Verbraucherschutz Der Fingerabdruck von Lebensmitteln
Ist der Käse in Salzlake wirklich aus Schafsmilch hergestellt oder enthält er vielleicht doch Kuhmilch. Und wo kommt der Honig wirklich her – ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) widmet sich der Rückverfolgbarkeit und Echtheitsanalyse mediterraner Lebensmittel, auch mithilfe so genannter Fingerprinting-Verfahren.
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LP: Lebensmittel, v.a. beliebte teure Produkte, werden oft gestreckt, abgewandelt oder durch Zusätze absichtlich verändert, ohne dass dies dem Verbraucher bewusst wird. Der Verzehr solcher Fälschungen kann dann zu Erkrankungen führen. Es ist daher essenziell, die Echtheit von Lebensmitteln sicherzustellen und die Rückverfolgbarkeit zu verbessern. Welche Ziele hat sich hierfür das EU-Forschungsprojekt Medifit gesetzt?
Dr. Carsten Fauhl-Hassek: Das EU-Projekt Medifit startete im Juni 2020 mit dem Ziel, die Echtheit von mediterranen Lebensmitteln sicherzustellen und die Rückverfolgbarkeit zu verbessern. Medifit steht für „An Interlinked Digital Platform for Food Integrity and Traceability of relevant Mediterranean Supply Chains“. Dafür bedarf es neuer Technologien im Bereich der chemischen Analytik und Softwareentwicklung. An beiden Aspekten forschen die insgesamt zwölf Projektpartner aus Behörden, Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Deutschland, Griechenland, Malta, Spanien, Tunesien und der Türkei. Koordiniert wird Medifit von der Aristotle University of Thessaloniki in Griechenland.
Die Finanzierung erfolgt über die internationale Förderinitiative Partnership for Research and Innovation in the Mediterranean Area, kurz Prima, die wiederum durch das Rahmenprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union für Forschung und Innovation unterstützt wird. Medifit setzt seinen Schwerpunkt exemplarisch auf Waren aus den beiden Produktgruppen Käse in Salzlake und Honig.
Für das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) steht die Weiterentwicklung so genannter Fingerprinting-Verfahren im Fokus. Vor dem Hintergrund einer zukünftig gemeinschaftlichen Anwendung dieser Verfahren zur Überprüfung der Lebensmittelechtheit ist eine weitere wichtige Komponente des Projekts, entsprechende digitale Technologien bereitzustellen. Dies umfasst einerseits die Entwicklung von Softwarelösungen, mit denen Produzenten, Lebensmittelhändler und Behörden eigene Analysedaten zusammen mit produktbegleitenden Informationen, wie Etikett-Angaben, verwalten und bei Bedarf mit anderen Systempartnern teilen können.
Andererseits wird Medifit ein cloudbasiertes System entwickeln, mit dem sich die Mitglieder einer beliebigen Warenkette untereinander über das Vorliegen von Messwerten und passenden Datenauswerteverfahren informieren können. Eine wesentliche Besonderheit ist dabei, dass das Medifit-System sowohl die Eigentumsrechte der Dateneigner wahrt als auch dem Informationsbedürfnis der Verbraucherinnen und Verbraucher entspricht. Perspektivisch können die im Medifit-Projekt entwickelten Lösungen die Sicherheit, Qualität, Authentizität und Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln erleichtern.
LP: Sie erwähnten die Weiterentwicklung so genannter Fingerprinting-Verfahren, an denen das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Rahmen des Projektes arbeitet. Was kann man darunter verstehen?
Dr. Fauhl-Hassek: Mithilfe von nicht-zielgerichteten Analyseverfahren kann die Zusammensetzung von Lebens- und Futtermitteln bestimmt und somit deren individueller chemischer „Fingerabdruck“ abgebildet werden. Bei diesen so genannten Fingerprinting-Verfahren werden möglichst viele chemische Informationen einer Probe gesammelt. Hierfür kommen insbesondere spektroskopische Analyseverfahren zum Einsatz. Der aufgenommene Fingerabdruck wird mit einer zuvor angelegten Datenbank, bestehend aus zahlreichen Referenzproben, abgeglichen. Stimmt der aufgenommene Fingerabdruck mit dem in der Datenbank hinterlegten Referenzprofil nicht überein, handelt es sich um eine auffällige Probe und es folgen weitere Untersuchungen.
Fingerprinting-Verfahren ergänzen die klassischen zielgerichteten Untersuchungen und werden zunehmend auch bei Routinekontrollen von Lebens- und Futtermitteln genutzt. Aufgrund des nicht-zielgerichteten, also unspezifischen Charakters dieser Analytik, können nicht nur Lebensmittel durch ihre Normabweichung als gefälscht identifiziert werden, sondern auch bisher unbekannte Verfälschungen und gesundheitlich bedenkliche bzw. sicherheitsrelevante Manipulationen aufgedeckt werden. Auf diese Weise sollen zukünftig auch analytisch anspruchsvolle Fragestellungen, wie die der geographischen Herkunft von Produkten, beantwortet werden können.
LP: Welche Herausforderungen ergeben sich zukünftig in Hinblick auf die Sicherheit von Warenketten und die damit verbundene Futter- und Lebensmittelsicherheit?
Dr. Fauhl-Hassek: Im Zuge globalisierter Märkte werden sowohl Futter- als auch Lebensmittelwarenketten zunehmend länger und komplexer. Um den damit verbundenen Herausforderungen zu begegnen und weiterhin die Integrität und Sicherheit von Futter- und Lebensmitteln sicherzustellen, kommen der Authentizität und der Rückverfolgbarkeit steigende Bedeutungen zu. Um Futter- und Lebensmittelkriminalität (Feed bzw. Food Fraud) vorzubeugen und im Falle eines Ausbruchsgeschehens schnellst- und bestmöglich reagieren zu können, gilt es, den sicheren Austausch relevanter Daten sowohl zwischen den Akteuren der Warenketten, als auch mit beteiligten Behörden weiter auszubauen und zu verbessern.
Herr Dr. Fauhl-Hassek, vielen Dank für das Gespräch.
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