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Bionik färbt Oberflächen ohne Pigmente Strahlend weiß dank Käferpanzer

Von Regina Link*

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In weißer Wandfarbe sorgt umweltbedenkliches Titandioxid für die helle Optik. Doch es geht auch anders: Der Panzer einer asiatischen Käferart wirkt allein aufgrund seiner besonderen Oberflächenstruktur weiß. Dies hat Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie dazu inspiriert, eine ähnliche Strukturierung für dünne Polymerfolien zu entwickeln, die sich auf unterschiedlichste Gegenstände aufbringen lassen.

Nach dem Vorbild des weißen Käfers Cyphochilus insulanus erzeugt ein nanostrukturierter Polymerfilm eine strahlend weiße Beschichtung.
Nach dem Vorbild des weißen Käfers Cyphochilus insulanus erzeugt ein nanostrukturierter Polymerfilm eine strahlend weiße Beschichtung.
(Bild: Julia Syurik, KIT)

Karlsruhe – Eine strahlend weiße Oberfläche lässt Möbel und andere Gegenstände sauber, hell und modern wirken. Bislang ist Titandioxid das Standardpigment, um Lacke, Farben und Kunststoffe, aber auch Kosmetika, Lebensmittel, Kaugummi oder Tabletten Weiß zu färben.

Das Pigment steht jedoch in der Kritik. „Titandioxid hat einen sehr hohen Brechungsindex, es reflektiert einfallendes Licht fast vollständig, hat jedoch den Nachteil, dass sich seine Partikel nicht abbauen und dadurch auf Dauer die Umwelt belasten“, sagt Professor Hendrik Hölscher vom Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) des KIT. Zudem gibt es Bedenken, dass Titandioxid möglicherweise gesundheitsschädlich sein könnte.

Oberflächen in Rasierschaum-Optik

Um trotzdem einen weißen Farbeindruck zu erzeugen, geht Hölscher mit seinem Team einen anderen Weg: „Wir umgehen die Verwendung von umwelt- und gesundheitsschädlichen Pigmenten, indem wir poröse Polymerstrukturen mit vergleichbar hoher Streuung erzeugen.“ Statt mit Partikeln erzielen die Karlsruher Forscher den Weißeffekt also mit einer speziellen Oberflächenstruktur, die einfallendes Licht besonders gut streut.

Inspiriert wurden Hölscher und sein Team von dem weißen Käfer Cyphochilus insulanus, dessen Schuppen dank einer speziellen Nanostruktur seines Chitinpanzers weiß erscheinen. „Nach diesem Vorbild stellen wir aus Polymeren feste, poröse Nanostrukturen her, die einem Schwamm ähneln“, erklärt der Leiter der Forschungsgruppe Biomimetische Oberflächen. Wie die Bläschen von Rasier- oder Badeschaum sorgt auch hier die Struktur für eine Streuung des Lichts, die das Material weiß wirken lässt. Die neue Technik für eine kostengünstige und unbedenkliche weiße Optik eignet sich für verschiedenste Oberflächen.

In einem Video des KIT zeigen die Forscher, welche spannenden Erkenntnisse sie aus der Analyse von Käferpanzern und Pflanzenblättern gewonnen haben (wenn das Video nicht startet, versuchen Sie Chrome oder Safari als Browser):

Lichtreflektion nach dem Vorbild der Natur

„Die mit unserem Verfahren gefertigten Polymerfolien sind extrem dünn, flexibel und leicht, aber dennoch mechanisch stabil und lassen sich industriell auf unterschiedliche Produkte aufbringen“, sagt Hölscher. Bei einer Stärke von nur neun Mikrometern reflektiert die neuentwickelte Polymerfolie mehr als 57 Prozent des einfallenden Lichts. Bei dickeren Folien sind nach Angaben der Forscher sogar 80 bis 90 Prozent erreichbar.

Für die Entwicklung wurde die schwammförmige Mikrostruktur auf Acrylglas aufgebracht. Das Verfahren lässt sich jedoch auf viele andere Polymere übertragen. „Neben Folien lassen sich auch ganze Gegenstände entsprechend weiß färben, wir planen als nächsten Schritt Partikel, zum Beispiel kleine Kügelchen, herzustellen, um sie in andere Materialien einbringen zu können“, sagt Hölscher. Damit könnte man in Zukunft das in Kritik geratene Weißpigment Titandioxid ersetzen.

Technischer Fortschritt durch Bionik

Die vom Käfer inspirierte Beschichtung fasziniert den KIT-Forscher wegen ihrer vergleichsweise einfachen Zusammensetzung. Während Ingenieure häufig Lösungen mit Materialien aus vielen verschiedenen chemischen Elementen entwickelten, beschränke sich die Natur meist auf ein einziges Grundmaterial, das dank einer komplexen dreidimensionalen Struktur interessante mechanische, optische oder physikalisch-chemische Eigenschaften aufweise, so Hölscher. Die Bionik, in der man Phänomene der Natur zu verstehen und technisch zu imitieren versucht, führe häufig zu völlig neuen Lösungen – die auf anderem Weg vielleicht nie gefunden worden wären.

Originalpublikation: Julia Syurik, Radwanul Hasan Siddique, Antje Dollmann, Guillaume Gomard, Marc Schneider, Matthias Worgull, Gabriele Wiegand & Hendrik Hölscher: Bio-inspired, large scale, highlyscattering films for nanoparticlealternative white surfaces, Scientific Reports volume 7, Article number: 46637 (2017) ; DOI: 10.1038/srep46637

* R. Link, Karlsruher Institut für Technologie, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen

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