Kommunikation einzelner Zellen Zellgeflüster – Forscher fangen Bio-Nachrichten ab
Spionage im Miniaturformat: Mit einer verbesserten Mikroskopietechnik ist es Forschern der ETH Zürich gelungen, die biochemische Kommunikation von Zellen zu analysieren – und zwar gezielt von einzelnen Zellen. Die abgefangenen Botenstoffe verraten zum Beispiel Details über den Gesundheitszustand der jeweiligen Zelle und können so zur Erforschung von Krankheiten beitragen.
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Zürich/Schweiz – Damit die Zellen unseres Körpers als Einheit funktionieren, müssen sie ständig miteinander kommunizieren. Sie scheiden Signalstoffe aus – Ionen, Proteine oder Nukleinsäuren – die von Nachbarzellen registriert werden. Diese geben das Signal ihrerseits an andere Zellen weiter. Nur durch diese Kommunikation funktionieren beispielsweise unsere Muskeln, das Verdauungssystem oder das Gehirn. Und nur dadurch erkennt unser Immunsystem Krankheitserreger oder kranke Zellen und kann darauf reagieren – wiederum, indem es Signale aussendet, um die Immunabwehr zu mobilisieren.
Wenn bei dieser Nachricht zwischen Zellen etwas falsch läuft, führt das zu Krankheiten, etwa Krebs oder Autoimmunerkrankungen. „Deshalb ist es wichtig, zu erforschen, welche Signale die Zellen in welcher Situation aussenden“, sagt Morteza Aramesh. Der Biophysiker im Labor für Biosensoren und Bioelektronik an der ETH Zürich hat eine neue Methode entwickelt, die genau das möglich macht: die Kommunikation einer einzelnen Zelle abhören.
Ein Hebelarm mit Nase als Sensor
Zwar konnte man schon bisher solche Signale messen, doch nur für ganze Populationen von hunderten oder tausenden Zellen. Für einzelne Zellen waren die bisher genutzten Methoden nicht empfindlich genug. So gingen die Signalstoffe individueller Zellen im Durchschnitt der Population unter: „Es war unmöglich, Unterschiede zwischen den Zellen zu erkennen, etwa um kranke Zellen zu identifizieren“, sagt Aramesh.
Anders mit der neuen Methode, die vor Kurzem von Aramesh, die mit einem so genannten Fluid-Force-Mikroskop funktioniert, das mit einer speziellen Cantilever-Spitze ausgerüstet ist. Cantilever sind kleine Hebelarme mit einer feinen Spitze, die bei solchen Mikroskopen Oberflächen abtasten, z.B. eben diejenige einer Zelle. Neu ist ein winziger Sensor an der Spitze des Hebelarms, der wie eine kleine Nase fungiert. Er besteht aus einer nur wenige Nanometer großen Pore aus Siliziumnitrid, die quasi erschnüffelt, wenn die Zelle Moleküle absondert.
Wie funktioniert der Nanosensor?
Die spezielle Spitze des Cantilevers funktioniert so: Für das Ausscheiden der Signalstoffe aus den Zellen sind Transportproteine zuständig, die in der Zellmembran sitzen. Die neu konstruierte Nanopore hat einen so kleinen Durchmesser, dass sie sich präzise über einem solchen Transportprotein positionieren lässt und dort die Stoffe abfängt, die hindurchfließen. Dabei analysiert der Nanosensor den Ionenstrom. Denn dieser ändert sich, wenn Ionen oder größere Biomoleküle wie Proteine oder Nukleinsäuren durch die Pore fließen. Und anhand der Art und der Dauer der Veränderung des Ionenstroms lassen sich verschiedene Signalstoffe unterscheiden.
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Verschließbares Transportsystem für Moleküle
Zellen von Blaualgen senden sich Rohrpost
Einzelne Zellen unter der Lupe
Die Forscher haben ihre Methode, die sie „Scanning Nanopore Microscopy“ nennen, mit Nervenzellen aus dem Gehirn von Ratten getestet. Bisher können sie einzelne Signalstoffe wie Ionen und einige Proteine unterscheiden. Als nächstes wollen die Biophysiker ihre Nanosensoren weiterentwickeln, sodass sie zukünftig weitere Signalstoffe erkennen. „Unser Ziel ist, dass wir schließlich alle Signale einer Zelle analysieren können“, sagt Janos Vörös, Leiter des Labors für Biosensoren und Bioelektronik. Schon jetzt aber lassen sich mit der Methode alle Transportproteine einer lebenden Zelle lokalisieren.
Mehr noch: Mit dem neu entwickelten Sensor können die Forscher auch in Zellen hineinblicken. Denn die Spitze mit dem Nanosensor ist so fein, dass sie die Zellmembran durchstechen kann, ohne dauerhaften Schaden anzurichten. Im Inneren lässt sich dann analysieren, was aus dem Zellkern ausgeschieden wird. „Besonders interessant sind hier RNA-Fragmente“, sagt Vörös. Diese geben Aufschluss darüber, welche Proteine eine Zelle gerade produziert – ein wichtiger Faktor bei der Entstehung vieler Krankheiten.
„Unsere Methode verleiht Biologinnen und Biologen völlig neue Möglichkeiten, das Verhalten einzelner Zellen zu untersuchen“, sagt Vörös. Nicht nur, wenn es um Unterschiede zwischen kranken und gesunden Zellen geht, sondern auch etwa bei der Entwicklung von Stammzellen oder bei der Frage, ob sich Zellen im Labor genauso verhalten wie im Körper. In Zukunft dürften sich viele weitere Fragen mit dieser neuen Methode beantworten lassen.
Originalpublikation: Aramesh M, Forró C, Dorwling-Carter L, Lüchtefeld I, Schlotter T, Ihle SJ, Shorubalko I, Hosseini V, Momotenko D, Zambelli T, Klotzsch E, Vörös J: Localized detection of ions and biomolecules with a force-controlled scanning nanopore microscope, Nature Nanotechnology, 15. Juli 2019; DOI: 10.1038/s41565-019-0493-z
* S. Russo: freie Wissenschaftsjournalistin, Zürich/Schweiz
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