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Prähistorische Klimakatastrophe untersucht Artenkiller Ozeanerwärmung – ein mahnendes Beispiel aus der Jurazeit

Von Dr. Gesine Steiner*

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Was passiert, wenn das Meer sich weiter erwärmt? Eine exakte Antwort lässt sich nicht geben, doch der Blick in die Vergangenheit hilft, sich ein Bild von möglichen Konsequenzen zu machen. Forscher haben nun eine urzeitliche Klimakatastrophe und deren dramatische Folgen für die damalige Meereswelt anhand von Fossilien rekonstruiert.

Fossilien – hier eine Auster aus der Jurazeit – belegen nicht nur klimabedingte Änderungen in der Faunenzusammensetzung, sondern liefern mittels geochemischer Signale ihrer Schalen zugleich wichtige Informationen über das Ausmaß der Klimaerwärmung.
Fossilien – hier eine Auster aus der Jurazeit – belegen nicht nur klimabedingte Änderungen in der Faunenzusammensetzung, sondern liefern mittels geochemischer Signale ihrer Schalen zugleich wichtige Informationen über das Ausmaß der Klimaerwärmung.
(Bild: Museum für Naturkunde)

Berlin, Exeter/UK – Die Erde steckt am Beginn einer Krise, deren Ausmaße sich nur schwer vorstellen lassen: Die Erderwärmung. Was grundsätzlich ein natürlicher Prozess ist, der sich in der Vergangenheit im Wechsel mit Abkühlphasen und damit einhergehenden Eiszeiten schon vielfach wiederholt hat, findet nun ungewöhnlich schnell statt. Die durch den Menschen freigesetzten Treibhausgase bringen das Weltklima aus dem Gleichgewicht.

Es ist allerdings nicht die erste Klimakrise, die die Erde erlebt. So können Forscher heute erstaunlich präzise vergangene Katastrophen rekonstruieren, die in der Urzeit den Verlauf des Lebens maßgeblich geprägt haben. Eine solche Krise haben nun Wissenschaftler des Museums für Naturkunde Berlin und der University of Exeter in Großbritannien untersucht. Sie rekonstruierten, wie sich eine rasche und ungewöhnlich intensive Phase der Klimaerwärmung während der Jurazeit vor ca. 182 Millionen Jahren auf die Meeresfauna ausgewirkt hat. Mit ihrer Studie zeigen sie, welche Langzeitfolgen die gegenwärtige Klimakrise für die Ökosysteme der Meere haben kann.

Rascher Temperaturanstieg im Jura

Für ihre Untersuchungen wählten die Forscher eine besonders vollständig überlieferte, fossilreiche Gesteinsabfolge im heutigen Zentralspanien, das während des Jura von einem subtropischen Flachmeer überflutet war. Mithilfe geochemischer Methoden bestimmten sie zunächst in den kalkigen Schalen von Austern und muschelähnlichen Brachiopoden die Konzentration verschiedener Sauerstoff-Isotope, deren Verhältnis abhängig von der zu Lebzeiten vorherrschenden Wassertemperatur ist. Damit gelang den Forschern eine lückenlose Dokumentation des Temperaturverlaufs über einen ca. 2,5 Millionen Jahre dauernden Zeitabschnitt während der Jurazeit, der die Phasen vor, während und nach der Klimaerwärmung umfasst.

Der untersuchte Zeitabschnitt beinhaltet eine sehr ausgeprägte Warmphase. „Der Temperaturanstieg erfolgte relativ rasch und die Treibhausphase hielt über mehrere 100.000 Jahre an,“ sagt Clemens Ullmann von der University of Exeter, der die geochemischen Analysen durchführte. „Die durchschnittliche lokale Ozeanerwärmung lag bei 3,5 °C mit Spitzenwerten bei über 5 °C.“

Der Untergang der Brachiopoden

Der Temperaturanstieg der Meere führte zu weitreichenden Folgen für die damaligen Lebensgemeinschaften auf dem Meeresboden, die im Wesentlichen aus Muscheln, Schnecken und einzelnen Korallen bestanden, sowie aus Brachiopoden – Meerestiere, die den Muscheln äußerlich ähneln, aber einen eigenständigen Tierstamm bilden.

Sämtliche vor der Erwärmung im Untersuchungsgebiet lebenden Arten von Brachiopoden starben in der Anfangsphase der Erwärmung aus. Dadurch hat sich die Zusammensetzung der Lebewelt drastisch und nachhaltig verändert. Mit Einsetzen der Treibhausphase nahmen Artenvielfalt, Anzahl der Einzeltiere, und Biomasse drastisch ab. Die zuvor artenreiche Brachiopodenfauna wurde durch eine einzelne, invasive, kleinwüchsige Art ersetzt, die unter den extremen Bedingungen überlebensfähig war.

Temperaturanstieg und Artensterben verliefen synchron

Sehr auffällig ist die hohe ökologische Instabilität während der gesamten Dauer der heißen Phase, in der die Artenvielfalt starken Schwankungen unterworfen war. „Auch die ökologische Zusammensetzung fluktuierte in dieser Zeit stark, beispielsweise die Anteile von auf dem Meeresboden lebenden Tieren gegenüber solchen, die eingegraben im Meeresboden wohnten; oder von Arten, die sich aktiv bewegen konnten gegenüber solchen, die stationär lebten“, erläutert Martin Aberhan vom Museum für Naturkunde Berlin, der die ökologischen Untersuchungen leitete. Mit dem Ende der heißen Phase traten dann komplett neue Lebensgemeinschaften auf.

Bisherige Untersuchungen des kritischen Zeitabschnitts im Jura in anderen Regionen führten die Faunenkrise meist auf die Ausbreitung von sauerstoffarmen Meeresgewässern zurück. Die neue Studie zeigt jedoch, dass die vielfältigen Veränderungen der Lebewelt absolut synchron mit den geochemisch ermittelten Temperaturänderungen verlaufen, während es keinerlei Hinweise auf Sauerstoffarmut gibt. „Unsere Untersuchungen ergaben, dass je nach Meeresregion verschiedene Mechanismen unterschiedlich starken Einfluss auf die Meeresorganismen haben können und in unserem Fall der Temperaturstress der entscheidende Faktor war“, fasst Aberhan zusammen.

Der Anstieg der Meerestemperatur heute

Die Meere werden immer wärmer. So stieg die Oberflächentemperatur der Ozeane zwischen 2000 und 2015 im Mittel um 0,013 °C pro Jahr, wie auf der Homepage des Umweltbundesamtes zu lesen ist. Diese Änderung scheint verschwindend gering, täusche aber über das tatsächliche Ausmaß hinweg. Denn durch die Tiefe des Ozeans verteilt sich die dort aufgenommene Energie in den Wassermassen. Würde sich der Wärmeüberschuss lediglich in den obersten fünf Metern des Meeres manifestieren, so ergäbe sich ein Temperaturanstieg von 1,3 °C pro Jahr.

In einem Beitrag des Tagesspiegels verdeutlichen die Autoren den Energieüberschuss der Meere mit einem drastischen Bild. Dort heißt es: „Die enorme Menge an Energie in Form von Wärme, die der Mensch über den Klimawandel in den vergangenen 25 Jahren in die Ozeane gesteckt habe, entspreche 3,6 Milliarden Atombombenexplosionen vom Ausmaß wie im japanischen Hiroshima. Das bedeutet, dass jede Sekunde die Energie von fünf Atombomben den Meeren zugeführt wird.“ Weitere Daten zur Erwärmung der Meere sind der Publikation „Record-Setting Ocean Warmth Continued in 2019“ von Cheng Lijing et al. zu entnehmen.

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Originalpublikation: Piazza, V., Ullmann, C.V. & Aberhan, M.: Ocean warming affected faunal dynamics of benthic invertebrate assemblages across the Toarcian Oceanic Anoxic Event in the Iberian Basin (Spain), PLOS ONE, December 9, 2020; DOI: 10.1371/journal.pone.0242331

* Dr. G. Steiner, Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, 10115 Berlin

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