Enzym außer Kontrolle Chromosomen im Schredder
Gerät ein bestimmtes menschliches Enzym außer Kontrolle, schneidet es Chromosomen kurz und klein. Für Zellen ist das schädlich, zum Abtöten von Tumoren jedoch nützlich. ETH-Forschende konnten nun den zugrunde liegenden Mechanismus aufklären.
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Zürich/Schweiz – Unter anderem für Notfälle, wenn sich Körperzellen nicht vervielfältigen können, weil sich die zelluläre DNA-Kopiermaschinerie in den Erbgut-Strängen verhakt und ins Stocken gerät, besitzen unsere Zellen das Enzym MUS81. Das Enzym arbeitet dann als Erbgut-Schere und hilft aus der Patsche: Es schneidet das DNA-Molekül nahe der Problemstelle durch und ermöglicht so, dass die Kopiermaschinerie wieder Tritt fasst und das Erbgut vor der Zellteilung verdoppeln kann.
„Damit das Enzym DNA nur dann schneidet, wenn das für Zellen nützlich ist, regulieren die Zellen seine Funktion sehr genau“, erklärt Joao Matos, Professor am Institut für Biochemie der ETH Zürich. „Würde das Enzym wahllos DNA zerschneiden, wäre das für Zellen fatal“, fügt Heike Duda, eine Doktorandin in Matos‘ Gruppe, hinzu.
Forschende dieser Gruppe haben nun bei menschlichen Zellen in Kultur die molekularen Details dieser Enzym-Regulierung entschlüsselt. In einer aktuell veröffentlichten Arbeit beschreiben sie, wie bestimmte Proteine die DNA-Schere aktivieren oder ihre Aktivität unterdrücken.
Klinische Studien zu neuem Krebswirkstoff besser verstehen
Ihre Untersuchungen förderten auch zutage, dass ein sich in klinischer Erprobung befindlicher Krebswirkstoff in die MUS81-Regulation eingreift. Es handelt sich dabei um den Wirkstoff MK-1775, entwickelt von japanischen Wissenschaftlern. Dass dieser Wirkstoff Krebszellen abzutöten vermag, ist bekannt. Derzeit laufen klinische Studien, die seinen Einsatz zur Therapie verschiedener Krebsarten untersuchen.
MK-1175 setzt ein Steuerprotein, welches den Zellzyklus reguliert, außer Gefecht. Wie die ETH-Forschenden nun zeigen konnten, gerät dadurch MUS81 außer Kontrolle und beginnt, ohne Unterlass Chromosomen zu zerschneiden – es schreddert den gesamten Chromosomensatz. In der Folge sterben die Zellen ab.
Die neuen Erkenntnisse zum Wirkmechanismus könnten laut den Forschenden helfen, die Ergebnisse der laufenden klinischen Studien besser zu verstehen und beispielsweise erklären, warum der Krebswirkstoff bei einigen Patienten besser wirkt als bei anderen.
Originalpublikation: Duda H, Arter M, Gloggnitzer J, Teloni F, Wild P, Blanco MG, Altmeyer M, Matos J: A Mechanism for Controlled Breakage of Under-replicated Chromosomes during Mitosis. Developmental Cell 2016, 39: 1-16, doi: 10.1016/j.devcel.2016.11.017
* F. Bergamin: ETH Zürich, 8092 Zürich/Schweiz
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