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Partikelbildung in Straßenschluchten Wie sich Luftschadstoffe in Feinstaub verwandeln

Redakteur: Christian Lüttmann

Wo viele Autos fahren, steigt die Gefahr von Feinstaubbildung. Doch wie genau entstehen die gesundheitsschädlichen Partikel aus den Abgasen? Diesen Prozess hat ein internationales Forscherteam nun in einer Klimakammer nachgestellt und neue Einblicke in die Bildung und das Wachstum der Schwebstoffe erhalten.

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In manchen Großstädten sammelt sich durch hohes Verkehrsaufkommen und ungünstige Wetterlagen Feinstaub bzw. Smog in den Straßen (Symbolbild).
In manchen Großstädten sammelt sich durch hohes Verkehrsaufkommen und ungünstige Wetterlagen Feinstaub bzw. Smog in den Straßen (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, 8385 / Pixabay )

Frankfurt – Wenn in asiatischen Mega-Cities Wintersmog herrscht, sieht die Stadt aus wie in dichten Nebel gehüllt. Nur besteht dieser Nebel nicht aus Wassertröpfchen, sondern aus kleinsten Staubpartikeln, z.B. von Autoabgasen. Doch wie genau entstehen die gesundheitsschädlichen Schwebstoffe?

Ein internationales Team mit Beteiligung von Forschern der Goethe-Universität Frankfurt sowie der österreichischen Universitäten Wien und Innsbruck hat jetzt herausgefunden, dass vor allem Salpetersäure- und Ammoniak-Dämpfe zur Bildung weiterer Feinstaubpartikel beitragen. Salpetersäure und Ammoniak entstehen in Stadtzentren vorwiegend aus Autoabgasen. Die hohe lokale Konzentration der Dämpfe in den Straßenschluchten beschleunigt den Experimenten zufolge das Wachstum winziger Nanopartikel zu stabilen Aerosolpartikel rasant.

Zwei Arten von Feinstaub

Feinstaubpartikel, deren Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer ist, entstehen vorwiegend direkt durch Verbrennungsprozesse zum Beispiel in Kraftfahrzeugen oder Heizungen, man spricht von primärem Feinstaub. Darüber hinaus entsteht Feinstaub auch in der Luft als sekundärer Feinstaub, indem sich Gase aus organischen Substanzen, Schwefelsäure, Salpetersäure oder Ammoniak an winzige Nanopartikel anlagern. Dadurch wachsen Partikel, die einen Teil des Feinstaubs bilden.

Rätselhaft war bisher, wie sich sekundäre Feinstaubpartikel in den Straßenschluchten von Mega-Cities neu bilden können. Berechnungen zufolge sollten sich die winzigen Nanopartikel eigentlich eher an die reichlich vorhandenen größeren Partikeln anlagern als neue Feinstaubpartikel zu bilden.

Straßenatmosphäre in der Klimakammer

Visualisierung von Luft-Austauschprozessen in einer Megacity: Saubere Luft (blau) vermischt sich mit der mit Schadstoffen angereicherten Luft (gelb), die vor allem durch verkehrsbedingte Emissionen auf Straßenniveau ensteht.
Visualisierung von Luft-Austauschprozessen in einer Megacity: Saubere Luft (blau) vermischt sich mit der mit Schadstoffen angereicherten Luft (gelb), die vor allem durch verkehrsbedingte Emissionen auf Straßenniveau ensteht.
(Bild: Neil M. Donahue)

Am Teilchenbeschleuniger CERN in Genf haben Wissenschaftler jetzt in einer Klimakammer Bedingungen der Straßen von Mega-Cities nachgestellt und damit untersucht, wie sekundärer Feinstaub entsteht: In den Straßenschluchten einer Stadt kommt es zu einer lokalen Erhöhung von Schadstoffen. Einerseits wegen der hohen Schadstoffemissionen auf Straßenniveau, andererseits weil es einige Minuten dauert, ehe sich die Straßenluft mit Luft aus der Umgebung mischt. Dies führt dazu, dass sich die beiden Schadstoffe Ammoniak und Salpetersäure in der Straßenluft kurzzeitig stark anreichern. Die hohen Konzentrationen schaffen Bedingungen, unter denen die beiden Schadstoffe an Nanopartikel kondensieren können: An wenige Nanometer großen Kondensationskernen bildet sich Ammoniumnitrat und lässt diese Partikel rasch anwachsen.

„Wir haben beobachtet, dass diese Nanopartikel innerhalb weniger Minuten sehr rasch anwachsen. Sie wachsen teilweise einhundert Mal schneller, als wir dies bisher von anderen Schadstoffen kennen, wie zum Beispiel Schwefelsäure“, erläutert der Klimaforscher Prof. Joachim Curtius von der Universität Frankfurt. „In urbanen Ballungszentren liefert der von uns beobachtete Prozess damit einen wichtigen Beitrag zur Bildung von Feinstaub im Wintersmog. Denn der Prozess läuft nur bei Temperaturen von weniger als etwa plus fünf Grad Celsius ab“. Bei wärmeren Bedingungen seien die Teilchen zu flüchtig und könnten daher keinen Beitrag zum Wachstum liefern, wie die Forscher erklären.

Ähnliches Prinzip auch bei Wolkenbildung

Die Bildung von Aerosolpartikeln aus Ammoniak und Salpetersäure tritt vermutlich nicht nur in Städten und Ballungsgebieten auf, sondern auch gelegentlich in höheren Luftschichten der Atmosphäre. Ammoniak, das hauptsächlich in der Landwirtschaft entsteht, gelangt durch aufsteigende Luftströmungen aus bodennaher Luft in die obere Troposphäre; Salpetersäure entsteht durch Blitze aus dem Stickstoff der Luft. „Es bilden sich bei den dort herrschenden niedrigen Temperaturen neue Ammoniumnitratpartikel, die als Kondensationskeime bei der Wolkenbildung eine Rolle spielen“, sagt der Ionenphysiker Armin Hansel von der Universität Innsbruck. Die neuen Erkenntnisse zur Feinstaubentstehung seien damit auch für die Klimaforschung relevant

Ergänzendes zum Thema
Atmosphärenforschung im „Wolke“-Projekt

Am CERN untersuchen Forscher wie Prof. Joachim Curtius von der Universität Frankfurt im Projekt „Cloud“ (Cosmics Leaving Outdoor Droplets), wie neue Aerosolpartikel in der Atmosphäre aus Vorläufergasen gebildet werden und weiter zu Kondensationskeimen wachsen. Damit wollen die Forscher besser verstehen, wie Wolken und Feinstaub entstehen. Cloud wird von einem internationalen Konsortium – bestehend aus 21 Instituten – durchgeführt. Die eigens entwickelte Messkammer erreicht bedeutend besser definierte Messbedingungen als andere vergleichbare Experimente. Bei Cloud-Messkampagnen charakterisieren die Wissenschaftler mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Messgeräten den physikalischen und chemischen Zustand der Atmosphäre bestehend aus Teilchen und Gasen.

Originalpublikation: Wang, M., Kong, W., et al.: Rapid growth of new atmospheric particles by nitric acid and ammonia condensation, Nature, 581, pages 184–189(2020); DOI 10.1038/s41586-020-2270-4

(ID:46584042)