranwachsen des Patienten verändern sich die Art und Weise, wie der Körper mit den Arzneistoffen umgeht. Die gleiche Menge Wirkstoff muss sich auf mehr „Mensch“ verteilen, die wirksame Konzentration sinkt. Solche Änderungen in der Pharmakokinetik sind für den individuellen Patienten schlecht vorherzusagen, da sie von Umweltfaktoren wie Ernährung oder Begleitmedikation, dem Arzneistoff selbst und von physiologischen Kenngrößen wie Gewicht, Körpergröße und genetischen Einflüssen abhängen können [1].
Wenn jede Minute zählt
Ein Szenario, in dem die Zeit drängt, ist die Behandlung von schweren Infektionskrankheiten. Jede Minute zählt. Die antibiotische Behandlung muss sofort passen. Das gilt insbesondere für die Auswahl der Wirkstoffe, als auch für eine angebrachte Dosierung. Physiologische Parameter wie die Ausscheidung und die Verteilung von Arzneistoffen im Körper weichen bei diesen Patienten allerdings stark von gesunden Menschen ab, nähern sich jedoch im Verlauf der Genesung wieder den Werten eines Gesunden an. Hat der Patient in dieser Situation zu wenig Antibiotikum im Blutkreislauf, können sich die Bakterien ungehindert vermehren und eine gefährliche Situation lebensbedrohend werden lassen. Im schlimmsten Fall „gewöhnen“ sich die Erreger an die subtherapeutischen Spiegel und werden damit gegenüber dem Antibiotikum resistent. Dieses wirkt dann auch bei adäquater Dosierung nicht mehr. Liegen die Wirkstoffe umgekehrt aber in viel zu hoher Menge im Körper vor, können schwere Nebenwirkungen die Folge sein. Ein Balanceakt.
Der schmale Grat
Das sind nur zwei von zahlreichen Situationen, in denen die Behandlung mit Arzneistoffen einen gewissen „Blindflug“ darstellt. Oft gelingt er, manchmal auch nicht. Ein Lösungsansatz ist das therapiebegleitende Bestimmen der Blut- oder Plasmaspiegel der Wirkstoffe, das so genannte Therapeutische Drug Monitoring (engl. therapeutic drug monitoring, TDM). Dabei wird der Arzneistoffspiegel im Blut oder Plasma des Patienten gemessen und die Dosierung aufgrund von Erfahrungswerten entsprechend korrigiert bis die gemessenen Werte in einem Korridor zwischen minimal nötiger und maximal tolerierter Konzentration liegen (s. Abb. 2). Dieses Vorgehen setzt wiederum voraus, dass dieser Korridor, der so genannte therapeutische Bereich bekannt ist und vorhergesagt werden kann wie der individuelle Patient auf die Dosisanpassung reagiert. Das Messen dieser Medikamentenspiegel ist heute dank sensitiver LC-MS/MS-Methodik problemlos möglich. Die entscheidenden Fragen sind: Wie kommt man ohne viel Aufwand (für den Patienten aber auch für ärztliches/pflegerisches Personal) an das Material sprich Blut oder Blutplasma und wie interpretiert man die erhaltenen Messwerte zeitgemäß?
Trockenblutanalytik
Eine lange praktizierte Technik, wie man Blutproben minimalinvasiv gewinnt, ist der so genannte Dried Blood Spot (DBS). Dabei wird (meist Kapillar-) Blut auf ein Trägerpapier getropft und trocknen gelassen. Dies ist bei entsprechender Anweisung auch durch den Patienten selbst möglich. Der so erhaltene DBS wird dann mitsamt Trägermaterial zum Labor geschickt und analysiert. Der DBS wird seit Mitte des 20. Jahrhunderts beim Neugeborenenscreening zur Diagnose der Phenylketonurie, eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, durchgeführt (Guthrie-Test) [2]. Diese Technik hat allerdings einen entscheidenden, häufig diskutierten Nachteil: Damit auch tatsächlich eine Arzneistoffkonzentration bestimmt werden kann, muss das aufgetragene Blutvolumen bekannt sein.
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