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Optogenetik erklärt Nahrungssuche Warum unsere Gedanken immerzu ums Essen kreisen

Autor / Redakteur: Silke Oßwald* / Dr. Ilka Ottleben |

Warum kreisen unsere Gedanken oft ums Essen, obwohl wir eigentlich satt sind? Forscher sind dem neuronalen Schaltkreis, der dafür verantwortlich ist, nun mit Hilfe der Optogenetik auf die Spur. Die so erlangten Erkenntnisse könnten beispielsweise dazu beitragen, neue Therapien gegen Essstörungen zu entwickeln.

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Nahrung stets im Blick: Forscher zeigen an neuronalem Schaltkreis, warum unsere Gedanken immerzu ums Essen kreisen.
Nahrung stets im Blick: Forscher zeigen an neuronalem Schaltkreis, warum unsere Gedanken immerzu ums Essen kreisen.
(Bild: © Andrey Popov - Fotolia.com)

Berlin – Die Suche nach Nahrung ist ein Urinstinkt von Mensch und Tier. Aber was sich dabei genau im Gehirn abspielt, war bislang unbekannt. Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin und dem Exzellenzcluster Neurocure konnten nun die Wissenslücke schließen: Sie haben einen neuronalen Schaltkreis entdeckt, der den Hypothalamus von Mäusen beeinflusst und die Nahrungssuche aktiviert. Spektakulär daran ist, dass Gamma-Oszillationen die Signale organisieren, und dass die Aktivierung des Signalwegs unabhängig vom Hunger ist. Der Fund wurde per Optogenetik ans Licht gebracht und erlaubt ein völlig neues Verständnis von biologischen als auch krankhaften Prozessen. Beispielsweise könnten neue Therapien gegen Essstörungen entwickelt werden. Die Forschungsergebnisse wurden soeben im Fachmagazin „Nature“ publiziert.

Suche nach Nahrung ist ein angeborener Instinkt

Wenn die eigenen Gedanken ums Essen kreisen, obwohl man eigentlich satt ist, ist das ganz normal. Denn Nahrungssuche ist ein angeborener Instinkt. Während das Jagen und Sammeln für unsere Vorfahren überlebenswichtig war, führt uns das evolutionäre Erbe im 21. Jahrhundert an den Kühlschrank oder in den nächsten Supermarkt. Aus Sicht von Neurowissenschaftlern ist dieser Vorgang hochinteressant, nicht zuletzt weil Störungen in diesem Bereich möglicherweise Essstörungen wie Magersucht erklären können. Doch dafür muss man erst einmal die neuronalen Mechanismen kennen, die der Nahrungssuche zugrunde liegen.

Kommunikation im Hypothalamus erfolgt über blitzschnelle Wellen

Dass rasend schnelle Wellen mit 30 bis 100 Schwingungen pro Sekunde im Gehirn wesentliche kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und geistige Flexibilität unterstützen, war bekannt; nicht aber, ob und wie sie auch an überlebenswichtigem Verhalten wie der Nahrungssuche beteiligt sind. Dr. Tatiana Korotkova and Dr. Alexey Ponomarenko konnten jetzt genau diesen Nachweis erbringen: Die beiden Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin und dem Exzellenzcluster Neurocure haben jenen neuronalen Schaltkreis entdeckt, der die Nahrungssuche aktiviert, und dabei zeigen können, dass sogenannte Gamma-Oszillationen diesen Mechanismus im lateralen Hypothalamus über Eingänge vom lateralen Septum organisieren. Die blitzschnellen Wellen helfen demnach, Informationen direkt an den Hypothalamus, wo unter anderem das Essverhalten reguliert wird, weiterzuleiten. Den Code, den die Gamma-Oszillationen dabei für ihre Kommunikation benutzen, konnten die Forscher ebenfalls knacken.

„Zusammen mit Kollegen aus den USA und Großbritannien konnten wir den Schaltkreis auf verschiedenen Ebenen präzise charakterisieren – von anatomischen Verbindungen bis hin zur Erregung einzelner Zellen“, beschreiben Tatiana Korotkova und Alexey Ponomarenko die Forschungsergebnisse, die nun im Fachmagazin „Nature“ erschienen sind.

Optogenetik bringt neuronales Geschehen ans Licht

Dem neuronalen Schaltkreis waren die Forscher mit Hilfe der Optogenetik auf die Spur gekommen, ein Verfahren, das durch Lichteinwirkung die Steuerung spezieller Signalwege im Gehirn erlaubt. In diesem Fall regte das Licht Mäuse an, nach Futterquellen zu suchen, selbst dann, wenn sie gar nicht hungrig waren. „Es war beeindruckend zu sehen, dass Gamma-Oszillationen im lateralen Hypothalamus so einen starken Effekt auslösten, wo diese Hirnregion doch bisher hauptsächlich für ihr Ansprechen auf chemische und hormonelle Signale bekannt war“, berichtet die Doktorandin Marta Carus.

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