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Fortschritte der Epigenom-Forschung „Der Wissensgewinn ist vergleichbar mit dem des 1000-Genomes-Projects“

Autor / Redakteur: Dr. Tebke Böschen* / Dr. Ilka Ottleben

Wie werden in Zellen Gene an- und ausgeschaltet? Dies ist vereinfacht ausgedrückt die Frage mit der sich die Epigenetik beschäftigt und die entscheidenden Einfluss beispielsweise auf Gesundheit und Krankheit haben kann. Epigenetische DNA-Modifikationen werden seit 2010 weltweit im International Human Epigenome Consortium (IHEC) systematisch erfasst. Jetzt beleuchtet eine Sammelveröffentlichung des Konsortiums aktuelle Erkenntnisse.

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Philip Rosenstiel, Exzellenzcluster Entzündungsforschung, Professor für Molekulare Medizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Direktor des Instituts für Klinischen Molekularbiologie, Medizinische Fakultät der CAU und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel.
Philip Rosenstiel, Exzellenzcluster Entzündungsforschung, Professor für Molekulare Medizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Direktor des Instituts für Klinischen Molekularbiologie, Medizinische Fakultät der CAU und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel.
(Bild: Dr. Tebke Böschen/Uni Kiel)

Kiel – Um zu verstehen, wie sich Zellen spezialisieren, Körperfunktionen gesteuert werden oder auch Krankheiten entstehen, reicht es nicht aus das Genom zu entschlüsseln, also die Bausteinfolge der einzelnen Gene zu kennen. Auch der Aktivitätszustand der Gene ist von Bedeutung, und dieser wird über kleine chemische Veränderungen der Erbsubstanz, so genannte epigenetische Markierungen, wesentlich bestimmt. Zu den epigenetischen Steuerungselementen gehört zum Beispiel die DNA-Methylierung. Das heißt an einen DNA-Baustein wird eine Methylgruppe angehängt. Dadurch werden regulatorische Sequenzen quasi abgeschottet, das heißt die Maschinerie, die das Gen abliest, kann nicht mehr an die DNA binden und das Gen kann dann nicht aktiv werden. Eine andere chemische Modifikation betrifft die Verpackung der DNA. Vereinfacht gesagt, kann ein Gen abgelesen werden, wenn die DNA locker verpackt ist, sonst eher nicht.

Diese und weitere chemische DNA-Modifikationen werden seit 2010 weltweit im International Human Epigenome Consortium (IHEC) systematisch erfasst. Ziel des Großprojektes ist, das epigenetische Profil von jedem Zelltyp des Menschen zu erstellen. Diese Referenzepigenome sollen öffentlich zugänglich sein, so dass sie als Vergleichsdaten für zukünftige Forschungsprojekte dienen können.

„Der Wissensgewinn ist vergleichbar mit dem des 1000-Genomes-Projects“

Aktuelle Erkenntnisse der Epigenomforschung von IHEC werden jetzt in einer umfangreichen Sammlung von insgesamt 41 Artikeln veröffentlicht, darunter vier von deutschen Partnern des Konsortiums. Die Publikationen beleuchten unterschiedliche Aspekte epigenetischer Steuerung in Zellen des menschlichen Körpers. „Der Wissensgewinn ist vergleichbar mit dem des 1000-Genomes-Projects, bei dem die Genome von rund 2500 Menschen sequenziert und daraus ein detaillierter Katalog menschlicher genetischer Variationen erstellt wurde“, konstatiert Cluster-Vorstandsmitglied Professor Philip Rosenstiel.

Auch Kieler Wissenschaftler sind Teil des Konsortiums: Aus Kiel sind zwei Arbeitsgruppen am deutschen Part von IHEC, dem Deutschen Epigenom Programm DEEP, beteiligt. Diese befassen sich mit epigenetischen Modifikationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Leitung: Professor Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters Entzündungsforschung) und mit der Analyse des Transkriptoms (Leitung: Professor Philip Rosenstiel).

Gedächtnisbildung von T-Zellen durch Transkriptom-Analyse verstanden

Mit maßgeblicher Unterstützung aus Kiel konnten neue Erkenntnisse zu hoch spezialisierten Zellen des Immunsystems, den T-Zellen, gewonnen werden. „Wir verstehen jetzt, wie ein Gedächtnis in das Erbgut der Immunzellen programmiert wird und warum die Zellen beim erneuten Kontakt mit einem Krankheitserreger sehr viel schneller und effektiver reagieren können “, erklärt Professor Philip Rosenstiel vom schleswig-holsteinischen Exzellenzcluster Entzündungsforschung. Rosenstiel und sein Team vom Institut für Klinische Molekularbiologie an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben sich auf die Analyse des Transkriptoms spezialisiert. Das Transkriptom, also die Gesamtheit der abgelesenen Gene spiegelt die Aktivität der Genexpression einer Zelle wieder. Die Ergebnisse der Studie zur Gedächtnisbildung von T-Zellen wurden aktuell publiziert [1]. Kooperationspartner war eine Arbeitsgruppe des Deutschen Rheumaforschungszentrums in Berlin.

Die langlebigen T-Zellen sind als hochspezialisierten Zellen des Immunsystems, einerseits essenziell für die Abwehr von Krankheitserregern, können andererseits jedoch auch Autoimmunerkrankungen verursachen, wenn die körpereigenen Kontrollmechanismen versagen. In dem publizierten Projekt wurde untersucht wie das Epigenom zur Bildung, Stabilität und Funktion verschiedener Entwicklungsstadien der T-Zellen beiträgt. In dem weltweit umfassendsten Datensatz zu diesen Zellen konnten sie genomweite sowie genspezifische Veränderungen und ihre funktionellen Konsequenzen erfassen. Mit Hilfe der Daten konnten neben bekannten Regulatoren auch gänzlich neue Faktoren identifiziert werden, die für die Entwicklung der Gedächtniszellen im Blut gesunder Menschen wichtig sind. Zugleich werden sie die Grundlage sein, um kritische epigenetische Veränderungen in T-Zellen zu identifizieren, die bei chronisch-entzündlichen und Autoimmunerkrankungen auftreten und entscheidend für Krankheitsverlauf und Therapieerfolg sein können.

Originalpublikationen:

[1] Durek P. et. al. Epigenomic profiling of human CD4+ T cells supports a linear differentiation model and highlights molecular regulators of memory development. Immunity 2016, http://dx.doi.org/10.1016/j.immuni.2016.10.022

Die vollständige Sammlung der IHEC-Publikationen ist hier abrufbar.

* Dr. T. Böschen: Christian-Albrechts- Universität zu Kiel, 24118 Kiel

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