English China

Transportwege von Mikroplastik Wie verschwindet das Plastik im Meer?

Redakteur: Christian Lüttmann

Jedes Jahr landen rund vier Prozent des an Land anfallenden Plastikmülls im Meer. Ein Teil verliert sich in tieferen Wasserschichten, besonders wenn es sich um kleinere Kunststoffpartikel handelt. Wie solches Mikroplastik dort hinuntergelangt, haben nun Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in einem Modell untersucht. Demnach tragen biologische Prozesse maßgeblich zur Verteilung im Meer bei.

Anbieter zum Thema

Meeresschnee sinkt von der Wasseroberfläche in die Tiefe und nimmt laut einer aktuellen Studie Mikroplastik mit hinab.
Meeresschnee sinkt von der Wasseroberfläche in die Tiefe und nimmt laut einer aktuellen Studie Mikroplastik mit hinab.
(Bild: Henk-Jan Hoving/GEOMAR)

Kiel – Die Verschmutzung unserer Meere durch Plastikmüll ist ein weithin bekanntes Problem. Um es lösen zu können, ist es wichtig, genau nachzuverfolgen, wie viel Plastik sich in den Ozeanen befindet und wie es sich bewegt. Bei Untersuchungen dazu fiel Wissenschaftlern auf, dass ein Teil des Plastiks zu verschwinden scheint: Die Menge an Kunststoff, die tatsächlich an der Meeresoberfläche gefunden wurde, war deutlich geringer als man anhand der geschätzten Abfallmenge erwartet hatte.

Vor allem bei Mikroplastik fand sich deutlich weniger als gedacht. Es hat maximal einen Durchmesser von fünf Millimetern, bis hin zu nur wenigen Mikrometern. Ins Meer gelangt es entweder auf direktem Weg, zum Beispiel über den Wind, Flüsse oder Schiffe, oder es entsteht erst im Wasser, wenn größere Plastikteile dort durch Umwelteinflüsse zerfallen.

Das LABORPRAXIS-Dossier Mikroplastik In unserem Dossier „Mikroplastik“ haben wir für Sie weitere Forschungsvorhaben und -erkenntnisse zum Thema Mikroplastik zusammengefasst.

Im Meer schneit es Plastik

Während an der Meeresoberfläche weniger Mikroplastik als erwartet zu finden ist, haben Forscher es schon an den entlegensten Stellen im Ozean nachgewiesen, etwa in der Arktis oder im Marianengraben, dem tiefsten bekannten Punkt der Erde. Es bleibt allerdings die Frage, wie es dort hingelangt. Ein Team vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung hat versucht, Antworten zu finden. Dafür haben sie erstmals modelliert, wie biologische Prozesse Mikroplastik in die Tiefe tragen, zum Beispiel über den so genannten Meeresschnee. Die Forschungsgruppe simulierte dafür die Bewegungen von Mikroplastik in den Ozeanen innerhalb eines Erdsystemmodells.

Plankton trägt Kunststoffteilchen hinab

Es gibt verschiedenen Wege, wie Mikroplastik in die tieferen Schichten des Ozeans gelangen kann. Der wohl offensichtlichste Grund ist der Auftrieb: Hat das Plastik keinen Auftrieb, sinkt es zum Meeresboden. Die Wissenschaftler fanden nun aber heraus, dass eine große Menge des Mikroplastiks auch aufgrund biologischer Prozesse von der Oberfläche nach unten befördert wird.

Die simulierte Karte zeigt die Menge an Mikroplastik, die durch biologische Aggregate, wie beispielsweise Meeresschnee, gebunden ist. Dabei wird das Oberflächenwasser im Jahr 2020 bis zu einer Tiefe von einem Meter betrachtet.
Die simulierte Karte zeigt die Menge an Mikroplastik, die durch biologische Aggregate, wie beispielsweise Meeresschnee, gebunden ist. Dabei wird das Oberflächenwasser im Jahr 2020 bis zu einer Tiefe von einem Meter betrachtet.
(Bild: Karin Kvale/GEOMAR)

Dafür verantwortlich ist vor allem das Plankton, das nah an der Oberfläche lebt. Seine Ausscheidungen, abgestorbene Zellen oder ganze Organismen und anderes organisches Material verbinden sich mit dem Mikroplastik und sinken wie Schneeflocken langsam in die Tiefe. Dort dienen sie Bakterien als Futter. So wird das Plastik von seinem Transportmittel befreit und treibt entweder in der Tiefe weiter oder steigt wieder zur Oberfläche auf.

„Auf den ersten Blick scheint dieser Transportweg also ziemlich ineffektiv zu sein. Unsere Studie zeigt, dass von zwei, in manchen Regionen sogar von drei auf diesem Weg gebundenen Plastikteilen nur eines in wirklich die Tiefe sinkt, der Rest verbleibt an der Oberfläche“, sagt Dr. Karin Kvale vom Geomar, Hauptautorin der Studie. Der Prozess ist jedoch so weit verbreitet, dass er genug Plastik aus den oberen Schichten des Wassers entfernt, um das fehlende Plastik dort zu erklären. „Der so genannte ‚Marine Schnee‘ hat so also einen großen Einfluss auf die globale Mikroplastikverteilung“, erklärt die Forscherin

Verteilungsprozesse besser verstehen

Genaue Modellierungen der biologischen Prozesse mit Mikroplastik in einem Erdsystemmodell bieten außerdem die Möglichkeit, Prognosen darüber zu treffen, wie sich diese Zusammenhänge in Zukunft ändern könnten, wenn der Klimawandel Ozeanzirkulation und Ökosysteme beeinflusst. „Zu verstehen, wie Plastik sich durch unsere Ozeane bewegt, ist grundlegend wichtig, um mit der zunehmenden Verschmutzung der Meere umzugehen und die Auswirkungen von Mikroplastik auf marine Ökosysteme auf einer globalen Ebene zu begreifen“, betont Kvale die Bedeutung der Studienergebnisse.

Originalpublikation: Kvale K, AEF Prowe, C-T Chien, A Landolfi, A Oschlies: The global biological microplastic particle sink, Scientific Reports volume 10, Article number: 16670 (2020) DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-020-72898-4

(ID:46912660)