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Mikrofluidik

Verhaltensbiologie: Fisch und Chips

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Mit Ganzhirn-in-vivo-Bildgebung kompatibel

Das Mikrofluidiksystem besteht vollständig aus optisch hochwertigem Glas und ist mit einem DLS-Mikroskop kombinierbar. Das Glas wurde lokal Schicht für Schicht mit einem Ultrakurzpulslaser abgetragen, wodurch nicht nur Kammern, sondern auch winzige gravierte Strömungskanäle im Inneren entstehen. Die Zebrafischlarven können in der Kammer, welche genau auf den Schwanz und den Rumpf eines Tiers im Alter von sechs Tagen angepasst ist, festgehalten werden. Die durchströmten Kanäle können neben Wasser auch chemische Stimuli mit hochpräziser Lokalisierung zuführen.

Bis zur fertigen Kammer waren viele Arbeitsschritte nötig. Nicht nur viele Strömungsprofile mussten simuliert, sondern auch so manche Kammer graviert werden, bis alles passte. Außerdem wurden fluidische und optische Simulationen durchgeführt, um das Mikrofluidiksystem mit einem Lichtblatt-Mikroskopie-Verfahren kombinieren zu können, sodass ein zu einer Ebene ausgeweiteter Laserstrahl nacheinander übereinanderliegende Gewebsschichten des Gehirns ausleuchtet. So wird es möglich, dass innerhalb von drei Sekunden ein dreidimensionales Bild des Aktivitätszustands des gesamten Gehirns entsteht, in dem jede einzelne Nervenzelle rekonstruiert werden kann. Die In-vivo-Bildgebung des gesamten Gehirns mit zellulärer Auflösung erlaubt eine Vogelperspektive auf das aktive Gehirn, die voraussichtlich zu neuen Erkenntnissen beitragen wird, und zwar von der Grundlagenforschung über die klinischen Neurowissenschaften bis hin zur Neuropharmakologie.

Bildergalerie

Analog zur Lichtblattmikroskopie, die für die Ganzhirnbildgebung mit hoher räumlich-zeitlicher Auflösung prädestiniert ist, haben sich mikrofluidische Geräte in jüngster Zeit als leistungsfähige Technologie für die Abgabe räumlich präziser chemischer Stimuli im Millisekundenbereich erwiesen. Bislang wurde die Mikrofluidik aber noch nicht mit der Lichtblattmikroskopie für die In-vivo-Ganzhirnbildgebung kombiniert. Noch erhalten die Fische im Neuroexaminer keine gezielten Stimuli. Wissenschaftler schauen momentan den Fischen bei ihrer spontanen Gehirnaktivität zu, aber schon hier ist beeindruckend zu sehen, welche neuronalen Gewitterstürme bereits in einer Ruhesituation durch das Gehirn toben.

Es ist zu erwarten, dass die Kombination von Lichtblattmikroskopie und mikrofluidischer Wirkstoffapplikation in einem neuartigen Diagnoseinstrument fundamentale Einblicke in die neuronalen Schaltkreise geben wird, die komplexen Gehirnfunktionen zugrunde liegen, z.B Emotionen und motiviertem Verhalten. Darüber hinaus könnte das Gerät zu einer neuartigen Charakterisierung und Validierung in der Entwicklung von Medikamenten beitragen, um letztlich die Behandlung von neuropsychiatrischen Erkrankungen zu verbessern.

Die Methoden im Detail

Der Neuroexaminer wurde ausschließlich aus Glas mittels Femtosekunden-Laserbearbeitung und anschließender thermischer und chemischer Oberflächenveredelung hergestellt. Die Multi-Photonen-Absorption in Glas ermöglicht einen iterativen Abtrag zur Erzeugung dreidimensionaler mikrofluidischer Strukturen. Der 3D-Entwurf wurde für die Laserbearbeitung in mehrere Schichten von 50 μm Höhe umgewandelt. Nach der Strukturierung wurden zwei Systemhälften zunächst gereinigt und dann so aus­gerichtet, dass geschlossene mikrofluidische Chips entstehen. Das abschließende thermische Bonden gelang bei 630 °C für 6 h gefolgt von einer Wärmebehandlung bei 740 °C für 1 h im Muffelofen. Diese Wär­mebehandlung wurde zweimal durchgeführt, um glatte Glasoberflächen in den Mikrokanälen herzustellen.

Optisch klare Proben sind eine Voraussetzung für schnelle physiologische Ganzhirnanalysen. Während dies eine intrinsische Eigenschaft von Zebrafischlarven ist, bildet das Zebrafisch-Vorderhirn (Telencephalon) eine Ausnahme, da es auf beiden Seiten des Kopfes von pigmentierten Augen flankiert wird, was verhindert, dass ein Laserlichtblatt das dazwischen liegende neuronale Gewebe beleuchten kann. Da Wissenschaftlicher physiologische Veränderungen im gesamten Gehirn bestimmen wollen, haben sie einen genetischen Zebrafischstamm verwendet, der aufgrund seines fast vollständig unpigmentierten Phänotyps als crystal bezeichnet wird. Um die neuronale Aktivität im gesamten Gehirn zu erfassen, verwendeten die Autoren eine transgene Linie im unpigmentierten crystal Hintergrund, in der ein kernlokalisierter Calcium-Indikator, GCaMP6s, durch den panneuronalen elavl3-Promotor exprimiert wird, was mit Veränderungen der intrazellulären Ca2+-Konzentrationen verbunden ist (Calcium Imaging).

Zur Lichtblattabbildung im mikrofluidischen Chip wurden Neuroexaminer-Chips in eine speziell angefertigte Imaging-Kammer platziert, die mit isotonischer Lösung gefüllt war. Zuerst wurden sechs Tage alte Kristall-Larven anästhesiert, danach wurde eine einzelne betäubte Larve durch Pipettieren in den Neuroexaminer transferiert, sorgfältig in der Justierkammer ausgerichtet und mit dem Schwanz in Richtung Auslass in den Fischfixator gesetzt. Um die Aktivität des Gehirns zu beobachten, wurde ein kommerzielles Lichtblattmikroskop (Leica TCS SP8 DLS) mit 10x- und 25x-Wasserimmersionsobjektiven verwendet. Für Ganzhirn-Lebendaufnahmen von Zebrafischlarven ist das DLS-Mikroskop in der Lage, 21 optische Ebenen zu erfassen. Durch Anlegen eines Flüssigkeitsstromes am hinteren Ende des Fischfixators kann die Larve sehr leicht wieder freigesetzt werden.

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Zurzeit wird einerseits daran gearbeitet, die Einkopplung des Lichtblattes und den Strahlengang für die Bildgebung für verschiedene Tiefen im Neuroexaminer noch besser zu harmonisieren und das derzeit manuelle Ein- und Ausschleusen der Fischlarven reproduzierbarer zu gestalten, sodass am Ende ein automatisiertes Verfahren zur Verfügung steht. n

Literaturtitel

[1] K. Mattern*, J. W. von Trotha*, P. Erfle, R. W. Köster, A. Dietzel, NeuroExaminer: an all-glass microfluidic device for whole-brain in vivo imaging in zebrafish, Communications Biology volume 3, 311 (2020) https://www.nature.com/articles/s42003-020-1029-7; * Geteilte Erstautorenschaft.

* D. Schrödter: Institute of Microtechnology (IMT), Technische Universität Braunschweig, 38124 Braunschweig

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