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Risikoabschätzung für Plastikpartikel Keine akute Gefahr durch Mikroplastik in Europa

Autor / Redakteur: Cornelia Zogg* / Christian Lüttmann

Kaum zu sehen und doch da. Mikroplastik ist in Gewässern nahezu allgegenwärtig. Ein Forscherteam der Empa hat sich die Gefährdung durch die winzigen Plastikpartikel nun genauer angesehen und kommt zu dem Schluss, dass in Europa keine akute Gefahr durch Mikroplastik in Süßwasser besteht – noch nicht…

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Mikroplastik findet man in allen möglichen Farben und Formen.
Mikroplastik findet man in allen möglichen Farben und Formen.
(Bild: Bernd Nowack / Empa)

St. Gallen/Schweiz – So klein wie ein Staubkorn – doch von großer globaler Tragweite. Das Wort Mikroplastik ist vielen ein Begriff, doch die Gefahren sind so gut wie unerforscht. In den vergangenen Jahren ist die Verschmutzung durch Plastik zu einer immer größeren Belastung für die Umwelt herangewachsen. Unzählige Videos und Medienberichte machen auf dieses Problem aufmerksam. Während die Gefahren durch große Plastikteile für Tiere kaum zu übersehen sind, findet man über diejenigen von Mikroplastik bisher nur sehr wenig.

Belastung liegt noch unter den Schwellenwerten

Können diese Millimeter kleinen Platikpartikel ein Problem für die Umwelt darstellen? Der Umweltwissenschaftler und Empa-Forscher Bernd Nowack setzt sich unter anderem mit der Umweltbelastung durch Mikroplastik auseinander. Zusammen mit Véronique Adam hat Nowack nun die weltweit erste Risikoabschätzung für in Süßwasser lebende Fische und andere Wasserorganismen durchgeführt. Dazu haben sie die Ergebnisse aus unzähligen Studien verglichen und ausgewertet.

Ergänzendes zum Thema
Phänomen Mikroplastik – Was ist Mikroplastik überhaupt?

Zu Mikroplastik zählen Kunststoffteile, die kleiner als fünf Millimeter sind. Dabei unterscheidet man zwei Arten von Mikroplastik:

  • kleinkörnige Kunststoffgranulate, die als Ausgangsmaterial zur Herstellung von diversen Kunststoffprodukten, aber auch von Kosmetika und Haushaltsartikeln dienen (primärer Mikroplastik) und
  • Kunststoffteile, die beim Zerfall größerer Plastikteile in der Umwelt entstehen, z.B. durch Verwitterung oder mechanische Beanspruchung (sekundärer Mikroplastik).

Eine wichtige Quelle von sekundärem Mikroplastik sind Faserbruchstücke, welche beim Waschen von Kunststofftextilien ins Abwasser abgegeben werden. Primärer Mikroplastik gelangt durch Reinigungsprozesse, etwa in Industriebetrieben, dem Hausputz oder beim Duschen, ins Abwasser. Obwohl nicht dafür konzipiert, sind Kläranlagen recht effizient darin, Mikroplastik aus dem Abwasser zu filtern. Trotzdem verteilen sich große Mengen an Mikroplastik in Gewässern und Böden überall auf der Welt – Tendenz steigend.

Um herauszufinden, ob ein Risiko für die Umwelt besteht, haben die Empa-Forscher eine Methode angewendet, welche für die Abschätzung von Umweltrisiken durch Chemikalien etabliert ist. Sie verglichen real gemessene Belastungen von Gewässern durch Mikroplastik mit Schwellenwerten für die möglichen toxischen Effekte bei verschiedenen Organismen. Überschneiden sich Belastungen und Schwellenwerte, besteht tatsächlich ein Umweltrisiko.

Das Ergebnis der Umweltforscher mag zunächst überraschen: In Europa besteht momentan keine Gefahr für die Umwelt, da die tatsächlich gemessenen Konzentrationen an Mikroplastik in den bis jetzt untersuchten Gewässern deutlich unter den Schwellenwerten liegen. Anders sieht es beispielsweise in Asien aus, das besonders vom Plastikproblem betroffen ist. Nowack und Adam fanden in den Daten aus Asien eine Überschneidung der Belastungen und der Schwellenwerte, wenn diese auch äußerst klein ist.

Das LABORPRAXIS-Dossier Mikroplastik In unserem Dossier „Mikroplastik“ haben wir für Sie weitere Forschungsvorhaben und -erkenntnisse zum Thema Mikroplastik zusammengefasst.

Kläranlagen helfen gegen Mikroplastik

Wie diese beiden Beispiele zeigen, fanden die Forscher Unterschiede zwischen den verschiedenen Weltregionen bezüglich Verschmutzung durch Mikroplastik und des daraus resultierenden Risikos für die Umwelt. Vor allem in Regionen, die kein oder ein nur begrenzt funktionierendes Abwassereinigungssystem haben, können höhere Umweltkonzentrationen auftreten. Dies zeigt, dass gut funktionierende Kläranlagen besonders wichtig für den Schutz der Umwelt vor Mikroplastik sind.

Wie effizient Kläranlagen Mikroplastik aus dem Wasser filtern können, lesen Sie hier:

Nowacks Fazit: „Zurzeit besteht kein Hinweis, dass Mikroplastik in Europa ein Risiko für die Umwelt darstellt.“ Allerdings seien weitere Untersuchungen nötig, um negative Folgen definitiv ausschließen zu können, da die Datengrundlage insgesamt noch recht spärlich ist, vor allem auch, was lokale Hotspots von Mikroplastik in der Umwelt angeht. So empfiehlt er etwa kontrollierte Studien mit Standardmethoden und vollständiger Charakterisierung der Partikel. Schließlich gibt es auch viele Forschungsergebnisse, die vor den Gefahren durch Mikroplastik warnen, seien es Plastikpartikel an Land oder Bakterienfilme auf Mikroplastik .

Seine eigene Forschungsgruppe „Environmental Risk Assessment and Management“ in der Empa-Abteilung „Technologie und Gesellschaft“ in St. Gallen wird das Thema jedenfalls weiterverfolgen. Geplant sind ähnliche Risikobewertungen für Mikroplastik in Böden und eine Studie für die Weltmeere. Auch die Quantifizierung der Mikroplastikflüsse in die Umwelt oder die Untersuchung der Bildung von Mikroplastik beim Waschen und Verwittern sind aktuelle Forschungsprojekte.

Originalpublikation: V Adam, T Yang, B Nowack: Toward an ecotoxicological risk assessment of microplastics: Comparison of available hazard and exposure data in freshwaters. Environ Toxicol Chem Volume38, Issue2, 2019;38:436–447. DOI: 10.1002/etc.4323

* C. Zogg, EMPA Eidgenössische Material- Prüfungs-und Forschungsanstalt,8600 Dübendorf

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