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HPLC Überlagerte HPLC-Peaks rechnerisch trennen

Autor / Redakteur: Mike Hillebrandt*, Hans-Joachim Kuss** und Stavros Kromidas*** / Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Insbesondere bei komplexen Proben oder Matrices ist es oft nicht möglich, chromatographische Peaks basisliniengetrennt zu eluieren. Mittels Dekonvolution können überlagerte Peaks mit hoher Genauigkeit rechnerisch getrennt werden.

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In der chromatographischen Methodenentwicklung für komplexe Proben können sich Peaks überlagern, sodass die Komponenten nicht mehr quantifizierbar sind und erst separiert werden müssen. Welche Methode der Trennung, d.h. des rechnerischen Auseinanderdividierens von nicht-aufgelösten Peaks, führt nun zur „richtigen“ Integration?

Überlagerte Peaks können nur mit wenigen Methoden abgetrennt werden. Die in der Praxis am häufigsten verwendeten sind die Lotfällung („Drop“) sowie die tangentiale Abtrennmethode („Tangential Skim“), die allerdings nur in Spezialfällen anwendbar ist. Manche Integrationssysteme erlauben zusätzlich die exponentielle („Exponential Skim“) und die Gaussabtrennmethode („Gaussian Skim“). Nachteil: Diese Abtrennmethoden liefern je nach Grad der Überlagerung und Anwendung enorm große Abweichungen zur tatsächlichen Peakfläche. Um den Fehler abzuschätzen, kann mit MS-Excel eine Simulation des vorhandenen Chromatogramms angefertigt werden, bei welchem die Sollflächen jeder Komponente bekannt sind [1]. Diese kann dann in ein Dateiformat umgewandelt werden, das eine Bearbeitung im Chromatographie-Daten-System erlaubt.

Dekonvolution als Alternative

Eine brauchbare Möglichkeit zur Trennung überlagerter Peaks bietet die Dekonvolution. Die Form basisliniengetrennt eluierender Peaks ist bekannt. Sie kann abhängig von der Peaksymmetrie durch verschiedene theoretische Modelle beschrieben werden. Am gängigsten sind das Gausspeakmodell [2] für symmetrische sowie das Exponentially-Modified Gaussmodell (EMG-Modell) [2, 3] für asymmetrische Peaks. Unter Dekonvolution versteht man, bezogen auf überlagerte Peaks, eine Kurvenapproximation über ein mathematisches Modell. Dies bedeutet, dass die Summenkurve eines Chromatogramms mittels theoretischer Peakmodelle wieder in die einzelnen Summanden, d.h. Einzelpeaks der Komponenten, zerlegt wird.

Zur Veranschaulichung wird ein von Arthur W. Westerberg im Jahr 1969 veröffentlichter Report eines chromatographischen Laufs [4] in eine Simulation überführt und anschließend durch die Lotfällung sowie mittels Dekonvolution ausgewertet und die Ergebnisse miteinander verglichen. In der Arbeit beschreibt Westerberg bereits vor etwa 40 Jahren die Nachteile der Lotfällung bei überlagerten Peaks und empfiehlt eine Kurvenanpassung.

Simulation und Kurvenanpassung

Zur Simulation werden die Retentionszeit, die Standardabweichung der Retentionszeit als Peakbreitenparameter und die Fläche benötigt. Die zur Simulation erforderliche Retentionszeit kann direkt aus dem Report entnommen werden. Über die Fläche A und Höhe H kann man unter Verwendung von Gleichung 1, die zur Simulation benötigte Standardabweichung der Peaks berechnen (Formel s. Abb. 3).

Um den Peakflächenfaktor in µV·min zu ermitteln, wird die Fläche, welche in V·s vorliegt, erst in µV·s umgerechnet und dann durch 60 dividiert. Die Parameter werden in die Matrix der Excel-Simulationstabelle eingegeben [5] und ein Rauschen von 10 µV zugefügt. Um die empfohlene Anzahl von 100 Datenpunkten für überlagerte Peaks [5] zu erhalten, sollte die Datensammelrate hier auf mindestens 5 Hz festgelegt werden. Man erhält eine Simulation, welche bei ähnlicher Skalierung, dem von Westerberg publizierten Chromatogramm praktisch identisch ist (s. Abb. 2).

Das erhaltene xy-Diagramm der Simulation wird nun in ein cdf-File (AIA-Format) umgewandelt [5], um es in ein Chromatographie-Daten-System einlesen zu können. Die Bearbeitung der Simulation mit der Lotfällung wurde mit Empower2 (Waters) und dem Apextrack-Integrationsmodus mit Detect Shoulders durchgeführt. Die heute verfügbaren chromatographischen Auswertungsprogramme besitzen die Option der Dekonvolution nicht. Das Programm Peakfit, das von Systat Software vertrieben wird, bietet jedoch die Möglichkeit der Detektion und Separation von Peaks, sowie einer Kurvenapproximation. Die Detektion der Peaks wurde – ähnlich dem Prinzip bei Apextrack – über die Verwendung der zweiten Ableitung der Summenkurve durchgeführt. Die Dekonvolution beruht auf dem Gausspeakmodell.

Abweichungen kleiner ein Prozent

Abbildung 2 zeigt graphisch das Resultat der Bearbeitung chromatographischer Peaks mittels Peakfit. In der oberen horizontalen Hälfte ist die Summenkurve der Simulation zu sehen. In der unteren Hälfte sind die aus der Approximation ermittelten Einzelpeaks mit angegebenen Peakflächen in µV·min aufgeführt. Nun können die aus dem Report von Westerberg erhaltenen und als Soll der Simulation verwendeten Flächenwerte mit den Ergebnissen der Lotfällung sowie der Dekonvolution verglichen werden (s. Tab. 1).

Die in Tabelle 1 rot markierten Peaks sind jene innerhalb der Simulation, die stark überlagert eluieren. So sind Peak 6 und 10 Schulterpeaks mit einer sehr geringen Auflösung. Dies sind die interessanten Stellen des Chromatogramms zur Anwendung und Beurteilung der Abtrennmethoden bzw. der Dekonvolution. Abweichungen zur Sollfläche, die über ein Prozent liegen, sind hellgrau und solche über fünf Prozent dunkelgrau hinterlegt.

Die Abweichung der Peaks, die überwiegend basisliniengetrennt vorliegen, ist bei beiden Methoden nahezu null Prozent. Die geringen Abweichungen resultieren zum Teil aus dem Einfluss des Rauschens. Die Lotfällung liefert deutliche Abweichungen, die bis zu 26 Prozent bei Peak 10 betragen. Gerade die Schulterpeaks besitzen deutliche Abweichungen. Von den neun überlagerten Peaks besitzen sechs höhere Abweichungen als ein Prozent. Von diesen sechs Peaks besitzen wiederum vier Peaks eine Abweichung von über fünf Prozent. Diese Fehler nimmt man bei der Quantifizierung über die Lotfällung in kauf. Weisen überlagerte Peaks jedoch zusätzlich noch ein Tailing auf, führt die Integration durch Lotfällung zu Fehlern in der Peakfläche von mindestens 20 bis 30 Prozent [6].

Bei der Dekonvolution mittels Gauss-peakmodell besitzen alle Peaks eine Abweichung unter einem Prozent. Diese sind sogar nahezu null Prozent, unabhängig davon, ob die Peaks überlagern oder nicht. In Bezug auf alle überlagerten Peaks liefert die Dekonvolution somit deutlich geringere Abweichungen als die Lotfällung.

Ausblick

Die Simulation wurde hier mittels Gauss-peaks erstellt. Oft besitzen Peaks in einem chromatographischen Prozess jedoch nicht diese Form. Auch wurden keine weiteren Parameter betrachtet, die ein Chromatogramm beeinflussen können. So kann ein Basisliniendrift oder auch ein Gradientenlauf vorliegen.

Wie die Dekonvolution mit solchen Einflüssen und mit realen Chromatogrammen fertig wird, erläutert eine derzeit in Vorbereitung befindliche Publikation [6]. Vorwegzunehmen sind die positiven Ergebnisse, die sich unter Anwendung der Dekonvolution erreichen lassen. Gerade im Vergleich zu den vorhandenen Abtrennmethoden wird das hier erzeugte Bild bestätigt und verfestigt.

Literatur

[1] H.J. Kuss, S. Kromidas, “Chromatographie-Gespräch, Wie testet man kommerzielle Integrationssysteme für die HPLC und GC?“, LABO, 09/2006

[2] N. Dyson, ”Chromatographic Integration Methods”, The Royal Society of Chemistry, Second Edition, 1998

[3] J.P. Foley, “Equations for Chromatographic Peak Modeling and Calculation of Peak Area”, Analytical chemistry, 1987, 59, 1984.

[4] A.W. Westerberg, “Detection and resolution of overlapped peaks for an on-line computer system for gas chromatographs”, Analytical chemistry, 1969, 41, 1770.

[5] S. Kromidas, H.-J. Kuss, “Chromatogramme richtig integrieren und bewerten“, Wiley-VCH, 2008

[6] H.J. Kuss and S. Kromidas (Eds) „Quantification in LC and GC – A practical guide to Good Chromatographic Data“, Wiley-VCH, 2009, in Vorbereitung

*M. Hillebrandt, Aventis, 65926 Frankfurt**H.-J. Kuss, LMU München, 80539 München***S. Kromidas,66125 Saarbrücken

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