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Das Flagellum als möglicher Ansatzpunkt im Fokus
Wie genau dieser Auf- und Abbau der Flagellen reguliert ist, hat das Forschungsteam um Marc Erhardt nun an Salmonella enterica entschlüsselt. Insgesamt sind zehntausende Proteine für die Produktion eines Flagellums nötig. „Weil die Bakterien extrem viel Energie für den Aufbau aufwenden müssen, ist die Entscheidung über die Flagellenbildung eine sehr wichtige“, sagt Erhardt. Mit einer Vielzahl von Rezeptoren, sogenannten Zweikomponentensystemen, vermessen die Salmonellen permanent die Bedingungen ihrer Umgebung, etwa den pH-Wert oder die Salzkonzentration, um festzustellen, wo sie sich genau befinden und ob sie Flagellen bilden müssen oder nicht. „Diese Umweltsignale wirken über ein komplexes Rückkopplungssystem auf die Produktion eines Regulatorkomplexes, der wiederum die Flagellenbildung anwerfen kann“, erklärt Erhardt.
Die zugehörigen Gene für den Regulatorkomplex tragen die Bezeichnung flhDC und werden normalerweise durch ein Zusammenspiel zweier Faktoren – RflM und RcsB – gehemmt. Legen die Messwerte der Rezeptoren die Ausbildung eines Flagellums nahe, wird die Wechselwirkung dieser beiden Faktoren gestört, das Regulatorgen freigegeben und letztendlich die Maschinerie zum Flagellenaufbau angeworfen. Mithilfe modernster Mikroskopiemethoden können die Wissenschaftler den Flagellenaufbau jetzt sogar auf molekularer Ebene beobachten: Eine neue, hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie macht einzelne Proteine und Proteinkomplexe in lebenden Zellen sichtbar und hat dabei eine zehnmal höhere Auflösung als die herkömmliche Lichtmikroskopie. In Kooperation mit Forschern der Universität Osnabrück haben Marc Erhardt und sein Team verschiedene Flagellenproteine und auch die Chemorezeptoren von Salmonella enterica mit einem Enzym markiert, das unter bestimmten Bedingungen eine Fluoreszenz erzeugt. So gelang es, die Dynamik des Flagellenaufbaus unter dem Mikroskop genau zu verfolgen und auch die Lage der Chemorezeptoren in den Bakterienzellen zu bestimmen.
Der große Aufwand, den Salmonellen zum Flagellenaufbau betreiben müssen, ist gleichzeitig ein möglicher Angriffspunkt für die Wissenschaftler: „Wenn es uns gelänge, die Ausbildung oder die Funktion von Flagellen zu hemmen, wären die Bakterien weniger virulent“, sagt Marc Erhardt. „Das würde sie weniger gefährlich für den Körper machen, das Immunsystem hätte also leichtes Spiel mit ihnen.“ Für einen therapeutischen Einsatz von Salmonellen gegen Krebs müssen die Forscher all die untersuchten Aspekte so kombinieren, dass die Bakterien Tumore finden und besiedeln, dabei dem Körper nicht schaden und trotzdem eine ausreichend starke Immunreaktion auslösen. Langfristig möchten die Forscher die Salmonellen dazu bringen, im Tumor zusätzlich Substanzen freizusetzen, die das Krebsgewebe schwächen und es für das Immunsystem leichter abbaubar machen. „Da das HZI mit seinen vielfältigen Forschungsgruppen eine breite Expertise in vielen Bereichen der Bakterienforschung besitzt, können wir parallel ein großes Spektrum an Analysen durchführen“, sagt Siegfried Weiß. „Bis zum klinischen Einsatz von Salmonellen ist es allerdings noch ein weiter Weg.“
Originalpublikationen:
aroA-Deficient Salmonella enterica serovar typhimurium is more than a metabolically attenuated mutant: Sebastian Felgner, Michael Frahm, Dino Kocijancic, Manfred Rohde, Denitsa Eckweiler, Agata Bielecka, Emilio Bueno, Felipe Cava, Wolf-Rainer Abraham, Roy Curtiss, Susanne Häußler, Marc Erhardt, Siegfried Weiss. mBio (2016), doi: 10.1128/mBio.01220-16
RflM mediates target specificity of the RcsCDB phosphorelay system for transcriptional repression of flagellar synthesis in Salmonella enterica: Caroline Kühne, Hanna M. Singer, Eva Grabisch, Luca Codutti, Teresa Carlomagno, Andrea Scrima and Marc Erhardt. Molecular Microbiology (2016), doi:10.1111/mmi.13427
Single molecule super-resolution imaging of proteins in living Salmonella enterica using self-labelling enzymes: Britta Barlag, Oliver Beutel, Dennis Janning, Frederik Czarniak, Christian P. Richter, Carina Kommnick, Vera Göser, Rainer Kurre, Florian Fabiani, Marc Erhardt, Jacob Piehler and Michael Hensel. Scientific Reports 6 (2016), doi:10.1038/srep31601
* Dr. A. Fischer: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH, 38124 Braunschweig
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