Vorhersage von Eruptionen Wenn Vulkane Druck ablassen
Sie sind Urgewalten der Natur. Doch Vulkane können auch lange Zeit harmlos ruhen. Um mit bzw. bei ihnen zu leben, sind genaue Vorhersagen der Ausbrüche entscheidend. Hierfür hat ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der TU München nun ein neues Modell erprobt, das die entweichenden Gase der Vulkane als Eruptionsindikator nutzt.
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München – Der Merapi auf Java gehört zu den gefährlichsten Vulkanen der Welt. Daher stellt sich stets die eine Frage: Wann droht die nächste Eruption? Um die Bevölkerung rechtzeitig vor einem Ausbruch zu warnen, nutzen Geowissenschaftler meist seismische Messungen, welche die Bewegungen des Untergrunds sichtbar machen. Nun zeigen Untersuchungen von Proben des indonesischen Schichtvulkans neue Möglichkeiten zur Vorhersage auf.
Verstopfte Poren führen zur Eruption
Ein internationales Team, zu dem auch Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) gehören, hat jetzt in der Lava vom Gipfel des Merapi ein weiteres Indiz für eine drohende Eruption gefunden: Die oberste Gesteinsschicht, die „Staukuppe“, wird undurchlässig für Gase aus dem Untergrund, bevor der Vulkan ausbricht.
„Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich die physikalischen Eigenschaften der Staukuppe im Laufe der Zeit verändern“, sagt Prof. H. Albert Gilg vom TUM-Lehrstuhl für Ingenieurgeologie. „Nach einem Ausbruch ist die Lava noch gut durchlässig. Nach und nach sinkt dann die Permeabilität, also die Durchlässigkeit. Das Gas staut sich, der Druck steigt und sprengt schließlich in einer gewaltigen Explosion die Staukuppe.“
An sechs Lavaproben zeigten die Forscher, wie sich die Gesteine verändern – eine der Proben stammt vom Ausbruch des Merapi 2006, die anderen von der Eruption 1902. Untersuchungen von Porenvolumen, Dichte, Mineralzusammensetzung und -struktur ergaben, dass die Permeabilität mit zunehmender Gesteinsumwandlung um vier Größenordnungen gesunken ist. Der Vulkan ist also regelrecht verstopft. Verantwortlich dafür sind neu gebildete Mineralien, vor allem Kalium- und Natrium-Aluminiumsulfate, welche die feinen Risse und Poren in der Lava versiegeln.
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Das Innenleben eines Supervulkans
Dem Atem der Vulkane lauschen
Die drei Phasen der Zerstörung
Dass die reduzierte Permeabilität der Staukuppe tatsächlich verantwortlich ist für den nächsten Ausbruch, bestätigten Computersimulationen. Die Modelle zeigen, dass ein Schichtvulkan wie der Merapi drei Phasen durchläuft: Nach einer Eruption, wenn die Lava noch durchlässig ist, können Gase austreten; in der zweiten Phase wird die Staukuppe undurchlässig für Gase, gleichzeitig steigt der Druck im Inneren immer weiter an. In der dritten Phase sprengt der hohe Druck schließlich die Staukuppe.
Auch Fotografien vom Merapi aus der Zeit vor und während der Eruption am 11. Mai 2018 sprechen für das drei-Phasen-Modell: Der Feuerberg hatte zunächst eine Rauchfahne, schien dann lange ruhig, bis sich das Gas mit einer gewaltigen Explosion einen Weg bahnte und eine Aschenfontäne kilometerhoch in den Himmel schoss.
Vulkane unter Druck
„Die Forschungsergebnisse lassen sich jetzt nutzen, um das Eruptionsrisiko besser einschätzen zu können“, sagt Gilg. „Ein reduzierter Gasaustritt, den man messen kann, ist damit ein Hinweis auf einen bevorstehenden Ausbruch.“
Messungen des Gausautritts können nicht nur im Fall des Merapi helfen, eine drohende Eruption rechtzeitig zu prognostizieren. Schichtvulkane sorgen rund um den Pazifik immer wieder für Zerstörung. Die berühmtesten Beispiele sind der Pinatubo auf den Philippinen, der Mount St. Helens in den USA und der Fuji in Japan. Für all diese Vulkane könnten die Ergebnisse von Gilgs Forscherteam bessere Ausbruchsvorhersagen bedeuten.
Originalpublikation: Michael J. Heap, Valentin R. Troll, Alexandra R.L. Kushnir, H. Albert Gilg, Amy S.D. Collinson, Frances M. Deegan, Herlan Darmawa, Nandhirah Seraphine, Juergen Neuberg, Thomas R. Walter: Hydrothermal alteration of andesitic lava domes can lead to explosive volcanic behaviour, Nature Communications volume 10, Article number: 5063 (2019); DOI: 10.1038/s41467-019-13102-8
* S. Reiffert, Technische Universität München Umwelthygiene, 80333 München
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