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SPECIAL DETEKTION Überführungsspannung bei pH-Messungen

Autor / Redakteur: Ralf Degner* / Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Die Überführungsspannung entsteht am Diaphragma der Bezugselektrode bei jeder potentiometrischen pH-Messung und beeinflusst das Messergebnis. Der Artikel gibt praktische Hinweise, wie der Einfluss der Überführungsspannung am Beispiel von Trinkwasserproben abgeschätzt werden kann.

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Die Überführungsspannung entsteht am Diaphragma der Bezugselektrode bei jeder potentiometrischen pH-Messung und beeinflusst das Messergebnis. Für praktische Messungen bleibt dieser Einfluss bisher in der Regel unberücksichtigt. Für die Angabe der Unsicherheit der Messwerte ist die Überführungsspannung aber oftmals eine nicht zu vernachlässigende Größe. Der folgende Artikel gibt praktische Hinweise, wie der Einfluss der Überführungsspannung am Beispiel von Trinkwasserproben abgeschätzt werden kann.

Der pH-Wert ist in der Regel das Ergebnis einer potentiometrischen Messung mit einer pH-Glaselektrodenmesskette. Diese Messkette besteht aus einer Glaselektrode und einer Referenzelektrode mit konstantem Potenzial. Ein wichtiger Teil der Referenzelektrode ist die Kontaktstelle zwischen Referenzelektrolytlösung (bzw. -gel) und Probe. Diese Überführung [ auch Diaphragma (engl. „junction“) genannt ] garantiert, dass die Referenzelektrode elektrolytischen Kontakt mit der Messlösung hat. Abhängig von der Konzentration und Beweglichkeit der Ionen des Referenzelektrolyten und der Messlösung bildet sich ein Konzentrationsgradient innerhalb oder außerhalb des Diaphragmas aus, Ionen diffundieren in die Probe und umgekehrt.

Die an der Überführung entstehenden Diffusionspotenziale sind ein unbekannter Anteil der Messkettenspannung. Die Konstruktion und der Zustand des Diaphragmas, sowie die Arbeitsbedingungen haben großen Einfluss auf die Größe der Überführungsspannung. Der Anteil des Überführungspotenzials an der Messkettenspannung hängt von folgenden Einflüssen ab:

- Gedächtniseffekt: Werden Proben unterschiedlicher Zusammensetzung und Konzentration hintereinander gemessen, so sammeln sich die Ionen der einzelnen Lösungen in unbekannter Konzentration in der Überführung an und diffundieren mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durch das Diaphragma.

- Anströmverhalten: Das an der Kontaktstelle des Referenzelektrolyten und der Probe in der Überführung entstehende Konzentrationsgefälle ist abhängig von der Geschwindigkeit, mit der die Probe an der Überführung vorbeifließt. Durch veränderte Anström- oder Rührbedingungen ändert sich der Wert für die Überführungsspannung.

- Verschmutzungen: Schmutzablagerungen behindern den Ausfluss des Referenzelektrolyten aus dem Diaphragma und erzeugen ein erhöhtes Überführungspotenzial. Sie erzeugen unter Umständen noch zusätzliche Potenziale, die zur Messkettenspannung beitragen.

- Der Beitrag der Überführungsspannung zur Messkettenspannung hängt auch von physikalischen Einflüssen, wie Temperatur, Druck und Viskosität, die durch die Arbeitsbedingungen während der Messung bestimmt werden, ab. Eine näherungsweise Berechnung der Überführungsspannung ist nur für sehr einfache Lösungen z. B. mit Hilfe der Henderson Gleichung möglich [1].

Praktische Behandlung der Überführungsspannung

Es ist daher sinnvoll, durch die folgenden Maßnahmen die Überführungsspannung für praktische Messungen zu minimieren:

- Referenzelektrolyte, die aus Ionen mit einer möglichst gleichen Diffusionsgeschwindigkeit bestehen, minimieren den Wert für die Diffusionsspannung. Üblicherweise handelt es sich dabei um Kaliumchlorid da die Diffusionsgeschwindigkeiten der Kaliumionen: 7,61 x 10-4 cm2s-1V-1 und der Chloridionen: 7,91 x 10-4 cm2s-1V-1 sehr ähnlich sind [1].

- Die Konzentration des Referenzelektrolyten soll im Verhältnis zur Ionenkonzentration der Probe hoch sein. In diesem Fall stellen die Ionen des Referenzelektrolyten den wesentlichen Anteil der Überführungsspannung. In der Praxis beträgt die Kaliumchloridkonzentration der Referenzelektrolyt-Lösungen daher mind. 3 mol/l. In der Tabelle 1 sind Beispiele für Überführungsspannungen in unterschiedlichen Lösungen und mit Kaliumchlorid als Referenzelektrolyten in unterschiedlicher Konzentration, die mit der Henderson Gleichung berechnet wurden, zusammengestellt [3]. Es zeigt sich deutlich, dass die Diffusionsspannungen bei höheren Kaliumchloridkonzentrationen der Referenzelektrolytlösung geringer sind. Bei einer gut durchlässigen Überführung gelangt der Hauptteil der Ionen durch Ausfließen und nicht durch Diffundieren in die Messlösung.

- Die Probe und die zum Kalibrieren der Messkette verwendeten Referenzpuffer (Standards) sollten eine vergleichbare Konzentration (Ionenstärke) aufweisen. Trotz all dieser Maßnahmen können, abhängig von der Probe, den Messbedingungen und der Messkette, Überführungsspannungen auftreten. Ihr Anteil an der Messkettenspannung ist unbekannt und kann zur Unsicherheit des pH-Wertes beitragen (Tabelle 1).

Unsicherheit der ÜberführungsspannungDer Begriff „Unsicherheit“ hat in der Analytik genau die gleiche Bedeutung wie im allgemeinen Gebrauch: Der wahre Wert für das Messergebnis kann an jeder Stelle innerhalb eines abschätzen Intervalls liegen.Um den Betrag der Unsicherheit des Messergebnisses abschätzen zu können, sind quantitative Aussagen zu den einzelnen Einflüssen auf das Messergebnis notwendig. Der Schätzwert für die Überführungsspannung ergibt sich nach folgender Gleichung:Ux = UHCl-U0-(pH-7) · k´Ux: Schätzwert für die ÜberführungsspannungUHCl: Messkettenspannung in der SalzsäureU0: Offsetspannung der pH-MesskettepH: pH der Lösungk´: Praktische Steilheit der pH-MessketteDie Werte für die Offsetspannung und die Steilheit ergeben sich aus der Kalibrierung mit pH-Referenzpufferlösungen. Der Wert für die Steilheit sollte nahe 100% liegen.Als Prüflösungen eignen sich z.B. verd. Salzsäure und Kaliumhydroxidlösung, deren pH-Werte der Literatur entnommen werden können und deren Konzentration durch Messung der Leitfähigkeit leicht überprüft werden kann.Dieser Wert kann direkt als Schätzwert für alle Wässer verwendet werden, bei denen kleinere Werte für die Diffusionsspannung zu erwarten sind.

Vergleich gegen eine PrüfreferenzelektrodeEine Vergleichsmessung von gebräuchlichen Elektroden mit Referenzelektrolytgelen oder Keramikdiaphragmen in den Wasserproben ist durch eine Vergleichs-messung gegen eine Prüfreferenzelektrode möglich.Dieses Verfahren ist nur sinnvoll, sofern die Prüfreferenzelektrode eine geringere Überführungsspannung hat als die zu prüfende Referenzelektrode (Messkette). Die Prüfreferenzelektrode soll daher gut reproduzierbare Werte liefern und einen möglichst geringen Schätzwert bei der Prüfung in einer Lösung mit bekanntem pH-Wert ergeben. Geeignet ist z. B. eine Referenzelektrode mit gut durchlässiger Überführung (z. B. Schliff) und einer Kaliumchloridreferenzlösung (c >= 3 mol/l).Bei den folgenden Messungen, wird die Spannung der zu prüfenden Referenzelektrode (Messkette) gegen die Prüfreferenzelektrode gemessen. Zunächst erfolgt eine Messung in einer Elektrolytlösung deren Zusammensetzung der Referenzelektrolytlösung der Prüfreferenzelektrode entspricht. Das Ergebnis der Prüfung ist der Spannungswert Uref. Anschließend erfolgt die Messung in den Wasserproben. Der Schätzwert für die Überführungsspannung berechnet sich aus den Messwerten wie folgt:Up = Uw - URefUp: Differenz der Überführungsspannungen zwischen der zu prüfenden Referenzelektrode und der Prüfreferenzelektrode in der Wasserprobe.Uw: Messwert für die Messkettenspannung in der WasserprobeURef: Messwert für die Messkettenspannung in der ElektrolytlösungDer Schätzwert für den Einfluss der Überführungsspannung in der Trinkwasserprobe ergibt sich aus einer Unsicherheitsfortpflanzungsrechnung:

U: Schätzwert für die Überführungsspannung der Messkette in der Wasserprobe.Ux: Schätzwert für die Überführungsspannung der Prüfreferenzelektrode in der Lösung mit bekanntem pH-Wert.Up: Differenz der Überführungsspannungen zwischen der zu prüfenden Referenzelektrode und der Prüfreferenzelektrode in der Wasserprobe. Prüfung verschiedener pH-Messketten in Trinkwasserproben Für drei Messketten wurden die Schätzwerte für die Überführungsspannung an verschiedenen Wasserproben bestimmt.- Messkette I: Referenzelektrode mit Elektrolytlösung- Messkette II: Referenzelektrode mit Elektrolytgel- Messkette III: Referenzelektrode mit ElektrolytlösungBei den in diesem Beispiel geprüften Messketten beeinflusst die Überführungsspannung die Messkettenspannung bei Messungen in Trinkwasserproben um bis zu 9,3 mV (dpH ~ 0,16). Bei Messungen mit der Messkette III wäre lediglich mit Abweichungen von bis zu 8 mV (dpH ~ 0,13) zu rechnen.

Wie bereits diesen Ergebnissen zu entnehmen ist, muss der Einfluss für jede Messkette, in Abhängigkeit von ihrem Zustand und der zu untersuchenden Probe individuell ermittelt werden.Fazit: Der Anteil der Überführungsspannung an der Messkettenspannung sollte durch geeignete Wahl der Messkette und der Messbedingungen gering gehalten werden. Der Einfluss der Überführungsspannung auf die Unsicherheit des pH-Wertes kann durch ein für die Praxis geeignetes Verfahren für die jeweilige Messkette individuell abgeschätzt werden, wie am Beispiel von Trinkwasserproben gezeigt werden konnte. Eine umfassende Betrachtung zur Berechnung der Unsicherheit enthält die zur Zeit in Bearbeitung befindliche Norm DIN 19268.

Danksagung:An dieser Stelle möchte sich der Autor bei Fr. Petra Spitzer für die umfangreiche Unterstützung bei der Erstellung dieses Artikels bedanken.

Literatur:[1] C. H. Hamann, W. Vielstich, Elektrochemie (1998), 3. Auflage, Wiley-VCH, S. 97ff[2] H. G. Galster, pH Measurement, VCH, 1992, S. 32[3] Roger G. Bates, Electrometric pH determinations, John Wiley & Sons Inc. New York, 1964, S. 41

*R. Degner, Appl-System, 82211 Herrsching

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