Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) Wie steht es um PFAS in deutschen Trinkwässern?
Anbieter zum Thema
Die neue Trinkwasserverordnung (TrinkwV), die zum 12. Januar 2023 in Kraft treten muss, wird erstmalig Grenzwerte für Perfluoralkylsubstanzen (PFAS) enthalten. Aufgrund der hohen toxikologischen bzw. hygienischen Relevanz einiger dieser Stoffe ist zu erwarten, dass bereits kurzfristig mit der Überwachung begonnen werden muss, um Verbraucher zu schützen. Doch worauf kommt es dabei an?

Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie [1] ist am 12. Januar 2021 in Kraft getreten. Aufgrund der erlaubten zweijährigen Übergangszeit muss in Deutschland bis spätestens zum 12. Januar 2023 eine neue Trinkwasserverordnung in Kraft gesetzt werden, um die geltende Fassung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) [2] abzulösen. In diesem Beitrag soll auf die neuen Grenzwerte für die per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) eingegangen werden, die sowohl für die Analytik als auch für die Wasserversorgung eine große Herausforderung darstellen. PFAS sind wegen der Verbreitung der Stoffgruppe in der aquatischen Umwelt sowie der toxikologischen Relevanz von besonderer Bedeutung.
Herausforderungen bei der analytischen Überwachung der PFAS
Für die trinkwasserhygienisch und toxikologisch relevante Gruppe der PFAS wurden gleich zwei Summengrenzwerte in die neue EU-Trinkwasserrichtlinie [1] aufgenommen:
- Summe der PFAS (PFAS∑20) = 0,10 µg/L für die Summe von 20 explizit im Anhang III Teil B, Nr. 3 genannten Stoffen, wobei diese eine Kettenlänge von C4 bis C13 haben und jeweils Carbon- und Sulfonsäuren umfassen. In Tabelle 1 sind die Stoffnamen und gebräuchlichen Abkürzungen aufgeführt.
- PFAS, gesamt = 0,50 µg/L für die Gesamtheit aller per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen; theoretisch zählen mehrere Tausend Einzelsubstanzen zu dieser Gruppe.
Für beide Fälle wurde festgelegt, dass der Parameterwert erst gelten soll, sobald standardisierte analytische Methoden für die Überwachung entwickelt wurden. Die Mitgliedstaaten können anschließend entscheiden, entweder einen oder beide der Parameter „PFAS gesamt“ oder „Summe der PFAS“ für die Überwachung zu verwenden. Für Deutschland gilt es als wahrscheinlich, dass nur für die „Summe der PFAS“ eine Überwachung zu erfolgen hat.
Toxikologische Bewertung der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen
Vom Umweltbundesamt gibt es aus den letzten Jahren mehrere Empfehlungen zur Bewertung der PFAS, in denen die toxikologische Relevanz der Stoffgruppe beschrieben wird [z. B. 3, 4]. Zudem gibt es von der European Food Safety Authority EFSA besorgniserregende Bewertungen für bestimmte PFAS-Einzelsubstanzen [5].
Aufgrund einer Aktualisierung der toxikologischen Bewertung einiger PFAS wird der von der EFSA empfohlene Wert für die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge für die vier Einzelverbindungen PFOA, PFOS, PFHxS und PFNA (PFAS∑4, s. Tab. 1) auch im Trinkwasser zu berücksichtigen sein. Die vorübergehenden Maßnahmenwerte für PFOS und PFOA [6] wurden bereits in Erwartung der Neubewertung durch die EFSA festgelegt und tragen dem Vorsorgegedanken Rechnung. Bei einer Ableitung für Trinkwasser gemäß dem in Deutschland üblichen Vorgehen bei der Regulierung ergäbe sich aus dem TWI-Wert der EFSA [5] für die vier zu betrachtenden PFAS ein Summenwert (PFAS∑4) in Höhe von lediglich rund 2 ng/l (= 0,002 µg/l).
Normung der Analysenverfahren für PFAS im Rahmen der Einzelstoffanalytik
Im Jahr 2021 wurde beim Europäischen Normungsgremium CEN TC 230 ein neues Normungsprojekt gestartet, um auf Basis der deutschen DIN 38407-42 [7] aus dem Jahr 2011 sowie der ISO 21675 [8] aus 2019 eine neue Europäische Norm für die Einzelstoffanalytik der 20 PFAS zu erarbeiten. Diese Norm soll anschließend von der Kommission als verbindliches Verfahren festgelegt werden.
Hierfür fordert die Trinkwasserrichtlinie [1] im Anhang III, Teil B eine Bestimmungsgrenze für die PFAS∑20 von 30 ng/L und eine Messunsicherheit von 50 % am Parameterwert. Das bedeutet, dass ein einzelner Stoff mit einer Bestimmungsgrenze von 1,5 ng/L zu messen ist. Für die vier EFSA-PFAS (PFAS∑4) wird sogar eine Bestimmungsgrenze angestrebt, die bei circa 0,2 ng/l liegt, damit ein eventueller neuer, sehr niedriger Leit- oder Grenzwert im Nanogramm-pro-Liter-Bereich auch sicher überwacht werden kann. Im Mai 2022 ist das Verfahren als Europäischer Norm-Entwurf bei CEN in Brüssel als prEN 17892 in die Umfrage und Abstimmung zu einer Vornorm (prEN) gegangen.
Sammlung und Auswertung von PFAS-Analysendaten
Um einen Überblick über die Befundlage an PFAS in deutschen Trinkwässern und damit über die Betroffenheit der deutschen Wasserversorgung zu bekommen, konnten bisher in einer Datenbank rund 1.600 Ergebnis-Datensätze für PFAS aus verschiedenen deutschen Laboratorien gesammelt werden. Die Daten für die folgenden Betrachtungen wurden von den Laboratorien der Autoren zusammengetragen:
- IWW (686 Proben)
- LGL Bayern (89 Proben)
- Umweltbundesamt (583 Proben)
- TZW (208 Proben)
- Gesamt (1566 Proben)
Es handelt sich um Trink- und z. T. um Rohwasserproben, die aus mehreren Bundesländern stammen, ein breites Spektrum an größeren und kleineren Wasserwerken abdecken und teilweise auch aus Trinkwasserinstallationen stammen. Die Daten sind in den Jahren 2015 bis 2022 erhoben worden, wobei etwa 50 % aus 2020 bis 2022 stammen. Mithilfe der Datensammlung sollten auch möglichst flächendeckend Eintragsquellen von PFAS in die Trinkwasserressourcen (wie Flughäfen, Militäreinrichtungen, Klärschlammausbringung oder Industrieanlagen) identifiziert werden [3, 4].
Um eine statistische Verzerrung zu vermeiden, wurden die Daten von Mehrfachbestimmungen bereinigt, insbesondere bei Standorten, die aufgrund von bekannten Belastungen und Kontaminationen („Hotspots“) regelmäßig oder gehäuft beprobt wurden. Für diese wurden nur die jeweils aktuellsten Werte für eine weitere Auswertung verwendet. Dieser bereinigte Datensatz umfasst die Messwerte von 1.119 Proben. Wenn man so eine Selektion nicht durchführte, würden die gemittelten Ergebnisse zu schlechteren Werten verzerrt und mit zunehmender Zeit durch weitere Häufung der Daten im Umfeld der Problemstandorte scheinbar immer höher.
Ergebnisse – Erster Überblick über PFAS in deutschen Trinkwässern
Abbildung 2 zeigt die Summe der 20 PFAS nach Konzentrationsklassen. Es wird deutlich, dass mit rund 57 % der Proben der überwiegende Teil der in die Auswertung geflossenen Daten unter der Bestimmungsgrenze liegt. Das bedeutet, dass für alle 20 PFAS (s. Tab. 1) kein Nachweis erfolgte, sodass die Summe der Konzentrationen aus formalen Gründen gleich Null gesetzt wird.
Bei lediglich 3,8 % der Proben wurden Gehalte über dem zukünftigen Summengrenzwert von 0,10 µg/l gefunden. Im Vergleich zu vorangegangenen Auswertungen kleinerer Stichproben [9, 10], in denen circa 13,5 % der Proben über 0,10 µg/l lagen, zeigt sich ein deutlich positiveres Bild. Dies dürfte im Wesentlichen auf den umfangreichen und korrigierten Datensatz zurückzuführen sein, in welchen – wie oben erläutert – nur die aktuellen Werte eines Standortes eingeflossen sind, auch wenn dieser Standort z. B. wegen bekanntem PFAS-Vorkommen mehrfach beprobt wurde. In der Summe haben nur 5,0 % der Proben PFAS∑20-Gehalte über der Hälfte des geplanten Grenzwerts.
Die Metadaten zu diesen Proben zeigen, dass typischerweise Kontaminationsquellen wie Rückstände von Löschschäumen im Bereich von Flughäfen oder andere industrielle Kontaminationen für die Verunreinigungen verantwortlich sind. Dabei sind Trinkwässer, die aus Grundwässern gewonnen werden, ebenso betroffen wie solche aus von Oberflächenwasser beeinflussten Ressourcen.
In Abbildung 3 wird eine auf die PFAS∑4 fokussierte Auswertung der Analysendaten gezeigt. Es sind die gleichen 1.119 Proben erfasst, nur wird hier die Summe (eine Untermenge der PFAS∑20) aus den vier Stoffen PFOA, PFNA, PFHxS, PFOS dargestellt. Bei anteilig gleicher relativer Berücksichtigung wie für die PFAS∑20 ergibt sich ein oberer Wert für die Summe dieser Stoffe von 20 ng/l. Abbildung 3 verdeutlicht, dass bei rund 5,4 % der Proben die Gehalte über einem eventuellen Trinkwasserleit- oder Grenzwert von 20 ng/l lagen. Das zeigt, dass in diesem Fall die Betroffenheit der Wasserversorgung ebenfalls moderat wäre. Bei dieser Betrachtung hatten frühere Auswertungen [9, 10] mit circa 7 % Überschreitungen des Werts von 20 ng/l ein ähnliches Bild gezeigt.
Werden die Proben betrachtet, bei denen die Summe der Gehalte der vier EFSA-PFAS (PFAS∑4) über dem Wert von 2,2 ng/l liegt, wären mit rund 29 % nahezu ein Drittel aller Proben betroffen. Dies würde eine ganz erhebliche Betroffenheit der Wasserversorgung und massive Konsequenzen für Aufbereitungsmaßnahmen oder die Verwendung bedeuten.
Häufigkeits- und Konzentrationsverteilung der PFAS nach Kettenlänge
In Abbildung 4 wird schließlich eine Häufigkeitsverteilung der PFAS nach der Kettenlänge der Verbindungen gezeigt und in Abbildung 5 (s. online) die korrespondierende Konzentrationsverteilung der PFAS nach Kettenlänge. Abbildung 4 zeigt, dass in jeweils circa 15 bis 20 % der Proben Perfluorbutan(C4, PFBA)- und Perfluoroctansäure (C8, PFOA) gefunden werden. PFOA gehört auch zu den vier EFSA-PFAS.
Danach haben auch noch die C5- bis C7-Carbonsäuren mit jeweils über 10 % Befunden in den selektierten Proben einen nennenswerten Anteil. Bei der Konzentrationsbetrachtung dominiert dagegen die Perfluorbutansulfonsäure (PFBS) mit einem mittleren Gehalt in allen Proben von circa 18 ng/l.
Aus den Abbildungen 4 und 5 wird auch ersichtlich, dass PFAS mit Kettenlängen von zehn und mehr C-Atomen in Trinkwasserproben praktisch nicht gefunden werden, was an ihrem Adsorptionsverhalten am Aquifer-Material und ihrer sehr schlechten Wasserlöslichkeit liegen könnte.
Literatur:
[1] Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Neufassung). Amtsblatt der Europäischen Union L 435: S. 1 – 62.
[2] TrinkwV 2019; 4. Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung vom 20 Dezember 2019 " Bundesgesetzblatt, Teil I 2019(52): S. 2934.
[3] Umweltbundesamt: Empfehlung des Umweltbundesamtes - Umgang mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) im Trinkwasser (2020); https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5620/doku-mente/twk_200826_empfehlung_pfas_final.pdf
[4] Umweltbundesamt: (2021-07). Ergänzung der Empfehlung: „Umgang mit per- und polyfluorierten Alkylsub-stanzen (PFAS) im Trinkwasser“ vom 26. August 2020 Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission, Umweltbundesamt. Bunddesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz Band 64, Seiten1328–1329 (2021)
[5] EFSA (2020) EFSA: Risk to human health related to the presence of perfluoroalkyl substances in food. Efsa Journal Eur Food Saf Auth 18(9):e6223. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2020.6223
[6] Umweltbundesamt: (2019-12). Stellungnahme zu einem vorübergehenden Maßnahmenwert für PFOA und PFOS, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/421/dokumente/stellungnahme_pfoa_pfos_0.pdf .
[7] DIN 38407-42:2011-03 Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung - Gemeinsam erfassbare Stoffgruppen (Gruppe F) - Teil 42: Bestimmung ausgewählter polyfluorierter Verbindungen (PFC) in Wasser - Verfahren mittels Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie und massenspektrometrischer Detektion (HPLC-MS/MS) nach Fest- Flüssig-Extraktion (F 42)
[8] ISO 21675:2019-10; Wasserbeschaffenheit - Bestimmung von polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in Wasser – Verfahren mittels Flüssigkeitschromatographie/Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) nach Festphasenextraktion
[9] Borchers, U. und Wiegand, L. (2021). "Die analytischen Herausforderungen der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie: was kommt auf die Deutsche Wasserversorgung zu?"; GWF-Wasser | Abwasser(3): 30-33.
[10] Borchers, U. und Sacher, F. (2022). PFAS im Trinkwasser – Überwachung und Herausforderungen für die Trinkwasserversorgung. 55. Essener Tagung für Wasser- und Abfallwirtschaft "Wasserwirtschaft im Klimawandel" vom 09. bis 11. März 2022 in Aachen. T. Wintgens und J. Pinnekamp. Aachen. Gewässerschutz - Wasser - Abwasser: 33/31-33/37.
* Dr. U. Borchers (et al*), IWW Zentrum Wasser *weitere Autoren s. LP-Info-Kasten
(ID:48460200)