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Funktionsweise lichtempfindlicher Proteine Wie Pflanzen die Welt sehen

Redakteur: Christian Lüttmann

Menschen und Tiere können sehen, doch auch Pflanzen nehmen Lichtreize wahr. Die dafür zuständigen Proteine hat nun ein Forscherteam aus Gießen und Berlin genauer untersucht und wichtige Erkenntnisse über deren Struktur und Funktionsweise erhalten. Dies könnte helfen, gezielt bessere Nutzpflanzen für höhere Ernteerträge zu züchten.

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Pflanzen haben eine Art „Sehsinn“, mit dem sie Helligkeitsunterschiede wahrnehmen (Symbolbild).
Pflanzen haben eine Art „Sehsinn“, mit dem sie Helligkeitsunterschiede wahrnehmen (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, DaniloFernando / Pixabay )

Gießen, Berlin – Pflanzen nehmen mehr von ihrer Umwelt war, als man meinen könnte. So haben sie sogar eine Art Sehvermögen: Mit speziellen Molekülen – den Phytochromen – registrieren Pflanzen Licht und steuern die Biochemie ihrer Zellen.

Inzwischen weiß man, dass Phytochrome fast ein Viertel des Pflanzengenoms regulieren. Unklar war bislang jedoch, wie Phytochrome genau funktionieren: Wie wird das Licht aufgenommen? Was passiert danach im Molekül, wie wird das Lichtsignal weitergegeben? Diesen Fragen ist die Arbeitsgruppe von Prof. Jon Hughes am Institut für Pflanzenphysiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) nachgegangen.

Phytochrome – die Augen der Pflanzen

Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Berlin hat das Team um Hughes den Phytochromen der Pflanzen einige Geheimnisse entlockt. Phytochrome sind türkisfarbige Proteine, die Licht aus dem (Infra)Rotbereich aufnehmen. Obwohl Pflanzen keine Bilder ihrer Umwelt erstellen können, sind sie mit ihren Phytochromen dennoch fähig, äußerst schwaches Licht wahrzunehmen und sogar Farben zu unterscheiden. Sie erkennen somit Blätter in ihrer Nachbarschaft und können auf Bedrohung von Konkurrenten reagieren.

Den Teams aus Gießen und Berlin ist es jetzt gelungen, die dreidimensionalen Strukturen von verschiedenen pflanzlichen Phytochrom-Molekülen zu entziffern. Darin sichtbar ist das so genannte Bilin-Pigment, welches dafür verantwortlich ist, Photonen – also Licht – aufzunehmen. Wenn es durch Lichtenergie angeregt wird, dreht sich ein Abschnitt des Pigments. Dies ändert die Wechselwirkung mit dem Protein, sodass ein Teil seiner Struktur auseinandergerissen und neu gebildet wird. Dadurch wird in der Pflanze die Weiterleitung der eingehenden Lichtsignale eingeschaltet.

Erkenntnisse könnten Nutzpflanzen verbessern

Gelungen sind die neuen Einsichten zum „Sehvermögen“ der Pflanzen mithilfe von röntgenkristallographischen Messungen am BESSY II-Synchrotron in Berlin. Die Gießener Forscher brachten verschiedene Phytochrom-Moleküle dazu, dass sie in kleinen Tröpfchen mikroskopische, saphir-ähnliche Kristalle bilden. Bestrahlt man diese Kristalle mit hochintensivem Röntgenlicht, erhält man so genannte Diffraktionsmuster. Daraus ließen sich die 3D-Strukturen der Phytochrome errechnen und mithilfe weiterer Informationen Einzelheiten ihrer molekularen Funktionsweise aufklären.

„Mit unserer Grundlagenforschung wollen wir herausfinden, wie Phytochrome funktionieren. Dabei sind wir nun einen großen Schritt weitergekommen, aber es gibt noch eine Menge zu tun“, fasst Hughes zusammen. „Schon heute können wir jedoch mit gentechnischen Methoden das Phytochromsystem von Nutzpflanzen so verändern, dass die Pflanzen besser wachsen und bessere Ernten erzielt werden können.“

Originalpublikation: Nagano et al.: Structural insights into photoactivation and signalling in plant phytochromes, Nature Plants, online veröffentlicht am 4. Mai 2020, DOI: 10.1038/s41477-020-0638-y

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