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Leichtbau-Solarzellen Abstecher ins All: Neue Solarzellen getestet

Von Dr. Andreas Battenberg*

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Für die Raumfahrt sind Solarzellen ein wichtiger Stromlieferant, etwa in Satelliten. Neue Perowskit- und organische Hybridzellen liefern hier bei gleichem Gewicht bis zu zehnmal mehr Energie als herkömmliche Modelle aus Silizium. Um zu testen, ob die Zellen den Anforderungen eines Raketenflugs standhalten, haben Forscher sie für sechs Minuten ins All geschossen.

Start der ATEK/MAPHEUS-8 am 13. Juni 2019, vorbereitet und durchgeführt durch die Abteilung Mobile Raketenbasis (MORABA) des DLR. Nun sind die Daten ausgewertet.
Start der ATEK/MAPHEUS-8 am 13. Juni 2019, vorbereitet und durchgeführt durch die Abteilung Mobile Raketenbasis (MORABA) des DLR. Nun sind die Daten ausgewertet.

Garching, Köln – Ob neue Wettersatteliten oder eine bemannte Mission zum Mars – ein Raketenstart ist stets ein Kampf um jedes Gramm. Denn zusätzliches Gewicht bedeutet zusätzlichen Treibstoffbedarf und damit höhere Kosten. Daher spart man Last, wo es nur geht. Bei der Energieversorgung sind Solarzellen ein Ansatzpunkt. Denn die herkömmlichen Siliziumsolarzellen sind vergleichsweise schwer. Vielversprechend sind hier Perowskit- und organische Solarzellen. In den vergangenen Jahren haben ihre Wirkungsgrade rasch zu den konventionellen Solarzellen auf Siliziumbasis aufgeschlossen.

„Die besten Perowskit-Solarzellen erreichen derzeit Wirkungsgrade von 25 Prozent“, sagt Peter Müller-Buschbaum, Professor für funktionelle Materialien im Physik-Department der Technischen Universität München (TUM). „Solche weniger als einen Mikrometer dünnen Solarzellen, aufgebracht auf ultradünnen, flexiblen Kunststofffolien, sind extrem leicht. Daher können diese Zellen eine Energieausbeute von knapp 30 Watt pro Gramm erreichen.“ Herkömmliche Solarzellen bringen es lediglich auf drei Watt pro Gramm.

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Herstellung bei Raumtemperatur

Das Erfolgsgeheimnis der neuen Solarzellen liegt auch in der Herstellung: Während bei Silizium-Solarzellen sehr hohe Temperaturen und viele Prozessschritte erforderlich sind, lassen sich Perowskit-Zellen und organische Halbleiter bei Raumtemperatur und aus einer Lösung heraus herstellen.

„Diese organischen Lösungen kann man sehr einfach verarbeiten“, sagt Erstautor Lennart Reb. „So erschließen die Technologien neue Anwendungsfelder, in denen herkömmliche Solarzellen einfach zu unhandlich oder zu schwer waren – und das reicht weit über die Raumfahrttechnik hinaus.“

Ein Video des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) zeigt den Start der Forschungsrakete:

Sechs Minuten schwerelos

Auf einem Forschungsflug der Kampagne Mapheus 8 wurden nun je zwei verschiedene Typen von organischen und Perowskit-Solarzellen erstmals unter Weltraumbedingungen getestet. Die im schwedischen Kiruna gestartete Rakete erreichte dabei eine Höhe von knapp 240 Kilometern. Nach nur rund sechs Minuten in der Schwerelosigkeit kehrte die Rakete wieder Richtung Erdboden zurück.

„Mit unserem Mapheus-Programm haben wir die Möglichkeit, sehr zügig Experimente in die Schwerelosigkeit zu bringen und so zu vielversprechenden Forschungsergebnissen zu kommen“, sagt Prof Andreas Meyer, Koautor und Direktor des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum. „Dieses Mal ging es besonders schnell: Von der ersten Idee bis zum Flug der Solarzellen während der Mapheus-8-Kampagne verstrich weniger als ein Jahr.“

Energiegewinnung selbst auf der sonnenabgewandten Seite

Die Ergebnisse des Testflugs fielen positiv aus. Den Wissenschaftlern zufolge sprechen die erhaltenen Daten dafür, dass Perowskit- und organische Solarzellen ihr Potenzial hinsichtlich ihrer erwarteten Leistung in Umlaufbahnhöhe erreichen können. Auch unter diffusem Lichteinfall erzeugten die Solarzellen elektrische Energie. „Sonnenabgewandte Zellen die während des Fluges nur spärliche Beleuchtung ausschließlich von der Erde erhielten, lieferten dennoch Strom“, betont Erstautor Reb.

Aufgrund ihrer sehr viel geringeren Schichtdicke könnten die neuen Solarzellen daher auch bei schwachen Lichtverhältnissen eingesetzt werden, beispielsweise für Missionen ins äußere Sonnensystem, wo die Sonne für herkömmliche Weltraumsolarzellen zu schwach wird. „Es wäre nicht das erste Mal, dass Innovationen sich zuerst als Weltraumtechnologien etablieren, bevor sie dann weltweit in anderen Bereichen angewendet werden“, sagt DLR-Materialwissenschaftler Meyer, „Ein Grund dafür sind sicherlich die sehr hohen Anforderungen, die der Weltraum an alle technischen Komponenten stellt.“

Originalpublikation: Lennart K. Reb, Michael Böhmer, Benjamin Predeschly, Sebastian Grott, Christian L. Weindl, Goran I. Ivandekic, Renjun Guo, Christoph Dreißigacker, Roman Gernhäuser, Andreas Meyer, and Peter Müller-Buschbaum: Perovskite and Organic Solar Cells on a Rocket Flight, Joule (2020), DOI: 10.1016/j.joule.2020.07.004

* Dr. A. Battenberg, Technische Universität München (TUM), 85748 Garching

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