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Umweltfreundlichere Landwirtschaft Dünger-Häppchen aus Bio-Kunststoff

Von Dr. Julia Weiler*

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Plastik im Acker vergraben – was sich schrecklich anhört, könnte mit dem passenden Bio-Polymer eine nachhaltige Methode zur gezielten Düngung werden. Denn Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben einen bioabbaubaren Kunststoff mit einer stickstoffhaltigen Substanz versetzt und so zu einem potenziellen Pflanzendünger gemacht. Damit könnte man übermäßigen Einsatz von Nitratdünger vermeiden.

Auf landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland landet oft wesentlich mehr Dünger als eigentlich nötig.
Auf landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland landet oft wesentlich mehr Dünger als eigentlich nötig.
(Bild: Roberto Schirdewahn)

Bochum – In vielen Bereichen versucht man, Kunststoffe zu vermeiden – stellt Plastikmüll doch ein gewaltiges Problem für die Umwelt dar. Unter diesen Voraussetzungen wirkt es zunächst wie ein Affront, was das Team um Dr. Sulamith Frerich von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) erforscht. Dort will man Kunststoff-Stückchen direkt in den Ackerboden eingraben.

Die dort verwendeten Kunststoffe sind allerdings kein gewöhnliches Plastik, wie man es von Verpackungen kennt. Stattdessen testen die Wissenschaftler Biopolymere für ein gezieltes Einbringen von Düngemitteln in landwirtschaftlich genutzte Böden. Diese Kunststoffe haben den Vorteil, dass sie sich mit der Zeit in ihre molekularen Bausteine zersetzen und somit umweltfreundlich sind.

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Nitrateintrag begrenzen

Der Bedarf für eine solche Technik ist hierzulande erheblich: Die EU-Kommission hat Deutschland offiziell gerügt, weil in der Bundesrepublik wiederholt die Grenzwerte für den Nitrateintrag unter anderem durch Düngemittel im Boden überschritten wurden. „Die Gülle aus der Intensivtiermast wird auf die Felder gekippt und dadurch mehr Nitrat als nötig in den Boden eingebracht, das dann ins Grundwasser ausgewaschen wird“, sagt Frerich. „Dabei brauchen Pflanzen eigentlich nur in bestimmten Wachstumsphasen den Stickstoff aus dem Dünger.“

Mithilfe von Biopolymeren will das Forscherteam eine Methode entwickeln, um Dünger zu verkapseln und kontinuierlich in den Boden einzubringen. Das Kapselmaterial bildet eine Barriere zur Umwelt und soll ein plötzliches Freisetzen der stickstoffhaltigen Substanz verhindern. Doktorandin Diana Keddi hat verschiedene Verpackungstechniken erprobt. „Um das Freisetzungsverhalten steuern zu können, müssen wir gezielt eine Trägermatrix für den Dünger aufbauen“, erklärt sie. „Da der Boden nicht mit dem Kapselmaterial kontaminiert werden soll, ist es außerdem vorteilhaft, wenn das Material biologisch abbaubar ist.“

Biobasiert oder biologisch abbaubar?

Biobasiert bedeutet nicht gleichzeitig biologisch abbaubar. Forscher arbeiten daran, fossilbasierte Produkte, die aus Mineralöl hergestellt werden, durch Produkte zu ersetzen, deren Rohstoffe aus pflanzlichen Quellen stammen. So können Biokunststoffe etwa aus Zucker oder Stärke synthetisiert werden. Das heißt aber nicht, dass alles, was biobasiert ist, auch biologisch abbaubar ist, also von Lebewesen zersetzt werden kann. Organische Ausgangsstoffe können so weiterverarbeitet werden, dass sie am Ende nicht auf natürlichem Wege zersetzt werden können, sondern verbrannt werden müssen: Polyethylen kann beispielsweise aus Zuckerrohr gewonnen werden. Andersherum können aus Mineralöl Produkte erzeugt werden, die am Ende trotzdem biologisch abbaubar sind.

Verkapselter Dünger

Als Kapselmaterial verwenden die Bochumer Forscherinnen daher einen Biopolymerschaum aus Polymilchsäure, kurz PLA für „polylactic acid“. Die Milchsäure kann zum Beispiel aus Mais oder Zuckerrüben gewonnen werden. Mit verschiedenen Techniken erprobte die Doktorandin Keddi, wie sie ein Stickstoffdüngerdepot in dem Biopolymer anlegen kann, wobei sie Harnstoff als stickstoffhaltige Modellsubstanz verwendete. Der verkapselte Dünger lag am Ende in Form von Chips vor, ähnlich den Verpackungschips, die man heute statt Styropor in vielen Versandkartons findet.

„Die größte Herausforderung, wenn man einen porösen Verbund aus PLA und Harnstoff herstellen möchte, ist, das Biopolymer verarbeiten zu können, ohne den Harnstoff dabei thermisch zu zersetzen“, schildert Keddi. Harnstoff schmilzt bei etwa 130 °C. Die für die PLA-Verarbeitung erforderliche Temperatur muss also darunter liegen. Bei Normaldruck ist das nicht der Fall, da schmilzt Polymilchsäure je nach Typ erst bei 140 bis 170 °C. Erhöht sich jedoch der Gasdruck, verringert sich die Schmelztemperatur.

Der Kniff mit der Herstellungstemperatur

Keddis Versuche ergaben, dass je nach PLA-Typ ein Druck zwischen 200 und 350 bar in einer CO2-Atmosphäre benötigt wird, um das Biopolymer zu verarbeiten. Dann schmilzt die Polymilchsäure schon unter 130 °C und somit unterhalb der Schmelztemperatur des Harnstoffs.

Die Wissenschaftlerin nutzte darüber hinaus eine zweite Methode, die sogar nur Temperaturen von 40 °C und einen Druck von 100 bis 180 bar erforderte. Im so genannten Gas-Antisolvent-Verfahren löste sie die Polymilchsäure in einem organischen Lösungsmittel. Da die Substanz in gelöster Form vorlag, musste sie nicht geschmolzen werden. Der Lösung fügte Keddi den Harnstoff hinzu und setzte das Gemisch einer CO2-Atmosphäre mit erhöhtem Druck aus. Um ein festes Produkt zu erhalten, musste sie nun wiederum das Lösungsmittel aus dem Gemisch entfernen. Das gelang durch kontinuierliches Spülen mit CO2, welches das Lösungsmittel herausträgt. Senkt man dann den Gasdruck und bleibt das feste Endprodukt aus PLA und Harnstoff zurück.

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Erste Erfolge bei kontrollierter Düngerfreisetzung

Mit beiden Verfahren stellte Keddi einen Verbund aus PLA und Harnstoff her und zeigte anschließend, dass die stickstoffhaltige Substanz aus dem PLA-Schaum bei kontinuierlicher Durchspülung innerhalb von zwei Stunden freigesetzt wird. „Ohne Verkapselung würde der gesamte Harnstoff in diesem Versuchsaufbau innerhalb von zwei Minuten freigesetzt werden“, vergleicht die Forscherin. „Wir können die Freisetzungsdauer also mit der Verkapslung um ein Vielfaches verlängern.“

Die Biopolymer-Chips, die auf diese Weise mit Dünger beladen werden, könnten einfach neben den Pflanzen im Boden vergraben werden, und die stickstoffhaltigen Substanzen würden so Schritt für Schritt in die Erde gelangen. Dass die Technik prinzipiell funktioniert, haben die Ingenieurinnen bereits demonstriert. Aktuell werden weitere Versuchsreihen durchgeführt, die die Freisetzungsversuche auf den realen Anwendungsfall in Erde übertragen. Ziel dabei ist, die gewonnenen Informationen für die industrielle Anwendung zu nutzen.

* Dr. J. Weiler, Ruhr-Universität Bochum, 44801 Bochum

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