Zellfreie Suche nach neuen Antibiotika Künstliche Intelligenz findet neue Wirkstoffe gegen resistente Erreger
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Um der fortwährenden Zunahme von Antibiotikaresistenzen von Erregern beizukommen, werden immer neue Wirkstoffe benötigt. Forscher des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie haben nun mithilfe von künstlicher Intelligenz und synthetischer Biologie einen neuen Ansatz entwickelt, um schnell antimikrobielle Peptide mit breitem Wirkspektrum aufzuspüren.

Eines der größten Probleme unserer Zeit ist die Zunahme von Antibiotikaresistenzen. Schätzungen zufolge verursachen resistente Erreger weltweit über eine Million Todesfälle pro Jahr. Bis 2050 wird prognostiziert, dass diese Zahle auf zehn Millionen ansteigt, sodass dringend neue Methoden benötigt werden, um die Entwicklung neuer antimikrobieller Wirkstoffe zu beschleunigen.
Bereits sehr erfolgreich in der medizinischen Anwendung sind so genannte bioaktive Peptide. Derzeit sind mehr als 80 peptidbasierte Medikamente im Einsatz, die alle aus natürlichen Quellen isoliert wurden. Ein bislang ungenutztes Potenzial liegt allerdings im nicht-natürlichen Bereich, wo schätzungsweise eine Anzahl von 2010 bis 2030 verschiedenen Peptiden noch unerschlossen ist.
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Neuer Wirkstoff
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KI-gestützte Hochdurchsatzmethode für das AMP-Screening
In Zusammenarbeit mit mehreren Laboren am Max-Planck-Institut (MPI) für terrestrische Mikrobiologie sowie weiteren Forschungseinrichtungen hat ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Prof. Tobias Erb eine neue Pipeline für die Entwicklung bioaktiver Peptide entwickelt. Dazu nutzten sie Mechanismen des Deep Learnings, bei dem ein neuronales Netzwerk mit Algorithmen und großen Datenmengen trainiert wird. „Diese Art des maschinellen Lernens ist für die Entdeckung von Peptiden und für das De-novo-Design sehr vielversprechend“, sagt Amir Pandi, Doctoral Student in Erbs Arbeitsgruppe und Erstautor der Studie. „In der Regel folgt darauf jedoch die chemische Herstellung von Peptiden für experimentelle Tests, was recht schwierig und zeitaufwändig ist. Die Zahl der Peptide, die chemisch hergestellt werden können, ist daher sehr begrenzt.“
Um diese Einschränkungen zu überwinden, entwickelte das Forscherteam eine zellfreie Proteinsynthese (CFPS) für die schnelle und kostengünstige Herstellung von antimikrobiellen Peptiden (AMPs) direkt aus DNA-Templates. Das neue Protokoll bietet eine effiziente und kostengünstige Hochdurchsatzmethode für das AMP-Screening.
Sechs potenzielle neue Wirkstoffe gefunden
Das Team verwendete zunächst so genanntes generatives Deep Learning, um Tausende von AMPs de novo zu entwerfen, und anschließend prädiktives Deep Learning, um diese auf 500 Kandidaten einzugrenzen. Von diesen Kandidaten wurden durch das Screening mit der zellfreien Pipeline 30 funktionelle AMPs identifiziert, die die Forscher durch Molekulardynamiksimulationen und die Bestimmung ihrer antimikrobiellen Aktivität und Toxizität weiter charakterisierten. Bemerkenswerterweise zeigten sechs dieser AMPs ein breites Wirkungsspektrum gegen multiresistente Erreger und es kam zu keiner bakteriellen Resistenzentwicklung.
„Wir haben von der Kombination aus zellfreier synthetischer Biologie, künstlicher Intelligenz und Hochdurchsatzverfahren sehr profitiert“, fasst Pandi zusammen. „Indem wir die Anzahl der Kandidaten erhöhen, die in weniger als 24 Stunden experimentell getestet werden können, steigt die Chance, aktive AMPs zu finden.“
So ergänze die neu entwickelte CFPS-Pipeline nicht nur die jüngsten Fortschritte im computergestützten Wirkstoffdesign, sie habe auch das Potenzial, die Beziehung zwischen Design und Funktion bioaktiver Peptide schneller und kostengünstiger zu erforschen, wie der Forscher ergänzt. Auch Gruppenleiter Erb sieht großes Potenzial in der Technik: „Diese neue Methode an der Schnittstelle von synthetischer Biologie und maschinellem Lernen wird für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessant sein, die in den Bereichen Biomedizin und bioaktiven Peptidengineering arbeiten.“
Nächste Schritte
Zu den nächsten Schritten gehören die weitere Verbesserung der Ausbeute bei der Peptidproduktion sowie der Einsatz von KI und Ansätzen der synthetischen Biologie, um neue AMPs zu entwickeln, die stabiler und weniger toxisch sind oder eine spezifische Wirkungsweise haben. Die Forscher planen auch den Einsatz erweiterter generativer KI-Modelle. Dabei lernt die Maschine molekulare Repräsentationen für gewünschte Eigenschaften, was die Erfolgsquote bei der Identifizierung von Wirkstoffkandidaten erhöhen würde.
Originalpublikation: Pandi; A.; Adam, D.; Zare, A.; Trinh, V.T.; Schaefer, S.L.; Burt, M.; Klabunde, B.; Bobkova, E.; Kushwaha, M.; Foroughijabbari, Y.; Braun, P.; Spahn, C.; Preußer, C.; Pogge von Strandmann, E.; Bode, H.B.; v. Buttlar, H.; Bertrams, W.; Jung, A. L.; Abendroth, F.; Schmeck, B.; Hummer, G.; Vázquez, O.; Erb. T.: Cell-free biosynthesis combined with deep learning accelerates de novo-development of antimicrobial peptides, Nature Communications 14, 7197 (2023); DOI: 10.1038/s41467-023-42434-9
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