Chemische Geheimnisträger Organische Moleküle als Passwort-Ersatz?
Im Zeitalter digitaler Übertragung ist der Schutz sensibler Informationen ein wichtiges Thema. Viele Daten werden daher mit einem Passwort verschlüsselt – und genau dieses ist in den allermeisten Fällen die Eintrittspforte für Codeknacker. Einen ungewöhnlichen aber sicheren Weg wählten Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT): Sie nutzten eigens synthetisierte Moleküle als Passwörter in einem gängigen Verschlüsselungsverfahren.
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Karlsruhe – Bereits jetzt existieren sehr gute und effektive Verschlüsselungsprogramme, die fast nicht zu überwinden sind, vorausgesetzt die Rechnerleistung ist begrenzt. Schwachstelle bleibt dabei immer das Passwort. Wenn es schlecht gewählt ist und nicht den nötigen Sicherheitsansprüchen genügt, bildet es die Achillesferse der gesamten Verschlüsselung. Genau an dieser Stelle setzen die Wissenschaftler des KIT an: Sie verbergen die Information für das Passwort in einem kleinen organischen Molekül. Und während die verschlüsselte digitale Information dann gewissermaßen öffentlich reisen kann, wird der Schlüssel zum Lesen der Information unsichtbar und ohne Wissen der Umwelt in Form einer kleinen Menge der chemischen Verbindung, beispielsweise aufgetropft auf Papier, transportiert.
Interessant für Geheimdienste oder Fälschungssicherheit
„Das Verfahren eignet sich natürlich nur für Anwendungen, die eine sehr hohe Sicherheitsstufe benötigen und damit auch einen gewissen Aufwand rechtfertigen, etwa für die Übermittlung von Geheimdienstinformationen oder bei der Kommunikation in Botschaften“, so Professor Michael Meier vom Institut für Organische Chemie. Auch um Plagiate von Originalen zu unterscheiden oder Produktinformationen wie Charge oder Produktionsdatum fälschungssicher am Produkt anzubringen, bietet sich das Verfahren an.
„Wir können mit geringsten Mengen arbeiten und finden diese auch in Materialien, bei denen man mit anderen chemischen Verbindungen, etwa DNA-Molekülen, nicht weit kommt“, sagt Erstautor Andreas Boukis. So gelang es den Wissenschaftlern, die chemischen Schlüssel aus unterschiedlichen Trägermaterialien, beispielsweise Papier, Parfüm, Instantkaffee, Grünem Tee, Zucker oder sogar Schweineblut mit hoher Zuverlässigkeit zu isolieren.
Wie man Passwörter in Molekülform baut
Die Information des chemischen Schlüssels steckt in der Abfolge seiner Bausteine und den daran angehängten Seitenketten. Jeder dieser chemischen Komponenten wird ein Buchstabe und eine Ziffer zugewiesen. Dadurch ergibt sich ein individueller alphanumerischer Code für das Passwort-Molekül, je nachdem welche Bausteine in gegebener Reihenfolge und mit welchen Seitenketten synthetisiert werden. Dieser Molekül-Code lässt sich mit einem eigens dafür entwickelten Computerprogramm auslesen und in einen binären Code umwandeln.
Für die Synthese verwendeten die Wissenschaftler eine gängige so genannte Multikomponentenreaktion. Diese ermöglicht es, verhältnismäßig unaufwändig in einem Schritt ein zuvor definiertes Molekül zu synthetisieren. Als einzelne Grundbausteine wählten die Forscher geeignete kommerziell erhältliche Verbindungen. Mit dieser Bibliothek aus 130 verschiedenen Grundbausteinen lassen sich 500.000 chemische Schlüssel synthetisieren, die jeweils eine Grundinformation von 18 Bit enthalten. Durch die Kombination verschiedener chemischer Schlüssel, die auch zeitlich und örtlich unterschiedlich übermittelt werden können, lässt sich die Informationsspeichergröße und damit die Sicherheit weiter erhöhen.
Passwortmoleküle isolieren und analysieren
Da die Verbindungen sehr robust sind, eignen sie sich für viele unterschiedliche Trägermaterialien. Dank einer weiteren Eigenschaft sind sie zudem leicht zu finden: Sie tragen in einer Position eine besondere Seitenkette, so genannte Perfluoralkyle. Diese haben ähnliche Eigenschaften wie Teflon, das heißt sie wechselwirken weder mit wässrigen (polaren) noch mit fetthaltigen (unpolaren) Medien besonders gerne, sondern nur mit anderen perfluorierten Verbindungen. Darum kann man diese Moleküle selektiv aus einem Gemisch abtrennen.
Die Analyse der isolierten Verbindungen geschieht im Anschluss mittels Massenspektrometrie. Kennt man die Bibliothek der 130 möglichen Ausgangskomponenten, lässt sich so auf das Molekül rückschließen und man kann dann das Passwort zum Entschlüsseln ablesen.
„Die Idee, Informationen über geheime Kanäle zu schicken, ist nicht neu, unser Verfahren zeichnet aber aus, dass wir einen besonders robusten geheimen Kanal zur Verfügung stellen, welcher mit minimalen Mengen an Schlüsselmolekül auskommt,“ fasst Professor Dennis Hofheinz vom Institut für Theoretische Informatik die Vorteile der chemischen Passwörter zusammen.
Orginalpublikation: A. C. Boukis, K. Reiter, M. Frölich, D. Hofheinz und M. A. R. Meier: Multicomponent reactions provide key molecules for secret communication.Nature Communications, 2018, DOI: 10.1002/chem.201800526
* Regina Link: Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 76131 Karlsruhe
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