SPECIAL Nanotechnologie Teststreifen für den Nanokosmos
Die Qualität bildgebender Analysesysteme wird ganz wesentlich durch das Auflösungsvermögen bestimmt.
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Die Qualität bildgebender Analysesysteme wird ganz wesentlich durch das Auflösungsvermögen bestimmt. Nur der Einsatz von Testproben mit nanoskaligen Strukturen ermöglicht die Ermittlung, Optimierung und kontinuierliche Kontrolle der lateralen Auflösung von Geräten für die Oberflächenanalytik im Nanometerbereich.
Mit der Entwicklung der Nanotechnologie werden Mess- und Analysemethoden für den Nanometerbereich in immer stärkerem Umfang in Industrie und Forschung benötigt. Quantitative Informationen über Oberflächentopographie, chemische Zusammensetzung und physikalische Eigenschaften im Nanometerbereich sind von zentraler Bedeutung für die Entwicklung neuartiger nanoskaliger Strukturen. Darüber hinaus sind genaue und reproduzierbare Messergebnisse die Grundlage für eine stabile Prozesskontrolle und die Einbindung der entsprechenden Messverfahren in Qualitätssicherungssysteme. Für diese Aufgaben werden geeignete Referenzmaterialien benötigt.
Die chemische Oberflächenanalytik spielt bei der Entwicklung und Herstellung nanoskaliger Strukturen eine wichtige Rolle. Dabei wird mit Elektronen, Ionen oder Photonen die chemische Zusammensetzung an der Materialoberfläche analysiert. Beispiele sind die Augerelektronen-Spektroskopie (AES), die Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS) und die Elektronenspektroskopie für die chemische Analyse (ESCA, XPS). Um mit diesen bildgebenden Methoden immer kleinere Strukturen untersuchen zu können, wird intensiv an der Verbesserung der lateralen Auflösung der entsprechenden Geräte gearbeitet. Dafür werden geeignete Testproben mit sehr feinen Strukturen benötigt. Auf der Seite der Anwender werden solche Proben für die Bestimmung und regelmäßige Kontrolle der lateralen Auflösung sowie als Justier- und Einstellhilfe benötigt.
Bisher waren keine Testproben mit regelmäßigen Strukturen im Bereich zwischen den Abmessungen des Kristallgitters (d < 1 nm) und lithographischen Strukturen (d > 100 nm) verfügbar. Genau in dieser Lücke liegt aber die laterale Auflösung der meisten Geräte, die mit Elektronenstrahlen oder Ionenstrahlen die Oberfläche analysieren.
Darüber hinaus besitzen bisher verwendete Proben wie feine Drähte oder geätzte Stufen eine dreidimensionale Struktur, die eine scharfe Abbildung mit Elektronenstrahlen oder Ionenstrahlen erschwert. Deshalb musste eine flache Testprobe entwickelt werden, die rein chemische Kontraste mit Strukturbreiten unter 100 nm aufweist.
Herstellung des Referenzmaterials
Zur Lösung des Problems wurde an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ein neuer Ansatz gewählt. Das zertifizierte Referenzmaterial BAM-?L002 „Streifenmuster für die Längenkalibrierung und die Bestimmung der lateralen Auflösung im Nanometerbereich“ ist der Querschliff eines Halbleiterschichtsystems. Die AlxGa1-xAs - InxGa1-xAs - GaAs - Schichten wurden mit Metallorganischer-Gasphasen-Epitaxie (MOCVD) am Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität Berlin hergestellt. Die Schichtdicken liegen zwischen 0,4 nm und 500 nm (Abb. 1).
Der beschichtete GaAs-Wafer wurde in 5 x 5 mm große Plättchen zersägt. Jeweils eins dieser Plättchen wurde zusammen mit einem unbeschichteten GaAs-Wafer in leitfähiges Epoxidharz eingebettet und anschließend senkrecht zur Plättchenebene geschliffen und poliert. Das in Abbildung 1 schematisch dargestellte Schichtsystem ist dann in der Oberfläche der Probe als Streifenmuster sichtbar, wie die Abbildung mit dem Rasterelektronenmikroskop (Abb. 2) zeigt.
Zertifizierung
Ringversuche zur Methodenvalidierung sowie die Kalibrierung und ständige Funktionsprüfung von Messgeräten im Rahmen der Qualitätssicherung erfordern Proben mit belastbaren Kennwerten. Deshalb wurden die in Abbildung 1 unterstrichenen Abmessungen des Streifenmusters zertifiziert. Als Zertifizierungsmethode wurde die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) gewählt, weil diese Methode sehr scharfe Bilder im Bereich weniger Nanometer liefert. Darüber hinaus können die Messergebnisse am TEM über die Messung von Gitterkonstanten direkt auf das Meter zurückgeführt werden.
Mit dem TEM können nur sehr dünne Schichten durchstrahlt werden. Deshalb wurden mit einem fokussierten Ionenstrahl (FIB) TEM-Lamellen von verschiedenen Stellen des Wafers entnommen und dann mit einem kalibrierten TEM abgebildet und vermessen. Die im Zertifikat des Referenzmaterials angegebenen Messunsicherheiten der zertifizierten Werte enthalten sowohl die Messunsicherheit der TEM-Messungen als auch die Streuung der Werte durch eine sehr geringe Variation der Schichtdicken über den Wafer.?Das zertifizierte Referenzmaterial BAM-L002 kann bei allen Messverfahren eingesetzt werden, die zwischen den unterschiedlichen Materialien des Streifenmusters differenzieren können und damit einen ausreichenden Materialkontrast besitzen. Bisher wurde es für die Rasterelektronenmikroskopie (Abb. 2), die Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS) (Abb. 3) und die Elektronenspektroskopie für die chemische Analyse (ESCA, XPS) erprobt.
BAM-L002 ermöglicht die Kalibrierung der Längenskala und die Bestimmung der lateralen Auflösung. Weiterhin ist mit diesem Referenzmaterial die Parameteroptimierung während des Messprozesses möglich. Dazu weist das Streifenmuster eine Kalibrierstrecke und Streifen verschiedener Breite auf.
Bestimmung der lateralen Auflösung
In der chemischen Oberflächenanalytik wird nach der Norm ISO 18115 die laterale Auflösung eines Gerätes definiert als der „kleinste Abstand, über den Änderungen der Zusammensetzung mit Sicherheit festgestellt werden können“. Um diese Größe zu bestimmen, wird eine Probe mit möglichst definierten Änderungen der Zusammensetzung in der Oberfläche benötigt. Dabei können drei verschiedene Methoden verwendet werden: (1) Die Abbildung von Streifengittern, (2) die Abbildung eines im Vergleich zur lateralen Auflösung schmalen Streifens, (3) die Abbildung eines abrupten Überganges (Stufenübergang) zwischen Bereichen unterschiedlicher Zusammensetzung. In der Oberfläche von BAM-L002 (Abb. 1, 2, 3) sind die benötigten Streifenmuster für alle drei Methoden verfügbar.
Die Abbildung von Streifengittern ist eine Methode zur direkten Abschätzung der lateralen Auflösung, denn bereits während der Abbildung des Objektes wird sichtbar, ob die Streifen eines Gitters im Bild getrennt wahrnehmbar sind oder nicht. Deshalb ist diese Methode auch besonders für die Optimierung der Messbedingungen geeignet. Der Begriff „getrennt wahrnehmbar“ enthält aber einen Rest von subjektiver Einschätzung. Deshalb ist es unter Umständen zweckmäßig, die Trennung von zwei Streifen zu quantifizieren (Abb. 4)
Die Abbildung eines hinreichend schmalen Streifens liefert eine Verteilung, deren Breite und Intensitätsverteilung nur von den Eigenschaften des abbildenden Gerätes abhängt. Diese Verteilung wird als Linienverwaschungsfunktion (Abb. 5) des Gerätes bezeichnet, und ihre Breite, genauer gesagt die volle Breite auf halber Höhe des Maximums dieser Verteilung (im weiteren kurz Halbwertsbreite genannt), wird als Maß für die laterale Auflösung des Gerätes genommen. Dieser Wert kann dann mit den entsprechenden Werten anderer Geräte verglichen werden.
Die dritte Methode ist die Abbildung eines Stufenüberganges, in diesem Falle einer sogenannten „chemischen Kante“ zwischen zwei Bereichen unterschiedlicher Zusammensetzung. Das Bild des Stufenübergangs ist vollständig durch die Abbildungseigenschaften des Gerätes bestimmt, wenn der Übergang hinreichend steil ist. Dem Profil durch das Bild des Stufenüberganges werden Werte entnommen, mit denen die laterale Auflösung des Gerätes charakterisiert ist (Abb. 6). Die 1. Ableitung des gemessenen Profils am Stufenübergang entspricht der Linienverwaschungsfunktion (Abb. 5).
Ringversuch mit SIM
Das zertifizierte Referenzmaterial BAM-L002 wurde erfolgreich im Rahmen eines Ringversuchs zur Sekundärionen-Massenspektrometrie eingesetzt. Dabei wurde die laterale Auflösung der Geräte ermittelt und ihre Längenkalibrierung überprüft. Die Abbildung des Streifenmusters mit einem ToF-Sekundärionen-Massenspektrometer (Abb. 7) ist in Abbildung 3 dargestellt. Aus dem Profil durch die Aluminiumverteilung wurde die Halbwertsbreite der Linienverwaschungsfunktion zu 130 nm bestimmt. Damit wird das Gitter 2 mit einer zertifizierten Periode von 148 nm gerade noch aufgelöst. Die Indiumverteilung zeigt den deutlichen Nachweis eines InAs-Streifens mit einer Breite von ca. 0,4 nm
Ausblick
Die Einbettung der Halbleiterprobe in Edelstahl statt in Epoxidharz wurde erfolgreich erprobt und führt zu verbesserten Messbedingungen im Hochvakuum. Ein neues Streifenmuster mit einer größeren Anzahl von Gitterstrukturen bis in den Bereich unter 10 nm befindet sich in Vorbereitung. Im Rahmen des internationalen Projektes VAMAS TWA 2 A8 („Versailles Project on Advanced Materials and Standards“) wird überprüft, ob die vorgestellten Streifenmuster eine Grundlage für eine ISO Norm zur Bestimmung der lateralen Auflösung im Bereich der chemischen Oberflächenanalytik darstellen.
Die hier beschriebenen Arbeiten werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gefördert.
* M. Senoner, T.Wirth und W. Unger, Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM), Labor VIII.23: Mikrobereichs- und Oberflächenanalyse, Rastermikroskopie, 12200 Berlin
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