Bildgebende Verfahren und Psychologie Aufschieber oder Macher? Per MRT Persönlichkeitsmerkmale entlarven?
Die Kernspintomografie oder auch Magnetresonanztomographie, kurz MRT, ist ein wichtiges bildgebendes Verfahren in der medizinischen Diagnostik. Ob Tumor, Schlaganfall oder Bandscheibenvorfall - sie alle lassen sich im MRT sichtbar machen. Und offenbar noch mehr. Biopsychologen der Ruhr-Universität Bochum haben nun mittels Kernspintomografie zwei Hirnregionen identifiziert, die mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen in Zusammenhang stehen: Ob ein Mensch eher Aufschieber oder Macher ist, lässt sich demnach offenbar im MRT unterscheiden.
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Bochum – Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. An dieses Motto halten sich nicht alle Leute. Das könnte an zwei bestimmten Hirnregionen liegen: Warum manche Menschen Aufgaben eher vor sich herschieben als sofort zu handeln, haben Forscherende der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Mittels Kernspintomografie identifizierten sie zwei Hirnbereiche, deren Größe und funktionelle Verknüpfung damit zusammenhängt, wie gut eine Person ihre Handlungen kontrollieren kann.
Das MRT zeigt's: Zwei Hirnregionen hängen mit Handlungskontrolle zusammen
Die Biopsychologen untersuchten dazu 264 Frauen und Männer im Kernspintomografen. Sie bestimmten das Volumen einzelner Hirnareale und ihre funktionelle Vernetzung. Außerdem füllten alle Probanden einen Fragebogen aus, mit dem ihre Fähigkeiten zur Handlungskontrolle eingeschätzt wurden.
Menschen mit schlechter Handlungskontrolle hatten eine größere Amygdala. Außerdem war bei ihnen die funktionelle Verbindung zwischen der Amygdala und dem sogenannten dorsalen anterioren cingulären Kortex (dorsaler ACC) weniger stark ausgeprägt. „Die beiden Hirnregionen sind bereits in früheren Studien mit der Steuerung von Handlungen in Verbindung gebracht worden“, sagt Erhan Genç.
Angst, zögern – aufschieben?
Die Funktion der Amygdala ist es vor allem, eine Situation und ihren jeweiligen Ausgang zu beurteilen und uns vor möglichen negativen Konsequenzen einer Handlung zu warnen. Der dorsale ACC nutzt hingegen Informationen über den potenziellen Ausgang einer Handlung, um Handlungen auszuwählen, die in die Tat umgesetzt werden. Er unterdrückt auch konkurrierende Handlungen und Emotionen, sodass eine ausgewählte Handlung erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Ist das Zusammenspiel zwischen Amygdala und dorsalem ACC gestört, kann die Handlungskontrolle nicht mehr erfolgreich ausgeführt werden, so die Theorie der Forscher. „Menschen mit höherem Amygdala-Volumen könnten eine größere Furcht vor den negativen Konsequenzen einer Handlung haben – sie zögern und schieben Dinge auf“, vermutet Erhan Genç. „Die geringe funktionelle Kopplung zwischen der Amygdala und dem dorsalen ACC könnte diesen Effekt weiter verstärken, indem störende negative Emotionen und Handlungsalternativen unzureichend reguliert werden.“
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Durch Hirntraining vom Aufschieber zum Macher?
Künftige Studien sollen zeigen, ob die unterschiedlich gut ausgeprägte Handlungskontrolle durch spezifische Trainings oder Hirnstimulation verändert werden kann. „Obwohl die individuellen Unterschiede in der Fähigkeit zur Handlungskontrolle einen großen Einfluss auf unseren persönlichen und beruflichen Erfolg sowie unsere psychische und physische Gesundheit haben, sind ihre neuronalen Grundlagen bisher nur wenig erforscht“, sagt Caroline Schlüter, die sich dem Thema in ihrer Promotion widmet.
Originalpublikation: Caroline Schlüter, Christoph Fraenz, Marlies Pinnow, Patrick Friedrich, Onur Güntürkün, and Erhan Genç: The structural and functional signature of action control, in: Psychological Science, 2018, DOI: 10.1177/0956797618779380
* Dr. Julia Weiler: Ruhr-Universität Bochum, 44801 Bochum
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